Die Leipziger Wohnungsgenossenschaft Unitas stellt sich dem demografischen Wandel. Im Haus An der Kotsche 1 in Grünau kann nun eine Musterwohnung "Alter leben" besichtigt werden. Projektpartner sind die sächsischen Wohnungsgenossenschaften, der Leipziger Softwareentwickler provedo und die Volkssolidarität.

“Sachsen ist der deutsche Alterspionier.” So beschreibt Sachsens Sozialministerin Christine Clauß (CDU) gern die demografische Lage im Freistaat. Noch können sich die wachsenden Metropolen Leipzig und Dresden ein wenig vom allgemeinen Trend zu “Silver Saxony” abkoppeln.

Doch auch in diesen beiden Städten wächst die Zahl der hochaltrigen Menschen. Und zeitlich versetzt zum peripheren Sachsen explodiert in den beiden Halbmillionenstädten bis 2050 die Zahl der Pflegefälle. Die Entwicklung ist in Szenarien beschrieben, die dem sächsischen Sozialministerium seit dem letzten Herbst vorliegen.

“Der demografische Wandel wird nicht erst kommen, er ist schon da”, sagt denn auch Martina Wilde, Vorstand der Leipziger Wohnungsgenossenschaft Unitas eG. Deren 6.000 Mitglieder und Mieter sind bereits heute im Durchschnitt 59 Jahre alt.Das prädestinierte den Leipziger Vermieter dazu, für den Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. (VSWG) in der Alterspionierrepublik Sachsen ein Modellprojekt zu realisieren. Das heißt “Alter leben” und soll die baulichen, technischen und sozialen Voraussetzungen für ein möglichst langes, selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden schaffen. So will man Praxislösungen und Geschäftsmodelle entwickeln, erläutert Alexandra Brylok, die das Projekt vom VSWG koordiniert.

“Das Projekt der Unitas ist das in Sachsen, das am weitesten geht”, so Alexandra Brylok weiter. Bereits so weit, dass seit dem Dienstag dieser Woche in dem Haus An der Kotsche 1 in Grünau eine Modellwohnung zu besichtigen ist.Ab sofort ist die vernetzte Drei-Raum-Wohnung jeden zweiten Donnerstag im Monat geöffnet. Baulich setzt die Unitas auf den Verzicht von Türschwellen und den Einbau einer Dusche statt einer Badewanne. Auch der Herd ist gegenüber den Serienmodellen etwas tiefergelegt. Partner in planerischen und baulichen Dingen waren die Unternehmen S&P Sahlmann und Megaron.

Im technischen Bereich wartet der Leipziger Softwareentwickler provedo mit teilweise eigens für diese Wohnung entwickelten Lösungen auf. Dazu gehören eine Wassereinbruchsanlage und eine allgemeine Alarmanlage. Schaltzentrale der Wohnung ist ein Touchscreen-Monitor. “Es ging um Lösungen, die nicht nur funktionieren, sondern auch Strom sparen und bezahlbar sind”, sagt Volker Klostermann von provedo.Die technischen Helfer ermöglichen die Kommunikation nach draußen. Beispielsweise mit dem Hausnotruf der Volkssolidarität. “Das Ergebnis finden wir sehr toll”, sag Christine Manz, Geschäftsführerin der Volkssolidarität, über die Modellwohnung.

An deren Konzipierung mitgewirkt hat auch Kathrein Hoffmann, Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins Miteinander Wohnen und Leben in Grünau. Sie hat in der Planungsgruppe mitgearbeitet. Ihre praktischen Erfahrungen aus dem tagtäglichen Kontakt mit älteren Mietern flossen in die technischen Lösungen ein. “Ich finde das richtig toll”, sagt Kathrein Hoffmann über das Ergebnis.

Eigentlich ist es ja eher ein Zwischenergebnis. Denn die Wohnung soll nach dem Willen aller Beteiligten im Praxistest weiterentwickelt werden.

Neben der allgemeinen technischen und funktionalen Optimierung der Wohnung geht es nach den Worten von Unitas-Vorstand Steffen Foede darum, “an die Einkommen der Rentner zu denken”. Von dieser Seite würden neben den demografischen Problemen noch ganz andere Probleme auf die Wohnungsgesellschaften zukommen. Die heißen dann an anderer Stelle: Altersarmut. Beispielsweise in den erwähnten Erhebungen im Auftrag des Dresdner Ministeriums.

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit altersgerechten Wohnens sei nach Foedes Worten zu fragen, warum Pflegeheime mit Fördermitteln errichtet würden, während es diese bei der Ertüchtigung von Wohnungen nicht gebe. Jedenfalls nicht in der Breite. Denn für das Pilotprojekt konnte der VSWG Fördermittel beim Bundesforschungsministerium einwerben.

Für Verbandsfrau Alexandra Brylok liegt ein Weg darin, die Wohnung als nächsten Gesundheitsstandort anzuerkennen”. Dann wäre eine “mitalternde Wohnung” auch ein Fall für die Krankenkassen und die Pflegekassen.

www.wg-unitas.de

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