Nicht nur in Leipzig gab es in den letzten Jahren immer wieder schlimme Vorfälle mit Kleinkindern. Oft genug stellte sich im Nachhinein heraus, dass die zumeist jungen Eltern überfordert waren und sich der Aufgabe, ein Kleinkind zu betreuen, nicht gewachsen fühlen. Aber wie kann eine Stadt da eingreifen? Gar schon im Vorfeld, bevor tatsächlich etwas passiert? - Im Dezember startete Bundesfamilienministein Kristina Schröder die Bundesinitiative Frühe Hilfen. Ein Teil der Initiative sind die Familienhebammen, die es jetzt auch in Leipzig gibt.

Ab 1. August steht für junge Eltern mit besonderem Unterstützungsbedarf dieses neue Hilfsangebot bereit: Familienhebammen besuchen Eltern und Kind ab der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes zu Hause. Sie stärken und stützen die Eltern und ermöglichen so den Kindern einen guten Start in ihr Leben.

Nicht alle Eltern. Das Angebot ist freiwillig und funktioniert ohne Einwilligung der Eltern nicht. Es ist aber auch niederschwellig und bewusst beim Gesundheitsamt der Stadt angesiedelt. Die jungen Eltern sollen nicht das Gefühl haben, von der Stadt gegängelt zu sein. Aber sie sollen so viel Vertrauen haben, dass sie sich die Hilfe holen, wenn sie sich überfordert fühlen.

“Gerade in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensmonaten des Kindes werden die Weichen für eine positive Entwicklung des Kindes und eine tragfähige Eltern-Kind-Bindung gestellt”, erläutert Bürgermeister Thomas Fabian. “Unsere Familienhebammen kennen die besonderen Herausforderungen, welche die ersten Monate der Elternschaft mit sich bringen. So können sie Mutter und Vater gezielt in ihren Kompetenzen stärken und wenn nötig Hilfe vermitteln.”

Deswegen sind es auch ausgebildete Hebammen, die ab 1. August in Aktion treten und sich um jene Familien kümmern, die diese Hilfe brauchen. Alle haben eine zusätzliche Ausbildung im sozialpädagogischen Bereich absolviert oder absolvieren sie gerade.
Denn die Familienhebammen begleiten die Familien ab der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes, wenn ein besonderer Unterstützungsbedarf besteht. Auf den kommt es an. Bestehende Beratungsleistungen der Stadt wie etwa in den Schwangerenberatungsstellen sollen nicht ersetzt werden.

Die fünf Hebammen mit ihrer Spezialausbildung sollen dort aktiv werden, wo besondere Hilfe gebraucht wird. Das kann eine schwierige soziale oder finanzielle Situation sein oder wenn eines der Elternteile minderjährig ist. Auch bei unerwünschter Schwangerschaft, wenn chronische Erkrankungen oder körperliche Beeinträchtigungen/Behinderungen vorliegen, wenn Frauen mit Drogenkonsum, mit Gewalt-/Missbrauchserfahrungen schwanger sind, oder wenn die geborenen Babys besondere oder erhöhte Fürsorgeanforderungen stellen (z.B. Frühgeborene, Mehrlinge, Schreikinder, chronische Erkrankungen oder körperliche/seelische Behinderungen) kann eine Hilfe erfolgen. Wenn Mütter mit Schwangerschaft und Elternsein überfordert sind, wenn sie ihren Alltag nur eingeschränkt selbst bewältigen können, wenn sie vielleicht ihr Kind nicht annehmen können oder es gar vernachlässigen, bieten die Familienhebammen Unterstützung. Oder wenn die Familie sozial isoliert ist, von Obdachlosigkeit bedroht ist oder in Einrichtungen, wie beispielsweise einem Frauenhaus, lebt, kommen die Hebammen vor Ort.

“Darüber entscheidet dan eine Hilfefallkonferenz”, sagt Dr. Regine Krause-Döring, Leiterin des Gesundheitsamtes, denn die Familienhebammen soll keines der anderen städtischen Angebote für junge Familien ersetzen. Im Gegenteil: Eltern, die Berührungsängste haben, sollen in diese Angebote vermittelt werden. Auch beim Gang zu Ämtern werden sie unterstützt. Ziel der Hilfe der Familienhebammen sei es immer, eine stabile Eltern-Kind-Bindung zu unterstützen und gegebenenfalls in ein tragfähiges Netzwerk zu vermitteln, betont Krause-Döring.

Der Besuch der Familienhebamme ist ein zusätzliches Angebot zu den bekannten Leistungen der Krankenkassen in Schwangerschaft und Wochenbett. Die Begleitung der Familien ist kostenlos und freiwillig. Krankenhäuser, Arztpraxen, Schwangerschaftsberatungsstellen und andere Institutionen können mit dem Einverständnis der betroffenen Familie diese Hilfe vermitteln.
Es gibt aber auch eine direkte Anlaufstelle – die Koordinierungsstelle in der Außenstelle “Kleeblatt” des Gesundheitsamtes. Dort vermittelt Katrin Schaup, die Koordinatorin, die Hilfesuchenden an ihre Mitarbeiterinnen.

Erfahrungen mit so einem System gibt es schon, betont Thomas Fabian: “Wir haben von Anfang an mit der Stadt Dresden zusammengearbeitet. Dort hat schon im Dezember eine Familienhebamme ihre Arbeit aufgenommen, zwischenzeitlich kam eine zweite dazu. Wir stehen in regem Austausch und lernen natürlich auch voneinander.”

327.000 Euro stehen Leipzig in diesem Jahr aus dem Fördertopf des Bundesfamilienministeriums zur Verfügung, 2014 und 2015 werden es jeweils 379.000 Euro sein. Damit können sechs “Vollzeitäquivalente” bezahlt werden – da nicht alle Vollzeit dabei sind, sind es am Ende eine Koordinatorin (Katrin Schaup), fünf Familienhebammen und zwei Kinderkrankenschwestern.

Dabei soll sich die Hilfe wirklich auf das erste Lebensjahr des Babys beschränken. Sie soll den jungen Eltern jene Unterstützung geben, die sie befähigt, in ihre Elternrolle hineinzuwachsen. Die ersten sechs Familien, die in die Betreuung der Familienhebammen gegeben werden, habe man schon, sagt Krause-Döring. Sie hofft auch, dass die Anzahl der Familienhebammen ausreicht.

Das Projekt wird gefördert von der Bundesinitiative “Frühe Hilfen und Familienhebammen”. Es ist vorerst bis Ende 2015 befristet. Aber Thomas Fabian macht auch deutlich, dass er eine Fortsetzung dieses auch auf Bundesebene als notwendig angesehenen Programms nach 2015 dringend fordert.

Die Familienhebammen sind im Gesundheitsamt, Außenstelle “Kleeblatt”, Koordinierungsstelle Bundeskinderschutzgesetz/Familienhebammen, in der Hermann-Liebmann-Straße 73, zu erreichen, Tel. (0341) 123-6726.

In den einschlägigen Arztpraxen und Beratungsstellen liegen dazu auch die Faltblätter mit den notwendigen Informationen aus.

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