Nicht nur die Bundesregierung hat die Regelsätze für die ALG-II-Empfänger augenscheinlich frei nach Nase zusammengestoppelt. Auch die Stadt Leipzig hat bei der Festsetzung der Sätze, die sie für die Unterkunft der Bedürftigen bezahlt, scheinbar keine nachvollziehbaren Kriterien angelegt. Die festgelegten 3,85 Euro pro Quadratmeter sind nicht einmal gerichtsfest.

Das stellte bereits im Februar 2010 das Sozialgericht Leipzig fest, das die Stadtverwaltung seinerzeit aufforderte, ein schlüssiges Konzept zur Festsetzung der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU) vorzulegen.

“Leider wurde dieser richterlichen Aufforderung bis heute nicht entsprochen”, stellt Naomi Pia-Witte, die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion. fest. “Dass die Festsetzung der KdU durch den damaligen OBM Tiefensee (SPD) per Order de Mufti auf 3,85 Euro nicht rechtskonform war, stellte das Bundessozialgericht spätestens mit seinem Urteil vom 22.September 2009 fest. Seither entspricht die Richtlinie der Stadt Leipzig den Kriterien, die das Bundessozialgericht für die Festlegung der Kosten der Unterkunft in diesem Urteil aufgestellt hatte, nicht einmal ansatzweise.”

Als Folge werden die Festlegungen der Stadt Leipzig zur Höhe angemessener Kosten der Unterkunft vom Sozialgericht Leipzig in seiner verfestigten Rechtsprechung regelmäßig verworfen. Die Richter greifen auf die höheren Sätze der aktuellen Wohngeldtabelle zurück, die das BMVBS regelmäßig veröffentlicht. Danach interessiert nicht zuerst die Durchschnittshöhe der Mieten in der Stadt, sondern die Höhe des Einkommens der Betroffenen. Wenn Leipziger Betroffene keinen Wohnraum zu den von der Stadt bezahlten Konditionen finden oder keinen Wohnraum in der vorgegebenen Maximalgröße, bleiben sie in der Regel auf den Kosten sitzen – zweigen es also direkt vom eigentlichen Lebensunterhalt ab, der ja bekanntlich vom Bund genauso wenig gerichtsfest definiert wurde.Oft genug geraten sie bei diesem Verfahren auch in einen Verschuldungskreislauf, aus dem sie aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen. Oft genug bleiben dann auch die Vermieter auf den Wohnschulden sitzen. Entsprechend deutliche Proteste der Leipziger Wohnungsgenossenschaften gab es in letzter Zeit zur Genüge. Auch zu der schlichten Tatsache, dass Leipzig seit 2005 – anders als viele andere sächsische Kommunen – den Satz für die Kosten der Unterkunft nicht erhöht hat.

“Es ist ein untragbarer Zustand, dass es in Leipzig keine rechtskonformen Richtlinien zu den Kosten der Unterkunft gibt”, sagt Naomi-Pia Witte. “Dadurch gelten faktisch zwei verschiedene Sätze, einerseits die seit 2005 geltenden der Stadt Leipzig für die Bezieher von Transferleistungen, die den Gang zum Sozialgericht scheuen, und die niedrigeren städtischen Festlegungen zu den KdU hinnehmen. Andererseits diejenigen, die sich ihr Recht über das Sozialgericht erstreiten. Ihnen werden erheblich höhere Mieten vom Gericht zugestanden, so lange die Stadt keine rechtskonformen Richtlinien vorlegen kann.”

Die Fraktion Die Linke habe aus diesem Grunde den im Rahmen der Haushaltsdebatte ins Verfahren verwiesenen Antrag überarbeitet. Die Stadtverwaltung wird darin aufgefordert, ein schlüssiges Konzept zu den Kosten der Unterkunft vorzulegen. “Damit soll in diesem wichtigen sozialen Bereich in Leipzig wieder Rechtssicherheit einziehen”, so die Stadträtin der Linken. In einem weiteren Antrag fordere ihre Fraktion außerdem, dass bis zur rechtskonformen Neugestaltung der Angemessenheitskriterien für die Kosten der Unterkunft das Jobcenter Leipzig keine Aufforderungen zur Kostensenkung eben dieser Unterkunftskosten mehr an die Betroffenen versendet. Denn das ist genau das, was auch die Verwaltung zumeist bestritt: Dass sie die von “Hartz IV” Betroffenen dazu dränge, in billigere Stadtquartiere umzuziehen.

Denn genau das steckt dahinter. Und es führt auch zu einem Effekt, dem die Stadt bei der millionenteuren Arbeit in den sozialen Brennpunkten des Stadtgebiets stets laut tönend entgegen wirken will: der sozialen Segregation und der Schaffung von kompletten sozial abgehängten Stadtquartieren.

Aber vielleicht wissen nur die einen Verantwortlichen in der Stadtverwaltung nicht, was die anderen tun. Vielleicht hilft ja da die neue Telefonanlage.

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