Wurde je über einen Leipziger Demokratiepreis nachgedacht? Wo könnte die Verleihung stattfinden, welche medienträchtigen Rahmenveranstaltungen würde man eigentlich ins Auge fassen können, um Leipzig Jahr für Jahr am 9. Oktober ein "Denkmal" zu errichten, das von und für die Leipziger Bürger aber auch für internationale Gäste gedacht ist?

Nicht nur das “Völki” sollte nach den letztjährigen Vorschlägen des BKKL in die Feierlichkeiten rund um den 9. Oktober involviert sein, auch die Nikolaikirche. Die zweite Idee des BBKL war und ist, dass ein neu zu stiftender Demokratiepreises der Stadt Leipzig eingeführt und damit um eine mit der Erinnerung an die Friedliche Revolution verbundene Skulptur vergeben wird. “Für uns wäre das die wichtigste Einzelmaßnahme, weil hier – insbesondere dann, wenn diese Preisverleihung jährlich im Fernsehen live übertragen werden würde – die Erinnerung von Leipzig als Ausgangsort der Friedlichen Revolution vom Herbst 1989 nachhaltig wach gehalten werden würde.”

Eine entsprechende Frage eines Leipzigers kanzelte bereits das Leipziger Kulturdezernat im November 2009 mit den Worten ab: “Es gibt in Sachsen bereits den Sächsischen Förderpreis für Demokratie und den Sächsischen Kunstpreis für Toleranz und Demokratie. Außerdem gibt es den Internationalen Demokratiepreis Bonn. Es werden also bereits einige Demokratiepreise vergeben. Das Geld vom Bund steht ausdrücklich für das Freiheits- und Einheitsdenkmal zur Verfügung und kann nicht umgewidmet werden.”

Dem entgegnet der Künstlerverein: “Berlin mag ein neues, künstlerisch sicherlich umstrittenes Freiheitsdenkmal errichten – Leipzig sollte eine bessere Verwendung seiner dafür zur Verfügung gestellten Mittel anstreben und damit der Welt beweisen, dass die Leipziger Freiheit vom Herbst 1989 immer noch große Strahlkraft besitzt. Mit der jährlichen Demokratiepreisverleihung am ersten Sonntag nach dem 9. Oktober in der Nikolaikirche würde Leipzig außerdem den wichtigsten deutschen Erinnerungsevent an die Friedliche Revolution vom Herbst 1989 etablieren, der sehr schnell auch von der Politik als sinnvolle und gleichrangige Veranstaltung nationaler Bedeutung neben der jährlichen Bundesratsfeier zum Tag der Deutschen Einheit betrachtet werden dürfte.”Derselbe, ungenannt bleibende Leipziger hat bereits in der vergangenen Woche eine Anfrage mit besagten Alternativvorschlägen an die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag, Monika Grütters, gestellt, die diese auch begrüßt. Aber sie sagt im Bezug auf das Berliner Denkmal, dass es politischer Wille sei, ein solches Denkmal auf der Schlossfreiheit – einem von der friedlichen Revolution verschonten Ort – umzusetzen, auch wenn sie das Brandenburger Tor als Erinnerungsort favorisiert hätte. Sie verweist den Leipziger Frager auf die Auslober des Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmals – die Stadt Leipzig

Dagegen argumentiert der vom selben Leipziger befragte thüringische Bundestagsabgeordnete Johannes Selle in seinem am 10. Juni verfassten Antwortschreiben nach Anfrage und Unterbreitung der Alternativen zum Denkmal, dass er für die Umsetzung jenes Gedenkortes gerne mitarbeiten würde, sich aber nicht bei ihm gemeldet habe. Er bemerkt aber auch, dass die Leipziger größtenteils gleichgültig auf das Thema reagieren und das Denkmal an sich nicht für notwendig halten. Die im Februar beendete Umfrage hat es eindrucksvoll bewiesen. Der Vorschlag, die Nikolaikirche in den Mittelpunkt zu stellen z.B. für die Preisverleihung und medial inszenierte musikalische Aufführungen, hält Selle für überzeugend. Allerdings seien die für ein Freiheitsdenkmal beschlossenen Mittel nicht umzuwidmen.

Dagegen sprechen die Alternativen der Bundestagsabgeordneten und kulturpolitischen Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Lukrezia Jochimsen, aus dem Herzen. Sie unterstützt das Ansinnen des Leipzigers nachdrücklich, bei Leipzigs OB sowie beim Leipziger Kulturausschuss seine Vorschläge einzureichen.

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Da hilft nur eins: Die Alternativen Völkerschlachtdenkmal, Nikolaikirche und Demokratiepreis als Ergänzungen für ein starres Denkmal anzunehmen und zu entwickeln. Eine entsprechende Anfrage vom 2. Juni 2011 dazu hat zum 22. Juni dem Stadtrat vorgelegen, wurde aber zu kurzfristig eingereicht. Darin heißt es:

“Dem Oberbürgermeister sowie auch dem Kulturbürgermeister sind seit Mitte April die Alternativen bzw. Ergänzungen zum Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal bekannt, die auch dem Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, dem Bundestagspräsidenten, dem Staatsminister für Kultur sowie dem Intendanten des MDR vorliegen. Würden diese Vorschläge umgesetzt, würden sie für die Stadt Leipzig in jedem Falle einen erheblichen politischen, ikonografischen und ökonomischen Mehrwert generieren.” In der Anfrage heißt es weiter:

“Liegt der Stadt Leipzig dazu eine Stellungnahme von Seiten des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, des Bundestagspräsidenten, dem Staatsminister für Kultur sowie dem Intendanten des MDR vor, die zum großen Teil auch als Schirmherren für die einzelnen Wettbewerbe vorgeschlagen wurden?” Es folgen danach noch fünf weitere Fragen, die herausfinden wollen, ob die Stadt Leipzig in den letzten zwei Jahren selbständig Alternativen zum hier geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal entwickelt hat, vor allem nachdem ihr vom Bund Bildender Künstler Leipzig im März 2010 die Stiftung eines Demokratiepreises vorgeschlagen wurde. Des Weiteren steht die Frage geschrieben, was die Leipziger Stadtverwaltung zur Prüfung der Alternativvorschläge der Bürger der Stadt – vor allem auch im Hinblick auf die beabsichtigte Kulturhauptstadtbewerbung Leipzigs für das Jahr 2020 unternommen hat.

“Hat die Stadt einmal den politischen und ökonomischen Mehrwert sowie auch die möglichen Mehrkosten für die nächsten Jahre ermittelt, die ihr aus einer Umsetzung dieser Alternativvorschläge entstehen könnten?”, heißt es weiter in der liegen gebliebenen Bürgeranfrage zum 22. Juni. Interessant hier auch: “In welcher Form beabsichtigt die Stadt Leipzig eine Änderung des Bundestagsbeschlusses zum Freiheits- und Einheitsdenkmal vom November 2007 mit zu unterstützen? Liegt dazu bereits eine Willenserklärung der Stadt beim Bundestagspräsidenten vor?” und “Wie sehen die Planungen der Stadt zu einem möglichen europäischen Staatstreffen aus Anlass des 200. Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig aus? Wer wäre dafür auf Bundes- und Landesebene der Partner?”

Das Gezerre um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal geht also weiter. Werden die Vereine und Bürger von den Dezernaten und den Stadträten erhört – oder wird all das einfach ignoriert? Das wird wohl eine der kommenden Stadtratssitzungen zeigen, wenn die Bürgeranfrage, welche die Vorschläge des BBKL mit übernommen hat, auf der Tagesordnung steht.

Zum ersten Teil vom 10. Juli 2011 auf L-IZ.de
Leipziger Einheits- und Freiheitsdenkmal: Welche Ideen haben Leipziger Bürger und Initiativen? (1)

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