Am Sonntag, 9. Oktober, feiert Leipzig wieder das Lichtfest. Nicht so groß wie in den Jubiläumsjahren, wenn der halbe Innenstadtring illuminiert wird. Aber selbst die Lichtfeste, die in den Zwischenjahren auf dem Augustusplatz stattfinden, mausern sich zu Großereignissen. Und nicht nur dort. Am Eiscafé San Remo gibt es schon am 8. Oktober eine kleine Generalprobe für die Lichtinstallation.

Wie schon 2009 beteiligt sich das Eiscafé San Remo wieder auf seine Weise am diesjährigen Lichtfest. Über dem Eiscafé – direkt zwischen Grimmaischer Straße und Nikolaikirche – werden am 9. Oktober zwei Projektionen den Freiheitskampf der Menschen in Danzig, Budapest, Prag und Leipzig zeigen.

“Ich bin stark in das Innenstadtleben involviert, es ist eine historische Ecke und es ist meines Erachtens eine Pflicht mitzumachen. Ich sehe das Lichtfest als Symbol, der Bevölkerung etwas zurückzugeben. Die Menschen, die damals dabei waren, sollen sehen, dass ein bürgerliches Engagement noch immer genauso wichtig ist wie damals”, meint Eberhard Wiedenmann, Inhaber des Eiscafés San Remo. Er appelliert mit seinem Einsatz für das Lichtfest der Stadt Leipzig daran, dass regionale und lokale Unternehmen an einem Strang ziehen sollten: “Wir müssen uns bewusst sein, dass ohne den 9. Oktober 1989 einige Unternehmer nie in Leipzig gelandet wären. Deshalb möchte ich mit der Installation an mehr Unternehmerbeteiligung appellieren, das Lichtfest zu unterstützen.”

Neu am Lichtfest 2011 ist, dass diesmal ganz offiziell die Brücke in eine andere europäische Revolutionsstadt geschlagen wird – ins polnische Gdansk.

2011 jährt sich auch die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zum 20. Mal. Das Lichtfest Leipzig greift die Ereignisse auf, die zum Systemwandel im Nachbarland Polen führten und für die Entwicklung in Deutschland und Europa entscheidende Bedeutung hatten. Die Welle der Entwicklungen, die in Polen begann, sich ausbreitete und auch in der DDR immer mehr an Kraft gewann, wird mit dem diesjährigen Lichtfest symbolisch sichtbar gemacht. Auch am San Remo.

Für die Installation ist auch in diesem Jahr Norbert Meissner verantwortlich. Der Künstler hat auch zum 20-jährigen Jubiläum zusammen mit Medienkünstler Jörg Pfeiffer mit dokumentarischem Material die Wände des Eckhauses bespielt. In diesem Jahr wird es zwei Installationen geben: “Die Hausfronten an der Grimmaischen und Nikolaistraße werden eine Szenenfolge aus allen großen Protest- und Befreiungsereignissen Osteuropas zeigen – vom Aufstand in der DDR 1953 über Budapest 1956 und Prag 1968 bis zur Friedlichen Revolution”, so Medienkünstler Norbert Meissner.

In der Nikolaistraße berichten die an den Aufständen in Danzig beteiligten Frauen von ihren Erlebnissen und Empfindungen aus der historischen Umbruchszeit. Bisher selten gezeigtes Filmmaterial wird hier einem großen Publikum vorgestellt.

Am Samstag, 8. Oktober, ab 20:30 Uhr wird es eine Generalprobe geben, bevor die Installation im Rahmenprogramm des diesjährigen Lichtfestes am 9. Oktober ab 20:30 Uhr startet.Der 9. Oktober selbst ist wieder ein Tag voller Ereignisse. Nur warm und wetterfest einpacken muss man sich. Denn für Leipzig sind leichter Regen und gerade einmal 13 Grad Celsius Lufttemperatur vorausgesagt.

Auf dem Markt ist von 14 bis 22 Uhr der Ausstellungsbus “Unser Aufbruch 1989/90” zu sehen, die an die Ereignisse des Herbstes 1989 in Sachsen erinnert. Sie beleuchtet die Vorgeschichte und zeigt, wie der politische Umbruch das Leben der Menschen verändert hat.

Bereits 15 Uhr eröffnet der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, in Anwesenheit von Oberbürgermeister Burkhard Jung und dem Botschafter der Republik Polen in Deutschland, Dr. Marek Prawda, die Open-Air-Ausstellung “Geschichte von Jenseits des Eisernen Vorhangs” auf dem Nikolaikirchhof, die von Diktatur und Widerstand in Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien und der DDR berichtet.

Ganztägig bietet das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig für Groß und Klein unter dem Motto “Lange Nacht der Zeitgeschichte” viele verschiedene Veranstaltungen. Unter anderem sind Kinder ab 15 Uhr eingeladen, Laternen für das Lichtfest zu basteln. Im Anschluss an das Lichtfest öffnen verschiedene zeitgeschichtliche Orte ihre Türen und bieten Aktionen und Veranstaltungen an.

Das Friedensgebet in der Nikolaikirche um 17 Uhr steht diesmal unter dem Thema “Fürchtet euch nicht”. Es predigt Kaplan Dr. Hans-Friedrich Fischer, der 1989 in Leipzig tätig war und heute in Litauen lebt und arbeitet. Die Friedensgebete haben eine lange Tradition. Ab 1982 fanden sie regelmäßig in der Nikolaikirche statt und bildeten im Herbst 1989 den Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen.

Ein weiterer Höhepunkt des 9. Oktober ist die jährliche Rede zur Demokratie im Anschluss an das Friedensgebet um 18.30 Uhr in der Nikolaikirche. In diesem Jahr wird Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland, die Rede halten. Erstmals spricht ein Repräsentant eines benachbarten Landes.

Marek Prawda gehörte 1980 zu den Solidarnosc-Mitgliedern der ersten Stunde. In den 1970er Jahren studierte er vier Jahre in Leipzig. Seit 2006 ist er Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland.

Anschließend wird Marek Prawda gemeinsam mit Oberbürgermeister Burkhard Jung die Besucher des Lichtfestes auf dem Augustusplatz begrüßen, das um 20 Uhr beginnt. Der Höhepunkt des Abends ist der “Brückenschlag zwischen Leipzig und Danzig” – in beiden Städten wird der 9. Oktober in parallel stattfindenden und miteinander verbundenen Veranstaltungen gemeinsam gefeiert.Die Teilnehmer des Lichtfestes in Leipzig erleben am historischen Ort eine beeindruckende Videoperformance als Großprojektion auf die Fassade der gesamten Oper Leipzig, die sich nicht nur mit den historischen Bezügen Danzigs und Leipzigs auseinandersetzt, sondern auch immer wieder vom Konzert in der Polnischen Ostsee Philharmonie Danzig unter Leitung des Leipziger Nikolaikirchenkantors, Jürgen Wolf, live unterbrochen wird. Das Orchester spielt Werke polnischer und deutscher Komponisten – die musikalische Untermalung der Videoperformance.

Die Idee hierzu stammt von Jürgen Meier, dem künstlerischen Leiter des Lichtfestes. Auch umgekehrt erhalten die Konzertbesucher in Danzig Eindrücke vom Leipziger Augustusplatz, wo die Besucher wieder eingeladen sind, eine leuchtende 89 aus tausenden Kerzen zu formen.

Ein ganzes Veranstaltungspaket wird am 9. Oktober in der Runden Ecke angeboten:

Die Außenstelle Leipzig des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung laden zu einer Multimediashow – Kunstevent zur Installation “machine de liberté / sprechende röhren” am Sonntag, 9. Oktober, um 21.30 Uhr anlässlich der “Nacht der offenen Tür” ein.

Eröffnet wird sie durch den Bundesbeauftragten Roland Jahn und den Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Frank Richter in Anwesenheit des Künstlers Alexander Neumann. Die “Freiheitsmaschine” ist ein theatralisches Gesamtkunstwerk mit pneumatischen und hydraulischen Mechanismen. Sie stellt unter Zuhilfenahme von Zeitdokumenten wie Original-Bild- und Tonaufnahmen, sowie Musik, Licht und Relikten aus der Demobewegung wie z. B. Transparenten und Kunstwerken, auf künstlerische vor allem aber emotionale Weise die Chronologie der Ereignisse vom Herbst 1989 nach. Die Bezeichnung Maschine leitet sich von inszenierten Ursache/Wirkungsprinzipien ab, in denen dargestellt wird, dass die Folgen von Bewegungen immer weitere Bewegungen sind.

Zur Nacht der offenen Tür öffnet die Außenstelle Leipzig des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen am Sonntag von 21 bis 23 Uhr. Gezeigt werden in dieser Nacht Bereiche des Stasi-Archivs, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind. Wer sich hintraut, erhält Einblicke in die (un)heimliche Arbeit der Staatssicherheit. Von 21 bis 23 Uhr gibt es Archivführungen.

Um 21.30 und 22.30 Uhr sind szenische Lesungen aus Stasi-Akten zum Thema Solidarnosc in Polen mit Silvia Voigt und Alexander Unger geplant.

Außerdem gibt es um 21.30 Uhr eine Filmvorführung: “Panzer gegen Polen” – Honeckers Geheimplan gegen Solidarnosc.

Weitere Informationen zu den BSTU-Veranstaltungen: www.bstu.bund.de

Das Programm am 9. Oktober: www.herbst89.de

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