So schnell vergeht ein Jahr. Vor einem Jahr erschütterte das T?hoku-Erdbeben Japan, das größte Erdbeben, das im Zeitraum der Aufzeichnungen Japan je erschütterte. Selbst in der Hauptstadt Tokio bebte die Erde um 14.47 Uhr. Doch nicht das Erdbeben sollte weltweit für Schlagzeilen sorgen, sondern der dadurch ausgelöste Tsunami und der Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I).

Mit der Stärke 9 verzeichneten Japans Seismologen an diesem Märztag das größte Erdbeben, das sie jemals maßen. Und das will für das von Erdbeben immer wieder heimgesuchte Japan etwas heißen. Da das Epizentrum etwa 40 Kilometer vor der japanischen Küste im pazifischen Ozean lag, rechneten die Seismologen auch fest mit einem Tsunami und gaben eine Warnung für eine Tsunami-Welle mit einer Höhe bis zu 6 Meter heraus.

Doch die Welle, die wenig später auf die japanische Ostküste traf, erreichte 10 Meter Höhe, stellenweise sogar 38 Meter. Betroffen von der Überflutung war auch das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I). Es entpuppte sich für Naturereignisse dieser Dimension als überhaupt nicht gesichert. In vier von sechs Reaktorblöcken, so stellte man später fest, kam es zu schweren Vorfällen, in den Reaktorblöcken 1 bis 3 kam es zu Kernschmelzen. Größere Mengen radioaktiven Materials wurden ausgestoßen und kontaminierten mehrere hundert Quadratkilometer im Umkreis. Über 100.000 Menschen musste dauerhaft ihre Heimat verlassen.Das ist jetzt ein Jahr her. Und erst nach und nach kommen in Japan alle Zahlen und Fakten zu diesem Ereignis auf den Tisch. Doch eines zeigten auch die Bilder vom Unglückstag deutlich: Atomenergie ist keine sichere Energie. Schon im Sommer 2011 beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergiegewinnung in Deutschland. Acht alte Kernkraftwerke gingen sofort vom Netz. Doch mit dem Zickzack-Kurs in der Energiepolitik entstand auf einmal ein ganzes Bündel offener Fragen. Vom notwendigen Ausbau der deutschen Stromtrassen bis hin zur Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Und während die deutschen Kernkraftwerksbetreiber weiter um ihre bisherigen Marktanteile und die entsprechenden Renditen kämpfen, unterstützt die Bundesregierung weiterhin den Export von Risikotechnologie in andere Länder und tut zu Hause alles, um die dringend notwendige Energiewende zu verhindern oder zumindest zu verzögern.

Mahnwache um 14 Uhr auf dem Marktplatz

An diesem Wochenende finden bundesweit zahlreiche Veranstaltungen in Gedenken an die Atomkatastrophe von Fukushima statt. Auch in Leipzig wird es eine offene Mahnwache am heutigen Sonntag, 11. März, ab 14 Uhr auf dem Marktplatz geben, organisiert vom Bündnis gegen Atomkraft (BgAL). Sprechen werden Ulrike Trahorsch von der Leipziger Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhinderung eines Atomkriegs, Maria Trunk, Japanologie-Studentin der Universität Leipzig, Prof. Josef Lutz der Universität Chemnitz, Linda Dertinger vom BgAL und ein Vertreter der Kampagne “Atomausstieg sofort und weltweit”.

“Die Bundesregierung muss endlich aufhören, bei der Energiewende auf die Bremse zu treten”, erklärt Torben Ibs vom Bündnis gegen Atomkraft Leipzig. “Netzausbau und eine vernünftige Förderung der erneuerbaren Energien müssen endlich Standard werden.”

Die neuen Erkenntnisse, nach denen weniger der Tsunami als die grundsätzliche Konstruktion der Sicherheitsarchitektur von Fukushima zur Katastrophe geführt habe, bestärkt das BgAL in seiner Ablehnung. Ibs: “Wir brauchen den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft und einen Stopp sämtlicher Neubauten. Dazu gehört auch das Nichterteilen der Hermes-Bürgschaften für das AKW Angra 3.” In Brasilien ist der Neubau des AKW Angra 3 geplant. Eine geplante deutsche Beteiligung müsste mit Hermes-Bürgschaften abgesichert werden. Neue Studien aber zeigen, dass das geplante Kraftwerk nicht geltenden Sicherheitsanforderungen entspricht und auch dort ein Fukushima-Szenario denkbar wäre.

“Auch ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima ist die tödliche Gefahr Atomkraft längst nicht gebannt. Auch in Leipzig wollen wir den Opfern von Erdbeben, Tsunami und atomaren Supergau gedenken”, erklärt dazu auch Jürgen Kasek, Vorstandssprecher des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen. Die atomare Katastrophe von Fukushima habe der ganzen Welt vor Augen geführt, dass die Nutzung der Atomkraft ein nicht zu beherrschendes Risiko darstelle. Die proklamierte Energiewende könne in Deutschland zu einem Innovationsschub führen, in dessen Folge auch deutlich mehr Arbeitsplätze entstehen. “Dafür gilt es aber die Weichen zu stellen”, sagt er. “Das Handeln der Bundesregierung in dieser Frage ist zu verhalten und die Kürzung der Solarsubventionen gefährdet die Erreichung des Zieles.”Und auch in Leipzig sieht er Handlungsdruck. “Wir haben nicht den Eindruck, dass die Stadtverwaltung die Bedeutung des Themas erkannt hat und entsprechend Ziele gesetzt hat”, kritisiert Kasek. Die Stadt sollte beim Thema Energiesparen und Energieeffizienz ebenso die Vorbildrolle einnehmen wie bei der Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien und damit keinen Strom mehr einkaufen, der aus fossilen Energiequellen stammt.

Silvia Kunz, Sprecherin der Grünen Jugend Sachsen, erinnert auch an die Kosten für die Endlagerung des Atommülls, die nicht die Atomindustrie trage, sondern die Steuerzahler_innen. “Wer Müll verursacht, sollte auch für seine Entsorgung zahlen müssen”, so Silvia Kunz weiter. Was außerdem fehle, sei die Bereitschaft zu einer ergebnisoffenen Endlagersuche. “Wenn wir endlich ein zumindest einigermaßen sicheres Endlager finden wollen, müssen auch Gesteinsformationen in Sachsen eine Rolle spielen”, sagt dazu Astrid Weidt vom Vorstand der Grünen Jugend Sachsen. “Es kann nicht sein, dass in den Haushaltsplänen immer noch Gorleben eine bevorzugte Rolle spielt.”

Verbraucherzentrale informiert über aktuelle Belastungssituation

Die Verbraucherzentrale Sachsen beschäftigt sich aus aktuellem Anlass mit der Frage, wie es heute um die Strahlenbelastung in Lebensmitteln bestellt ist.

Eine Informationsquelle bietet das Bundesamt für Strahlenschutz. Es analysiert ständig den Gehalt und die Verteilung radioaktiver Stoffe in der Atmosphäre. In Deutschland und Europa hat die Belastung mit Jod und Cäsium keine gesundheitlich relevanten Höhen erreicht. Lebensmittel deutscher Erzeugung werden im Rahmen des Integrierten Mess- und Informationssystems zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS) überwacht.

Eine EU-Verordnung regelt die Einfuhr japanischer Lebensmittel einschließlich Fisch. Jede Warensendung benötigt ein Zertifikat der japanischen Behörden, mit dem bestätigt wird, dass das Produkt vor dem 11. März 2011 geerntet oder verarbeitet wurde. Insofern es aus den Präfekturen im Umland von Fukushima stammt, muss bestätigt sein, dass die EU-Grenzwerte eingehalten werden. Diese Unterlagen werden nach wie vor bei allen Importen kontrolliert und Stichproben der Lebensmittel untersucht.

Die zweite Frage sei, so die Verbraucherzentrale, wie die derzeitige Belastung von Fischen aus den Fanggebieten im pazifischen Ozean zu bewerten ist. Hierzu liegen seit Juni 2011 Messdaten vor, die zeigen, dass Fische und Meeresfrüchte aus den Hauptfanggebieten des Pazifiks unbedenklich verzehrt werden können. Die Küstenregion vor Fukushima ist nach wie vor kontaminiert und damit auch die dort lebenden Meerestiere. Die japanischen Behörden haben für dieses Gebiet ein Fangverbot ausgesprochen, so dass dieser Fisch nicht zum Verzehr gelangt.

Bei unverarbeiteten Fischen und Meeresfrüchten muss das Fanggebiet jeweils pflichtgemäß ausgewiesen werden, so dass die Herkunft für Verbraucher erkennbar ist.

Generell gelte, Lebensmittel, die die Grenzwerte nicht einhalten, seien nicht verkehrsfähig und dürften nicht in den Handel gelangen.

“3/11 – Tagebuch nach Fukushima” auf der BuchmesseFukushima wird auch Thema auf der Leipziger Buchmesse. Wie kann es anders sein? – Am Samstag, 17. März, um 11 Uhr sind Yuko Ichimura und Tim Rittmann im Comic-Forum auf der neuen Messe (Schwarzes Sofa, Halle 2, Stand H601) mit Yuko Ichimuras Buch “3/11” zu Gast.

Die japanische Graphikerin Yuko Ichimura erlebte die Katastrophe in Tokio. Sie schrieb und zeichnete ihre Erlebnisse und Gedanken in ein Tagebuch, welches der Berliner Journalist Tim Rittmann für den Online-Blog des SZ-Magazins aufbereitete. Im Carlsen Verlag erscheint nun “3/11 – Tagebuch nach Fukushima” in chronologischer Folge in Buchform.

“Was macht eine solche Katastrophe mit den Menschen? Was ändert sich schleichend in den Köpfen, trotz der äußerlichen Ungerührtheit vieler Japaner?”, fragte sich auch die junge Zeichnerin. Ihre ehrlichen und unprätentiösen Beobachtungen des aktuellen Lebens in Japan ergänzte Yuko mit spontanen und quirlig-liebevollen Illustrationen, die ihre Gedanken auf ungewöhnliche, originelle Weise grafisch verdichten.

Bestellen Sie dieses Buch versandkostenfrei im Online-Shop – gern auch als Geschenk verpackt.

3/11 – Tagebuch nach Fukushima
Yuko Ichimura, Tim Rittmann, Carlsen Verlag 2012, 12,90 Euro

Yuko Ichimura (35) lebt inzwischen wieder in Tokio, nachdem sie zuvor elf Jahre lang in London zu Hause war. Yuko arbeitet als Illustratorin und Regisseurin für Werbe-Clips bei Pyramid Film. Sie unterhält eine Webseite (www.yukoichimura.com) und einen Twitter-Account (www.twitter.com/iucorin).

Ihr Online-Tagebuch erschien regelmäßig auf der Webseite des SZ-Magazins. “3/11-Tagebuch nach Fukushima” ist ihr erstes Buch.

Tim Rittmann (33) lebt und arbeitet als freier Journalist in Berlin. Er schreibt für das SZ-Magazin, Zeit Online, GEE und andere Publikationen. Im Web kann man ihn unter www.timrittmann.de finden.

Erstmals erscheinen die Tagebuch-Episoden in chronologischer Folge nun in Buchform.

Zur Website des Bundesamtes für Strahlenschutz: www.bfs.de/de/ion/imis/imis_uebersicht.html

Bündnis gegen Atomkraft (BgAL): www.keine-kernenergie.de

Zu Yuko Ichimuras “Tagebuch aus Tokio”: http://sz-magazin.sueddeutsche.de

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