Die Diskussion um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal war lange Zeit vor allem lau. 2009 stimmte der Leipziger Stadtrat der Ausschreibung eines Wettbewerb für das Denkmal zu. Im Juni waren die Wettbewerbsergebnisse da, wurde Anfang Juli veröffentlicht. Und da bekam eine Leipziger Debatte Schwung, die am Montag mit den Antrag der Linksfraktion für einen Bürgerentscheid zum Bau des Denkmals ihren Höhepunkt erlebte.

Nun melden sich die Befürworter des Denkmals zu Wort. Allen voran die Initiative “Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober”, die das Vorhaben von Anfang an intensiv unterstützt hat. Tobias Hollitzer, stellvertretender Sprecher der Initiative: “In den letzten Tagen wurde aus der Debatte um ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal verschiedentlich die falsche Schlussfolgerung gezogen, dass eine Mehrheit ein Denkmal in Leipzig grundsätzlich ablehnen würde. Populistische Forderungen wie die nach einem Bürgerbegehren über diese Frage sind zurückzuweisen. Der Stadtrat hat sich dazu schon einmal ausdrücklich positioniert.”

Der Oberbürgermeister, die Stadtverwaltung und die Fraktionen des Stadtrates seien jetzt gefordert, das beschlossene Verfahren rechtsförmig weiterzuführen und die bisherigen Anregungen und Bürgerhinweise entsprechend darin aufzunehmen. “Ein Aussetzen des Verfahrens bis nach der Oberbürgermeisterwahl am 27. Januar 2013 ist ebenso unakzeptabel wie eine Abstimmung der Bürger über alle 39 eingereichten Entwürfe”, sagt Hollitzer. Doch genau das hat Oberbürgermeister Burkhard Jung in Aussicht gestellt, weil keiner der ausgezeichneten Entwürfe die Reife für eine Umsetzung hat. In der vergangenen Woche hatte er erklärt, keinen der Entwürfe dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorzuschlagen, da keiner geeignet sei, von der Bevölkerung mitgetragen zu werden. Stattdessen wolle er den Künstlern nahelegen, ihre Ideen zu überarbeiten und die während der Bürgerbeteiligung geäußerten Kritiken zu berücksichtigen.

Der Zeitplan, das Denkmal am 9. Oktober 2014 einzuweihen, war sowieso schon ehrgeizig. Man fühlt sich an die Wyssotzkische Troika erinnert. Die Jagd muss weiter gehen.

Hollitzer: “Der Prozess darf keine größere Verzögerung mehr erfahren, wenn im Jahr 2014 zum 25-jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution das Denkmal im Rahmen des Lichtfestes feierlich eröffnet werden soll.”

Dass CDU und Linke nun die Sache mit einem Bürgerentscheid ernsthaft angehen, finden die Leipziger Grünen nun wiederum populistisch.

“Wir sind der Meinung, dass bei aller notwendigen Diskussion, sich das Freiheits- und Einheitsdenkmal nicht für den Wahlkampf eignet. Zu unterschiedlich und vielfältig sind die 1989/1990 gemachten Erfahrungen der Leipzigerinnen und Leipziger, als dass sie parteipolitisch vereinnahmt werden sollten”, meint Jürgen Kasek, Vorstandssprecher des Kreisverbandes. “Die populistischen Forderungen von Wawrzynski und Höll, die im Ergebnis nur der eigenen Profilierung im Wahlkampf dienen sollen, sind nicht geeignet, die festgefahrene Debatte voran zu bringen.””Es ist schon irritierend, dass neben Wawrzynski nun offenbar auch die Leipziger CDU und ihre Stadtratsfraktion bestrebt sind, einen Bürgerentscheid, den sie bislang vehement ablehnten, durchführen zu wollen”, meint auch Tim Elschner, Mitglied des Stadtbezirksbeirates Mitte und als Beisitzer im Vorstand des Kreisverbandes zuständig für Partizipationsfragen.

Der Vorschlag der CDU, die Bürgerinnen und Bürger nun offenbar über alle 39 eingereichten Entwürfe abstimmen lassen zu wollen, entpuppe sich bei näherer Betrachtung als ein durchschaubares, letztendlich auch wenig durchdachtes Wahlkampfmanöver mit wenig Substanz. Ein Bürgerentscheid habe nun mal die zwingende Voraussetzung, dass eine mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage gestellt wird. Dies könne bei einer Einzelabstimmung über die Entwürfe nicht gelingen. Zudem seien einige Vorschläge schlicht und ergreifend nicht umsetzbar, da die notwendigen technischen Voraussetzungen nicht vorliegen. Auch diesen Aspekt ignoriere die CDU.

“Auch der Vorschlag von Höll und der jetzt eingereichte Antrag der Fraktion Die Linke ist bei genauerer Betrachtung nichts Weiteres als ein hilfloser Griff in die Mottenkiste”, findet Elschner. Öffentlich habe Die Linke zwar einen Bürgerentscheid zur Frage des “Ob” gefordert, in der entscheidenden Ratsversammlung im Jahre 2009 jedoch keinen Änderungsantrag zum Verfahren eingebracht. Stattdessen hätten allein die Stadträte Herrmann-Kambach, Hantschick und Sasama (Grüne) einen entsprechenden Antrag, der allerdings abgelehnt wurde, eingebracht.”Dass die Linke ihren Antrag mit den Worten überschreibt ‘den demokratischen Geist von 1989 lebendig erhalten’, klingt anhand der Geschichte wie ein Hohn”, setzt auch Kasek nach.

Er kritisiert, “dass verschiedene Meinungsumfragen regelmäßig suggerieren, die Leipziger wünschten einen Bürgerentscheid zum Thema. Bis heute wurde allerdings aus der Bürgerschaft kein Bürgerbegehren diesbezüglich gestartet.”

Muss ja auch nicht. Jede Fraktion kann das im Stadtrat selbst beantragen.

Der Rest ist wieder ein Vertrösten auf die nächste Phase, in der die drei siegreichen Büros vielleicht etwas Handfesteres vorschlagen.

So lange wolle auch Bündnis 90 / Die Grünen noch warten, bis es irgendeine Position bezieht, seine Partei werde “sich bewusst nicht zu den einzelnen Wettbewerbsentwürfen, über deren Qualität und Aussagekraft äußern”, so Kasek. “Gleichwohl nehmen wir die im Beteiligungsverfahren geäußerten und in der Mehrzahl kritischen Meinungen der Bürgerinnen und Bürger ernst.

Von Oberbürgermeister Jung, der im Alleingang erklärt hat, er werde keinen der Entwürfe dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorschlagen, fordern wir ein transparentes weiteres Verfahren ein.

Sein taktisches Agieren, die Beschlussvorlage offensichtlich erst nach den Oberbürgermeisterwahlen dem Stadtrat vorzulegen, müssen wir kritisieren. Es spricht allerdings Bände, dass der Oberbürgermeister einmal mehr ihm unangenehme Dinge auf nach der Wahl verschieben möchte.”

Auch Tobias Hollitzer äußert sich ähnlich: “Alle drei Entwürfe sind Konzepte, die nicht als statisches Modell zu verstehen sind. Bereits die Jury hatte zu allen Entwürfen Fragen und Nachbesserungsbedarf festgestellt.

Jetzt müssen die gesammelten Meinungen ausgewertet und analysiert werden. Erst dann können die Änderungsvorschläge der Jury und der Bürger ernsthaft geprüft und an die Einreicher der Entwürfe weitergegeben werden.”

Und nu, fragt der friedliche Leipziger? – Der Antrag der Linken “Bürgerentscheid zum ‘Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal'” jedenfalls steht am 20. September auf der Tagesordnung des Stadtrates.

Die Stellungnahme der Initiative Herbst ’89 als PDF zum download.

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