Am Mittwoch, 31. Oktober, beginnt die Festwoche der Thomaskirche im Rahmen von "800 Jahre Thomana". Und man hat sich selbst beschenkt. Mit einer neuen Beschilderung in der Kirche. Wer's nicht weiß, sieht es nicht gleich. Oder doch: Er sieht weniger als zuvor. Das Kirchenschiff ist entrümpelt. Dafür ist jetzt mehr zu lesen. Was selbst die Besucher am Montagvormittag zu neugierigen Gängen in die Seitenschiffe bewog.

Wo sich Touristen sonst eher nicht hinfinden. Dort sind die Epitaphe zu sehen, die an mehr oder weniger berühmte Leipziger der Vergangenheit erinnern. Die Schrift ist meistens schwer bis gar nicht zu entziffern, oft auf Latein. Wer herausbekommen wollte, wer da gewürdigt wurde, musste schon ein bisschen rätseln und studieren.

Jetzt erklären kleine Schilder neben den Epitaphen, wer darauf zu sehen ist. In Deutsch und Englisch. Und die Betrachter sehen fast zufrieden aus. Mit einem kleinen”Aha” im Gesicht kommen sie zurück in den Mittelgang, wo sich schon die nächste Reisegruppe drängt, um bis vorn ans Seil zu kommen, von wo aus man die Grabplatte von Johann Sebastian Bach sehen kann. Und linkerhand, am Steinbogen zum Chor, steht jetzt auch zu lesen, was man sieht. Und wenn man durchs Ostportal der Kirche wieder hinaus will, erfährt man noch mehr. Am Mittelpfeiler erzählen zwei dezent in Beige gehaltene Tafeln die Geschichte des Bachgrabes und der Bachzeit.Im Vorraum selbst – an der runden Rückwand der Turmtreppe – sind weitere vier schmale Tafeln zu sehen, die den Besuchern die Thomaskirche nahe bringen. “Über 300.000 im Jahr”, betont Thomaspfarrer Christian Wolff an diesem Montagmorgen. Und erzählt, wie man vor einem Jahr daran ging, auch über die Beschilderung in der Thomaskirche nachzudenken. Über Jahrzehnte waren die unterschiedlichsten Hinweisschilder montiert worden, Plakate verwirrten mehr, als dass sie orientierten, sperrige Aufsteller zwangen zum ewigen Umbauen und Ausweichen. Ein einheitliches Konzept sollte her. Und natürlich zur Festwoche der Thomaskirche fertig sein.

Das hat beinah auch geklappt. Die Schilder sind fertig. Ein modernes Display empfängt die Besucher der Kirche und blendet in Zeitschleife die wichtigsten Informationen zu aktuellen Veranstaltungen ein. “So sparen wir uns die ganze Plakatflut”, sagt Wolff.Aber ganz umsonst gab es die neue Beschilderung nicht. Mit der Deutschen Bank Stiftung hat die Thomaskirche einen Geldgeber gefunden, der das Projekt für nachhaltig erachtete und 35.000 Euro dafür bereitstellte. Umgesetzt hat es dann die Leipziger Agentur kocmoc.net. “Anfangs haben wir wirklich überlegt, ob wir dabei eine klassische Schriftart verwenden. Und auch eher klassische Materialien wie Holz für die Schilder”, erzählt Sophie Reichelt. “Wir haben auch jeweils zwei Entwürfe vorgelegt.”

Doch irgendwie war man bei der zweiten, jetzt umgesetzten Vision den Vorstellungen der Kirchgemeinde recht nah. Die Entscheidung fiel schnell und ohne große Diskussion für ein modernes Design mit moderner, schnörkelloser Schrift, leicht zu lesen und – “hoffentlich auch so zeitlos”, wie Christian Wolff es ausdrückt. Der erste Blick – so sieht es auch Pfarrerin Britta Taddiken – sieht in der Neukonzeption ein harmonisches Ganzes mit der Kirche. Es beißt sich nicht, drängt sich auch nicht auf. Die quadratischen Schilder, die auf die unterschiedlichen Teilräume der Kirche hinweisen, können abgenommen werden. Etwa zu Konzerten, die der MDR aufzeichnet.Das Quadrat ist so neu nicht im Design der Thomaskirche. Man findet es auch im Signet, das seit mehr als zehn Jahren verwendet wird und das – in verschiedenen Abstufungen – die Baukörper der Thomaskirche zeigt. Das Quadrat steht für die Vierung im Kirchenschiff. Es ist aber auch ein Ausdruck von Ordnung, Strenge und Harmonie. Was für die Harmonie der gebauten Kirche steht. Aber auch für die gewollte Ordnung in der neuen Beschilderung. Die meisten Schilder sind quadratisch – die Erläuterungstafeln mit der Kirchengeschichte sind “vervielfältigte Quadrate”, wie Sophie Reichelt von kocmoc.net sagt. Auch das ergibt wieder ein ordentliches Erscheinungsbild.

Bach mit seiner kompositorischen Sorgfalt und harmonischen Strenge hätte wohl auch gesagt: Das passt.

120 neue Schilder kann man nun in der Thomaskirche finden und lesen. Die Kirche ist für Manchen, der vorher ratlos schaute, lesbarer geworden. Und die Schilder passen sich ein in die Grundfarben der Kirche: Rot, Grau und Beige.

Noch ist nicht alles fertig geworden. Am Ende war auch dieser Traum ein bisschen zu knapp geplant. Sechs zum Design passende Möbelstücke fehlen noch. Darunter die neuen Auslagen für die Eingänge, wo Kirchenbesucher schon gewohnterweise die verschiedenen Flyer zu den Kirchenveranstaltungen finden. Sie sind noch in der Werkstatt, alles Extra-Anfertigungen für die Kirche, individuell auf ihren künftigen Standort zugeschnitten.

Und ein Projekt hat eigentlich gerade erst begonnen: eine eigene Multimediastation soll künftig Besuchern mehr Wissenswertes über die Kirche per Touchscreen vermitteln. Vielleicht wird es auch noch ein zweites Display geben. “Man kommt ja so auf Gedanken, wenn man erst mal dabei ist”, sagt Wolff.

www.thomaskirche.org

www.thomana2012.de

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