In den letzten Wochen und Monaten wurden in diversen überregionalen Medien einmal wieder Vergleiche zwischen Berlin und Leipzig bemüht. Leipzig sei das "neue Berlin", manchmal sogar das "bessere Berlin", wie es auch in einer Kampagne aus der Messestadt heißt. Verbunden wird das vor allem mit der dynamischen Kulturszene und den günstigen Mieten, Zustände wie man sie in Berliner Stadtteilen vor 20 Jahren finden konnte.

Ich frage mich, ob diese Vergleiche tatsächlich so positiv sind, wie sie auf den ersten Blick daher kommen. Ein Vergleich mit einer bestimmten anderen Stadt heißt auch immer, dass die eigene Identität nicht ausgeprägt und individuell genug ist. Die Bezeichnung “neues” oder “besseres” Berlin ist natürlich ein netter Marketing-Effekt. Aber was wir Leipziger jedoch brauchen, sind Alleinstellungsmerkmale.

Die Frage nach den Alleinstellungsmerkmalen unserer Stadt ist auch eine Frage des Selbstbewusstseins der Bürger. Sie sind es letztendlich, die Leipzig voranbringen. Sie sind es, die dafür sorgen, dass Leipzig inzwischen zu den dynamischsten Städten Deutschlands zählt. Und dies liegt sicher nicht nur an den niedrigen Mieten. Gerade junge Leute, die hierher kommen, um zu arbeiten oder ein Studium beginnen, schätzen vor allem den Abwechslungsreichtum und nicht zuletzt auch die Mentalität der Menschen hier. Auch ich habe mich aus diesen Gründen dafür entschieden, nach Abschluss meines Studiums hier in Leipzig zu bleiben.
Genau diese Dynamik und dieser Abwechslungsreichtum machen unsere Stadt aus. Das Flair ist es, das Leipzig so einzigartig macht in Deutschland. Darauf können die Bürger mit Recht stolz sein. Und um dieses Erreichte zu feiern, braucht es keinen Blick nach Berlin. Was ich mir für Leipzig wünsche, ist, dass sich die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre fortsetzt. Dass die Bürger sich in dieser Stadt verwirklichen können ohne überzogene Regulierungen und Gängelungen. Dass wir nicht nur Freiräume erhalten, sondern sie noch vergrößern. Dass wir uns nicht einfach auf dem Erreichten ausruhen, sondern weiter nach vorn schauen.

Dafür müssen Bürger, Politik und die Wirtschaft an einem Strang ziehen. Denn auch wenn wir uns nicht mit anderen Städten vergleichen wollen, so können uns bestimmte Entwicklungen eine Lehre sein. Wir müssen die Dynamik in unserer Stadt weiter zulassen. Das heißt, Fremde mit offenen Armen empfangen, anstatt, wie in Berlin inzwischen üblich, auf Touristen und Investoren zu schimpfen. Genauso heißt das, gemeinsam an der Lösung von Problemen zu arbeiten, anstatt Alteingesessene und Zugezogene gegeneinander auszuspielen. Und das heißt zu guter Letzt, aufeinander zuzugehen, anstatt alles mit Verboten und aufgezwungenen Regeln lösen zu wollen. Toleranz, Offenheit für Neues und Pragmatismus standen Leipzig schon immer am besten.

Ich bin überzeugt davon, dass wir Leipziger auch in Zukunft unseren Weg gehen werden. Die Politik darf dabei allerdings keine Bremse sein, sie muss den Bürgern ein freies Leben ermöglichen. Dies war in den letzten Jahren leider oft genau andersherum. Dass es mit Leipzig dennoch vorangeht, zeugt von der unglaublichen Energie unserer Bürger. Ich wünsche mir, dass diese Energie erhalten bleibt. Leipzig kann so viel mehr.

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