Hauptsache Wasser, haben sich wohl die Stadt Leipzig und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) gedacht, als sie einen Standort für die Edelstahlskulptur "Die Woge - 100 Jahre DLRG" des Hallenser Künstlers Rainer Henze suchten. Am Samstag, 8. Juni, wurde die Skulptur auf einer Grünfläche in der Nähe von Schreberbrücke und Stadthafen feierlich enthüllt.

Das Datum, auf das man sich dabei bezog, war der Aufruf zur Gründung “unserer Lebensrettungs-Gesellschaft”, der am 5. Juni 1913 in “Der deutsche Schwimmer”, dem offiziellen Organ des Deutschen Schwimmverbandes, erschien. Was noch nichts mit Leipzig zu tun hat. Aber hier wurde die Gesellschaft dann tatsächlich gegründet – nämlich am 19. Oktober 1913 im Saal des Kaufmännischen Vereins in Leipzig. Den findet man heute im Stadtbild nicht mehr. Er wurde wie so Vieles andere auch von den Bomben des 2. Weltkrieges zerstört. Das Kaufmännische Vereinshaus stand am Thomasring (heute Martin-Luther-Ring) zwischen Markgrafen- und Ratsfreischulstraße (damals noch Schulstraße). 1873 war es auf dem Gelände der abgerissenen Ratsfreischule erbaut worden. Heute steht dort das Gebäude der Hypovereinsbank.

Die DLRG geht nun wieder davon aus, dass die Gesellschaft am 19. Oktober 1913 im Hotel “Preußischer Hof” am Rossplatz gegründet wurde. Was auch wieder nicht ganz stimmt. Denn 1913 hieß das Hotel noch ganz offiziell “Hotel de Prusse”, wurde erst 1915 im nationalistischen Taumel umbenannt in “Preußischer Hof”. Und dann 1944 folgerichtig Opfer der Bomben. Es stand rechterhand von der Einmündung der Kurprinzstraße, der heutigen Grünewaldstraße. Rechts vom Hotel stand dann das legendäre “Café Bauer”. Heute ist das Grundstück unbebaut, ein Stück Grünfläche, ein Weg, ein Stück Parkplatz. Der alte Knobloch-Spruch trifft hier zu: “Misstraut den Grünflächen.”

Und der neue: Misstraut den Stadtplanern, die mit ihren Visionen eines überdimensionierten Wilhelm-Leuschner-Platzes-der-Friedlichen-Revolution eine Revitalisierung des alten Stadtquartiers um die ehemalige Markthalle bis heute verhindern.

Wikipedia erzählt zur dramatischen Vorgeschichte der DLRG-Gründung: “Anlass war ein Unglück am 28. Juli 1912 in Binz auf Rügen, als sich über 1.000 Badegäste und Ausflügler auf der 560 Meter langen Seebrücke drängten und die Ankunft des Bäderdampfers Kronprinz Wilhelm erwarteten. Plötzlich brach die Anlegestelle am Brückenkopf trichterförmig in sich zusammen. Über 100 Menschen stürzten in die Ostsee. Für 17 Menschen, darunter sieben Kinder, kam jede Hilfe zu spät. (…) Zur damaligen Zeit verloren pro Jahr etwa 5.000 Menschen ihr Leben im Wasser, und nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung konnten schwimmen.”

Erster Vorsitzender der DLRG wurde Adolf Fiedler. Die erste Geschäftsstelle der DLRG hatte ihren Sitz in Dresden hatte. Noch 1913 wurden die erste Rettungsschwimmer ausgebildet.
Gemeinsam mit dem Künstler Rainer Henze aus Halle enthüllte DLRG-Präsident Dr. Klaus Wilkens am Samstag die Erinnerungs-Skulptur am Stadthafen.

Detlev Mohr, Vizepräsident der DLRG und Projektleiter, stellte den zahlreichen Gästen Plastik und Künstler vor. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft übergab das Kunstwerk als Geschenk für die Stadt Leipzig an den Bürgermeister und Beigeordneten für Kultur, Michael Faber.

Die Skulptur besteht aus einer Gruppe aus Edelstahlfiguren auf einem Sockel aus rotem Sandstein. Die lasergeschnittenen Figuren formieren sich zu einer Woge aus Menschenleibern. Sie schweben leicht und scheinbar schwerelos über dem Sandsteinblock und werden schwerelos anmutend von unsichtbarer Kraft über die Buhnenköpfen ähnelnden Stützen empor getragen.
“Das Kunstwerk ist ein Gleichnis für die Körperbeherrschung des Menschen. Das kühle, glatte Material, in dem sich das Licht bricht, ist von seiner Anmutung dem Element Wasser sehr nahe”, erläutert Rainer Henze die Grundzüge seiner Arbeit. Auf einer 10 Millimeter starken Stahlplatte, die den Sandsteinsockel komplett abdeckt und die Figurengruppe statisch trägt, steht der Schriftzug “Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. 1913 – 2013”. Die Maße: Länge der Figurengruppe: 2,50 Meter, Höhe der Plastik 2 Meter. Die Metalloberfläche ist mit Glasperlen bestrahlt und dauerhaft wartungsfrei.

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Eröffnet wurde die Gedenkfeier der DLRG im Saal der AOK-Filiale im Zentrum-West. In seiner Ansprache spann DLRG-Präsident Dr. Klaus Wilkens einen Bogen von den schweren Anfängen der ehrenamtlich arbeitenden Organisation im wilhelminischen Zeitalter über die Zeit des “Badehosen-Vereins” zur modernen, hochtechnisierten Einsatzorganisation des 21. Jahrhunderts. Mit nahezu 1,2 Millionen Mitgliedern und Förderern ist die humanitäre Organisation heute die größte Wasserrettungsorganisation der Welt und größter Anbieter von Schwimmausbildung in Deutschland. “Sie steht seit 100 Jahre für die Übernahme von Verantwortung für die Sicherheit im und am Wasser durch Aufklärung der Bevölkerung, Schwimm- und Rettungsschwimmausbildung sowie Einsatz im Wasserrettungsdienst und Katastrophenschutz.

Besonders dankte er den ostdeutschen Mitgliedern für “ihr weit überdurchschnittliches Engagement und Leistungsvermögen” beim Wiederaufbau der DLRG nach der Wiedervereinigung.

Bedingt durch das Hochwasser in Sachsen hatte die DLRG die ursprünglich geplante große Feier anlässlich des Jubiläums auf einen Empfang im kleinen Rahmen und die Einweihung der Plastik am Schreberbad reduziert.

Dr. Klaus Wilkens: “Wo Menschen in Not sind, gibt es keinen Anlass zu feiern”.

www.dlrg.de

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