Der 1. FC Lokomotive hat ein Problem mit Neonazis. Dem Vorstand liegen die Namen von rund 100 Rechten vor, die sich gegenwärtig zu dem Traditionsclub bekennen. Während die Kameraden dem Image schaden und Sponsoren verschrecken, ringen die Verantwortlichen weiterhin um die wirtschaftliche Zukunft ihrer "Loksche".

Heiko Spauke weiß um die Problematik. Der selbstständige Vermögensberater, der seit April die Geschicke der Probstheidaer lenkt, kennt den Verein mittlerweile wie seine Westentasche. Auf Spaukes Schreibtisch liegen 13 A4-Blätter mit rund 100 Namen. Alles Fans, die rechtsextremen Gedanken wohlgesonnen sind. Das Papier bildet nach Einschätzung von L-IZ.de einen repräsentativen Querschnitt der Leipziger Szene ab: Rechte Hooligans, Ultras, NPD-Kader und “Freie Kräfte”.

Hinzu kommt eine Dunkelziffer, die wahrscheinlich ähnliche Dimensionen erreicht. Nicht jeder Stadiongänger outet sich als Neonazi. Andere wiederum machen aus ihrer Weltanschauung keinen Hehl, doch dem Verein sind ihre Namen nicht bekant, etwa weil sie im Internet unter dem Deckmantel der Anonymität hetzen oder weil sie bisher bei keiner Kontrolle ins Netz gegangen sind.

“Das sind drei bis fünf Prozent unserer Zuschauer”, zeigt sich Spauke alarmiert. Anders als seine beiden Vorgänger benennt der Präsident das Problem nicht nur beim Namen, sondern versucht gemeinsam mit seinen Mitstreitern, die Rechten aus dem Stadion zu verdrängen. Nachdem Lok-Fans beim Regionalliga-Auftakt beim SV Babelsberg rechte Parolen gröhlten, Hitlergrüße zeigten und den Rasen stürmten, reagierte der Verein. Die Ultragruppe “Scenario”, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, kassierte ein “Auftritts- und Erscheinungsverbot”.
“Die Gruppe hat uns signalisiert, dass sie unseren antirassistischen Weg mitgehen und sich vom rechten Gedankengut distanzieren möchte”, berichtet Spauke. Dies gelte allerdings nicht für alle Mitglieder, weshalb ein Teil der Gruppe mit Hausverboten belegt wurde. “Mit einigen von denen ist einfach nicht zu reden”, räumt Spauke zerknirscht ein.

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Bei der nächsten Mitgliederversammlung soll über eine Satzungsänderung abgestimmt werden. Der Vorstand soll Rechtsextremisten künftig leichter aus dem Verein ausschließen dürfen. Außerdem ist eine neue Stadionordnung in Arbeit. Das Verbot rechter Symbole und Kleidungsmarken soll künftig noch wirksamer umgesetzt, die Sozialarbeit zusammen mit dem Fanprojekt intensiviert werden.

Spauke unterzeichnete für den Verein die “Erklärung gegen Homophobie im Sport”. Mit Fördermitteln des Bundesinnenministeriums ließ der Verein einen Imagefilm drehen, der vor dem Stadtderby gegen RB Leipzig über die Videoleinwand des Zentralstadions flimmerte. Die Botschaft: “Lok Leipzig ist ein weltoffener Verein.”

Stadionverbote allein sind nicht das Mittel der Wahl, um das Naziproblem zu lösen. Dahingehend herrscht im Vorstand breite Einigkeit. “Wir können jemanden erst aussperren, wenn er auffällig geworden ist”, meint Sicherheitschef Martin Mieth. Unter keinen Umständen soll der Eindruck entstehen, der Club würde geradezu willkürlich unliebsame Zuschauer aussperren. Die möglichen Konsequenzen für die Verantwortlichen wären angesichts der hohen Gewaltbereitschaft einzelner “Problemfans” kaum absehbar.

Zum Teil 2 vom 24. Oktober 2013 auf L-IZ.de
“Unserem Handeln sind Grenzen gesetzt”: Warum Lok Leipzig seine Neonazis nicht von heute auf morgen aus dem Stadion drängen kann

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