Es war nicht das erste Mal, dass das Thema "Graffiti" im Mittelpunkt der Sicherheitskonferenz des Kriminalpräventiven Rates der Stadt Leipzig stand, die am Dienstag, 3. Dezember, stattfand. Eingeladen hatten Heiko Rosenthal, Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport, und Polizeipräsident Bernd Merbitz. Rausgekommen ist erst mal nix - außer die Gewissheit, dass man auch in Leipzig umdenken muss.

Mehr als 60 Gäste und Experten diskutierten über den Umgang mit Graffiti, einem Phänomen, “das sich im Spannungsfeld zwischen Vandalismus, strafbaren Handeln und Kunst bewegt”, so Heiko Rosenthal in seiner Begrüßungsrede. Graffiti – das sind die wild an Häuserwände gemalten Bilder und Krakel und Parolen. Die trotz aller – am Ende auch teuren – Bemühungen der Stadt nicht weniger werden. Das Programm, diese wilden Malereien aus dem Stadtraum zu verbannen, ist auch in Leipzig völlig fehl geschlagen.

In der Bilanz des Ordnungsdezernats so formuliert: Beseitigung illegaler Graffiti und Optimierung der Strafverfolgung gegen die meist jugendlichen und heranwachsenden Sprayer, das waren bislang Schwerpunkte des gemeinsamen “Programms zur Bekämpfung illegaler Graffiti”, das Stadtverwaltung und Polizei bereits im Jahr 2002 vereinbarten. Doch seit 2009 steigen die Graffiti-Straftaten in Leipzig wieder an: Waren es 2009 noch 1.395 Delikte, registrierte die Polizei im letzten Jahr bereits 2.239 Straftaten.

Was auch psychologisch erklärlich ist. Zumindest dann, wenn man auch Graffiti als eine Art hilfloser Jugendsprache begreift. Die kann man nicht einfach negieren und wegwischen. Gerade das Wegwischen erzeugt immer schärfere Reaktionen, ablesbar auch an geradezu rabiaten Schmierereien, denen es nur noch auf das zerstörerische Moment ankommt.

Vergangenes Jahr lag der geschätzte Gesamtschaden bei etwa 2 Millionen Euro.

“Die Beseitigung illegaler Graffiti war auch im Jahr 2012 einer der ordnungspolitischen Schwerpunkte der Stadt Leipzig. So wurden illegale Graffiti und Farbschmierereien in Höhe von 276.000 Euro von städtischem Eigentum beseitigt”, sagte Leipzigs Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal. “Nach mehr als 10 Jahren mit dem ‘Programm zur Bekämpfung illegaler Graffiti’ wird es allerdings Zeit, unseren bisherigen Ansatz zu überprüfen”, sagte Rosenthal über die Zielrichtung der Veranstaltung.Die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz informierten sich über erfolgreiche legale Graffitiprojekte zur Kriminalprävention in Dresden und Augsburg. Ellen Demnitz-Schmidt von SPIKE Dresden sowie Diana Schubert vom Kriminalpräventiven Rat Augsburg stellten die Konzepte ihrer Städte vor – unter anderem auch die Förderung legaler Graffitiprojekte. Leipziger Graffiti-Experten sprachen aus ihrer Sicht über Lösungsansätze zur Entschärfung der Graffitisituation in Leipzig. “Kreativ statt kriminell”, lautete dabei deren Appell.

Dass der seit zehn Jahren verfolgte Ansatz der falsche war, sieht auch Maxi Kraft, Beisitzerin im Kreisvorstand der Piraten Leipzig, so: “Das von Polizei und Stadt angepeilte Ziel einer Entfernung von illegalen Graffiti innerhalb von 24 Stunden ist unnütz. Wird ein Graffito entfernt, entsteht schon bald ein neues an selber Stelle. Die Aufklärungsquote von gerade einmal zehn Prozent im Bereich Street-Art zeigt deutlich, wie sinnlos die Vorgaben von Stadt und Polizei letztlich sind. – Repressionen in der Street-Art-Politik sind ähnlich ineffektiv wie in der Drogenpolitik. Sie verursachen nicht nur erhebliche Kosten durch Überwachung und Ermittlungen, sondern führen auch nicht zum gewünschten Ziel, Beschädigungen an Stadt- oder Privateigentum zu vermeiden.”

In anderen Städten, mit einer liberaleren Politik im Bereich Street-Art sei eine wesentlich geringere Anzahl von Graffiti-Straftaten zu verzeichnen. Polizeichef Bernd Merbitz erkenne ja immerhin an, dass Repression allein nicht hilft und mehr legale Projekte benötigt werden. Der Kurs bei illegalen Sprayern soll jedoch entgegen besseren Wissens beibehalten werden. Das hieße, noch auf Jahre Ressourcen und Geld in einer sinnlosen Jagd zu verbrennen.

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Deshalb fordern die Leipziger Piraten jetzt die Abschaffung der Sonderkommission zur Aufklärung von Graffiti-Straftaten: Nicht nur, dass eine Aufklärungsquote von zehn Prozent den Aufwand einer zehnköpfigen Sonderkommission nicht rechtfertige, offenkundig würden Graffiti-Künstler nach eigener Aussage von Merbitz durch den verstärkten polizeilichen Verfolgungsdruck sogar zu Straftaten animiert.

Maxi Kraft: “Statt erfolgloser Strafverfolgung, die nur weitere Anreize für illegale Graffiti setzt, muss zukünftig die Entkriminalisierung von Street-Art im Vordergrund stehen.”

Den Widerspruch in der Leipziger Politik kann jeder in der Karl-Liebknecht-Straße sehen, wo ein 1990 entstandenes Bild von Blek le Rat seit einigen Monaten unter Glas zu sehen ist. Hätte es 1990 schon die heutige Repressionspolitik gegeben, wäre das vor wenigen Monaten feierlich hinter Glas “eröffnete” Street-Art-Bild des Künstlers Blek le Rat in der Karl-Liebknecht-Straße heute nicht mehr zu finden, sondern wäre innerhalb weniger Stunden vernichtet worden.

Der Kriminalpräventive Rat der Stadt Leipzig: www.leipzig.de/kpr

www.piratenleipzig.de

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