Am Morgen des 14. August rollte ein Straßenbahnzug der Linie 15 von der Endhaltestelle Miltitz in der Saturnstraße los. Um anschließend durch die LVB sofort aus dem Verkehr gezogen und durch das Tochterunternehmen Leipziger Servicebetriebe (LSB) GmbH gereinigt zu werden. Denn über Nacht hatte sich die "ORG-Crew", welche sich seit Jahren mit den "Radicals" kurz "RCS" in Leipzig ein oft künstlerisch wenig ambitioniertes "Bombing"-Match liefern, mit acht bis zehn Personen an dem Straßenbahnzug zu schaffen gemacht.

Ergebnisse waren mal wieder keine Kunst, sondern Wunst und eine Anfrage der L-IZ bei LVB und Polizei. Denn Sicherheitskräfte schien es bis auf einen Wachschutzmitarbeiter in Miltitz nicht zu geben. Ihm blieb trotz inflagranti-Gegenwart nur, die Sachbeschädigung der Polizei zu melden.

Gegen 0:10 Uhr war das “Werk” vollbracht und zwei Waggons der Linie 15 vollflächig mit “ORGGANG” besprüht. Die in schwarz und mit Sturmhauben bekleideten Vermummten teilten dem hinzukommenden Mitarbeiter der Securityfirma mit, “dass er seiner Wege gehen soll oder es passiert was”, so die Polizei am Morgen danach. Was passiert wäre, bleibt offen, doch der Sicherheitsmann zog sich besser zurück. Und rief umgehend die Polizei. Die unbekannten Täter machten sich über einen Feldweg davon, die eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen und Absuchen durch mehrere Funkstreifenwagenbesatzungen durch die Polizei bleiben erfolglos.

Was an diesem frühen Morgen für die “ORG-Crew” noch mal glimpflich verlief, scheint zunehmend ein Problem für die Leipziger Verkehrsbetriebe zu werden.

Die Fälle des sogenannten “Bombings”, übersetzt eher Schmierereien, um ein Revier zu markieren, nehmen nach den Anstiegen der vergangenen Jahre weiter zu. So zeigen es zumindest die Zahlen, welche die Leipziger Verkehrsbetriebe auf Nachfrage bekanntgaben. Marc Backhaus, Pressereferent der LVB: “Illegales Graffiti ist natürlich auch ein Thema für die Leipziger Verkehrsbetriebe. 70% aller Vandalismusschäden sind durch Graffiti verursacht. Seit vielen Jahren arbeiten wir bei dem Thema mit der Polizei zusammen, um solche Schäden präventiv zu verhindern. Sank im Jahresvergleich die Anzahl der Vandalismusschäden insgesamt (2012: 251 auf 221 in 2013), stiegen dagegen die Graffitischäden.” So waren es 2012 noch 139 und 2013 bereits 163 – fast ist man geneigt zu sagen: Die Crews lassen grüßen und offenbar haben sie es noch leicht in Leipzig, wenn es um ihre Tätigkeiten außerhalb der legalen Möglichkeiten geht.

Während also die Leipziger Fahrgäste ihren ÖPNV in diesen Jahren zunehmend pfleglicher behandelten, gab es eine quasi gegen den Trend ansteigende Kurve bei den Graffiti. “Besonders betroffen sind Automaten, Betriebsanlagen und unsere gesamte Fahrzeugflotte. Dafür setzen die LVB zwischen 250.000 und 300.000 Euro jährlich ein”, so Marc Backhaus für die LVB. Kosten, die die Leipziger über ihren Strompreis bei den Stadtwerken ebenso alimentieren, wie durch jede Fahrt mit dem ÖPNV.

Das Jahr 2014 scheint für den Geldbeutel der Leipziger ein trauriges zu werden und die Kosten für Reinigung und Ausfälle könnten steigen. Nach einer vorläufigen Zwischenbilanz muss Marc Backhaus attestieren, dass bereits nach den ersten 6 Monaten 2014 die Zahlen vom gesamten Vorjahr überschritten wurden, der beschmierte Waggon vom 14. August also kein Einzelfall mehr ist: “Zum 1. Halbjahr 2014 hatten wir 165 Graffitischäden zu verzeichnen.” Auch die Vandalismusschäden gesamt stiegen damit auf 235 im ersten Halbjahr 2014 als Gesamtzahl aller Beschädigungen an LVB-Eigentum ebenfalls wieder an.

Wenn es geschehen ist, bleibt den Leipziger Verkehrsbetrieben nur die eilige Bereinigung des Schadens durch mobile Einsatzteams. Denn man möchte vor allem den in Leipzig agierenden Crews keine Fläche für ihre Auseinandersetzungen bieten. Warum die “ORG-Crew” am 14. August vermummt auftrat, ist ebenfalls klar: “Die Videoschutzsysteme dienen präventiv der Abschreckung in unseren Bahnen und auf unseren Betriebsanlagen aber auch zur Beweissicherung durch die Polizei”, so Backhaus. Erkannt werden möchte man also lieber nicht, wenn es mit der Sprayflasche an den Straßenbahnwaggon geht.

Doch die Szenerie verlagert sich, es ist ein neues Ziel gefunden und die Leipziger Polizei greift zur Netzfahndung beim Thema Graffiti. Dazu gleich mehr im Interview mit Uwe Voigt, Sprecher der Polizeidirektion Leipzig auf L-IZ.de.

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