Gerade in Sachsen wird gern stolz über die niedrigen Schuldenstände berichtet. Aber selbst die Finanzstrukturen der Kommunen sind nur schwer zu durchschauen. Und dass Kommunalabgeordnete überhaupt durchschauen können, mit welchen Geldern wirklich verantwortungsvoll hantiert wird, das bezweifelt Klaus Richard Grün als gelernter Finanzrevisor. Der Fragerunde dritter Teil.

Wären eigenständige Rechnungsämter innerhalb der gegenwärtigen Gesetze überhaupt installierbar? Oder würde Leipzigs Finanzbürgermeister damit sogar gegen Gesetze verstoßen, wenn er so etwas installieren würde?

Gemäß Eigenbetriebsrecht werden alle Eigenbetriebe der Stadt Leipzig durch das Rechnungsprüfungsamt geprüft. Außerdem erfolgen dort Prüfungen der jeweiligen Jahresabschlüsse durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WP), was ausreichend ist.

Das eigentliche Problem in der BRD sind nicht die Eigenbetriebe, sondern die kommunalen Beteiligungen. Eine mehr als komplizierte Thematik. Da diese für Leipzig von enormer Bedeutung ist, versuche ich es mit behutsamen Darlegungen.

In den vergangenen 25 Jahren wurden viele Aufgaben der Verwaltungen in kommunale Unternehmen ausgelagert (z.B. Stadtwerke), die oftmals eine herausragende Bedeutung besitzen. Viele dieser Unternehmen haben Tochter- und Enkelgesellschaften.

Die in kommunalen Unternehmen einer Stadt wie Leipzig bewirtschafteten Mittel übersteigen meist ein Vielfaches der im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel. Eine Verselbständigung dieser Unternehmen wurde versucht dadurch zu verhindern, dass viele Städte ein Beteiligungsmanagement eingerichtet haben. Das ist eine organisatorische Einheit (meist eine Abteilung in der Verwaltung), welche Kontrollfunktionen zur Umsetzung der Interessen des Gesellschafters (z.B. der Stadt Leipzig) ausübt. In Leipzig wurden diese Aufgaben der bbvl übertragen.

Aus dem jährlichen Beteiligungsbericht der Stadt Leipzig, welcher von der bbvl erstellt wird und im Internet einsehbar ist, ist das gesamte Beteiligungsvermögen ersichtlich. Beispiele: Leipziger Wohnungsbaugesellschaft mbH (12 Tochtergesellschaften), Kommunale Wasserwerke Leipzig mbH (7), Stadtwerke Leipzig Gmbh (20), Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH (9), Klinikum St. Georg GmbH (6).

In Sachsen hat der Gesetzgeber festgelegt (als einziges Bundesland), dass in den Gesellschaftsverträgen (Gründungsdokumente) die Befugnisse der örtlichen Prüfungseinrichtung (RPA) sowie der überörtlichen Prüfungsbehörde festzulegen sind. Eine bedeutsame und positive Regelung.

Tatsächlich erfolgen in Sachsen in diesen Unternehmen, von den Prüfungen der Jahresabschlüsse gemäß Handelsgesetzbuch durch Wirtschaftsprüfer abgesehen, so gut wie keine Prüfungen “von außen”, weil dafür gar kein Personal zur Verfügung steht.

Aber da müssten doch Vorgänge wie um den ehemaligen Wasserwerke-Geschäftsführer Klaus H. trotzdem auffallen?

Jedes Jahr sind im Internet zahlreiche Informationen über Straftaten in kommunalen Unternehmen zu finden. Gegen kriminelle Energie (z.B. Wasserwerke Leipzig) ist kein Kraut gewachsen. Da der größte Teil des kommunalen Vermögens jedoch kaum einer neutralen Kontrolle unterliegt, sind Vetternwirtschaft, Geldverschwendung und Straftaten keine Seltenheit. Hauptverantwortlich dafür ist die Politik, die fachlich überfordert und nicht gewillt ist, diesen katastrophalen Zustand anzupacken, geschweige denn zu verändern.

Obwohl mein Spezialgebiet die kommunale Finanzkontrolle ist, wenige Bemerkungen zu den Wirtschaftsprüfungen. Eine wahre Gelddruckmaschine, besonders für die Big Four, die sich den Markt aufgeteilt haben. Es handelt sich dabei um die Wirtschaftsprüfer PWC, KPMG, Ernst & Young sowie Deloitte Touche Tomatsu. Es hat sich längst herumgesprochen, dass es dort vorwiegend um “Kohle” geht, um sehr viel “Kohle”. Der Anteil der Wirtschaftsprüfungen, deren eigentliche Aufgabe, hat sich längst zugunsten von Unternehmensberatungen reduziert. Längst hätte diese Big Four zerschlagen werden müssen, deren Ansehen bereits erheblich Schaden genommen hat. Hinter der Big Four stehen hochkarätige Interessengruppen. Wer sich dieser Thematik nähern möchte, dem empfehle ich die Internetseite www.primus-fachseminare.de.

Ist ein unabhängiges Prüfwesen von den Parteien gar nicht gewollt, weil es damit ja auch jedes Jahr nachvollziehbare Jahresendrechnungen gäbe, in denen nachzulesen wäre, wer mit den Geldern der Bürger ordentlich umgeht und wer nicht?

Ich interpretiere diese Frage so, ob von den Parteien des Freistaates Sachsen eine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder nicht gewollt ist.

Ich beziehe mich in meiner Antwort auf die CDU, die FDP, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Von allen wird, aus unterschiedlichen Gründen, der ordnungsgemäßen Kontrolle der Steuergelder kaum Bedeutung beigemessen. Alle haben seit der Wiedervereinigung keine Initiativen unternommen, um das kommunale Prüfungswesen zu reformieren. Sie haben sich mit den unwirtschaftlichen und unwirksamen Strukturen angefreundet.
Also ein echtes politisches Versäumnis?

Ich werfe dem Sächsischen Parlament bewusste Untätigkeit vor. Weshalb? Im September 2012, kurze Zeit nach dem Erscheinen meines Buches, habe ich mit E-Mail vom 09.09.2012 einen der wichtigsten Ausschüsse des Sächsischen Landtages, den Haushalts- und Finanzausschuss, ausführlich auf eine dringende Reform der kommunalen Finanzkontrolle hingewiesen. Mehrmalige Nachfragen ergaben, dass sich dieser Ausschuss nicht ein einziges Mal damit beschäftigt hat. Auf abgeordnetenwatch.de habe ich den Wirtschaftsminister, Herrn Morlok (FDP), sowie Frau Köpping (SPD) mit dieser Thematik konfrontiert. Lesen Sie die Antworten selbst.

Zwischenbemerkung der Redaktion: Auf die Anfrage zum Thema vom 3. Mai 2014 hat Sven Morlok (noch) nicht geantwortet. Die SPD-Abgeordnete Petra Köpping hat am 7. Mai geantwortet. (www.abgeordnetenwatch.de/petra_koepping-232-61177.html)

Hat sich überhaupt eine Partei für das Thema interessiert?

Hohe Erwartungen hatte ich in Die Linke gesetzt. Ich wurde schwer enttäuscht. Ich führte zwei Gespräche mit sehr attraktiven Vertreterinnen dieser Partei, Frau Neuhaus-Wartenberg und Frau Karawanskij, und habe fast gebettelt, diese Thematik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Sachsens, zumindest erst einmal in die Öffentlichkeit zu bringen. Nichts ist geschehen! Ebenfalls habe ich mich an B90/Die Grünen gewandt. Vergeblich! Selbst die AfD Sachsen, mit der ich keine Erfahrung hatte, habe ich bemüht. Diese Gespräche waren Rohrkrepierer. Die angesprochenen Personen waren zu dieser Thematik völlig überfordert und das Niveau der Gespräche “bedenklich”.

Und woran liegt das Desinteresse Ihrer Meinung nach?

Die Kenntnisse der Politiker – von der Kommunal- über die Landes- bis zur Bundesebene – über die Kontrolle der Steuergelder sind sehr bescheiden, oft miserabel. Das Interesse, daran etwas zu ändern, ist nicht besser.

Ein katastrophales Bild geben auch die Medien beim Umgang mit dieser Thematik ab. Gerne wird über Fälle von Steuergeldverschwendung oder Straftaten in öffentlichen Verwaltungen berichtet, aber den Ursachen auf den Grund zu gehen, dazu reicht die Tinte nicht. Wie beispielsweise bei der Leipziger Volkszeitung. Unter der Überschrift “Diese Strukturen sind der Teufel” erfolgte mit mir Ende Juli 2014 ein Interview zur Situation bei der Kontrolle der Steuergelder (vorwiegend) in Sachsen. Alles war zum Druck fertig. Bis heute (27.10.2014) wurde das Interview unter scheinheiligen Gründen nicht veröffentlicht. Was sind dort für Vorgesetzte am Werk, die den Lesern wichtige Informationen vorenthalten?

Glaubt man den Medien, so ist die BRD ein Land der Experten. Doch wo sind denn die Politik-, Finanz- und Verwaltungsexperten von Hochschulen, Instituten, Ministerien, Beratern von Parteien usw., die es bisher nicht fertig gebracht haben, der Politik zu begründen, dass zur wirkungsvollen Bekämpfung von Steuerbetrug die “Zentrale Steuerfahndung der BRD” her muss sowie zum ordnungsgemäßen Umgang mit Steuergeld die Strukturen der kommunalen Finanzkontrolle einer dringenden Veränderung bedürfen? Wo haben sich diese Experten versteckt?

Andererseits heften sich Regierungen und Verwaltungen gern das Fähnchen Transparenz an, veröffentlichen auch regelmäßig diverse Berichte, die einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler suggerieren. Aber um das Thema Berichtswesen kümmern wir uns morgen an dieser Stelle.

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