Wie wirbt man eigentlich am besten für das Leipziger Lichtfest? - Seit ein paar Tagen hängt ein Riesenbanner an der alten Hauptpost am Augustusplatz und wirbt im Stil der sächsischen Image-Kampagne: "So geht sächsisch. Revolution ohne Gewalt". So ähnlich werden wohl auch die Flyer und Programmhefte ausgefallen sein, die Sachsens Staatsregierung am Freitag, 3. Oktober, in Hannover verteilt hat.

Bei den offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit, die in diesem Jahr in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover stattfanden, warb der Freistaat Sachsen im Rahmen seiner aktuellen Kampagne “So geht sächsisch.” für das Lichtfest Leipzig auf der Festmeile rund um den Maschsee mit besagten Programmheften und Flyern. Das fand sogar die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH wichtig, extra mitzuteilen, bevor man ein wenig mehr berichtete zu den eigentlichen Kunstaktionen rund um den 9. Oktober 2014.

Auch da spielt Hannover eine Rolle. Denn einer der zum Lichtfest eingeladenen Künstler – der Installations-Künstler Mischa Kuball aus Düsseldorf – trägt die Botschaft des Festes diesmal in die Republik hinaus. An einigen der bekannten deutschen Galerien hängt er die Replik eines Transparents aus dem Herbst 1989 auf, das so auch in Leipzig hing.Nein, da stand nicht drauf “Keine Gewalt!” oder “Wir sind das Volk!”

Es gab auch andere Losungen, die auch ganz andere Forderungen an die Gegenwart mit sich bringen als die immer neue Beschwörung von Friedfertigkeit.

Direkt gegenüber dem Rudolf-von-Bennigsen-Ufer des Maschsees zeigt das Sprengel Museum Hannover an seiner Fassade diese Arbeit des Düsseldorfer Künstlers Mischa Kuball. Zu diesem nicht ganz unwichtigen Einwurf “Kritisches Denken braucht Zeit und Raum – hier & überall” wurde Mischa Kuball bei der Entwicklung und Umsetzung seines Lichtfest-Projektes inspiriert.Während das Transparent mit dem Schriftspruch von 1989 jetzt in mehreren Städten der Republik zu sehen ist, setzt Kuball den Inhalt in Leipzig mit einer recht leuchtstarken Installation um, einem “White Space” direkt am Wilhelm-Leuschner-Platz.

Dabei wird er das gleichlautende Motto des Banners, das 1989 plötzlich und nur für einen Tag am Nikolaikirchhof in Leipzig hing, symbolisch in Licht umgesetzt: Die Besucher passieren ein 70.000 Watt starkes LED-Feld, das an die Kraft der 70.000 Demonstranten des 9. Oktober 1989 erinnern und kritisches Denken nähren soll. Das Lichtfeld selbst ist abgesperrt, denn für das menschliche Auge ist diese Lichtstärke viel zu stark. Als Station Nummer 12 unter der großen Klammer “Freiraum” ist Mischa Kuballs Installation “White Space” am 9. Oktober am Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig zu sehen.

Bis dahin soll das Riesenbanner nach Hannover noch in weiteren Städten zu sehen sein. “Ich betrachte meine Umsetzung als eine Art re-enactment der historischen Situation. Aber mit deutlichem Verweis auf die jetzige Situation, denn wie kann die Frage nach einem ?kritischen Denken? zeitgebunden sein und sich nur auf Leipzig und die Ex-DDR beziehen?”, äußerte sich Mischa Kuball zu seiner Intervention in Hannover.

Womit er nicht der einzige Künstler ist, der in seiner Installation am 9. Oktober vom Herbst 1989 auf die Gegenwart verweist, wo es mit einigen der damaligen Versprechungen sehr im Argen liegt. Nur sind diesmal keine SED-Funktionäre dran schuld, sondern Verbiegungen der eigenen Demokratie.

Man denke nur an den hilflosen Umgang mit den ausufernden Überwachungsmethoden von NSA bis BND, an den ausgrenzenden Umgang mit Flüchtlingen aus den Krisengebieten Nordafrikas oder die Hilflosigkeit der Politik vor den Hasardspielen der großen Banken. Wer am 9. Oktober genau hinschaut, wird eine Menge Ansatzpunkte finden, mit denen die Künstler die Diskussion über die heutige gefährdete Demokratie aufmachen.

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