Am 6. Januar veröffentlichte "Spiegel Online" eine Rezension zum "Abriss-Atlas Berlin", ein Buch, in dem Berliner Architekten 50 Berliner Bauwerke aufgelistet haben, die aus ihrer Sicht einfach weg können - weil sie hässlich sind, am falschen Platz stehen, schon beim Anblick wehtun und Stadträume architektonisch zerstören. Für den Leipziger Burkhard Hirzinger ein Anlass, einmal seine Liste der Leipziger Abrisskandidaten aufzustellen.

Über einige dieser Objekte wurde in der jüngeren Vergangenheit schon heftig diskutiert und scheinbar gab es auch ein Einlenken der Stadtplaner. Aber am Ende wird eben über solche Schmuckstücke doch nicht demokratisch abgestimmt. Am Ende entscheiden Bauherren und Besitzer. Die Stadt kann nur lenkend eingreifen.

Ob sie damit Bausünden, die auf Jahre das Stadtbild verschandeln, verhindern, ist wohl eher fraglich.

Auch weil Diskussion nicht nur heißt Dafür oder Dagegen. Selbst Architekten gehören unterschiedlichen Schulen an – manche kämpfen um Gebäude, die wohl nur dem Experten ihre Einzigartigkeit verraten, andere finden es wichtig, Spuren vergangener Epochen nicht zu tilgen, sondern exemplarisch zu bewahren. Man erinnere nur an die Diskussion um die “Blechbüchse”.

Die steht nicht auf Hirzingers Prioritätenliste.

Seine Schandflecke der Innenstadt, die er am liebsten sofort weg haben möchte, sind

– das”Brühlpelz”-Hochhaus von 1965/66, das in einem Anfall von Irrsinn zu einem Hotel umgebaut werden soll. Er steht wie ein Querriegel am Ende der Reichsstraße, fügt sich weder in die örtlichen Traufhöhen noch in die Staßenflucht des Brühl.

– die Augustusplatz-Aufbauten von 1995-97, mit den Milchtöpfen, der Pergola und der brutal die Sicht auf das Uni-Hauptgebäude versperrenden Mauer. Eigentlich von der Leipziger Stadtverwaltung schon abgesagt, zumindest den Sperrriegel vor dem Uni-Neubau abzutragen, wenn der neue Uni-Campus fertig ist. Doch nichts ist passiert.

– das Motel One Grimmaische /Ecke Ritterstraße mit viel zu hoher Traufhöhe und zu niedrigen Stockwerken für die Umgebung.
Und dann war er in der Südvorstadt unterwegs und geschockt:

Da stechen vor allem zwei Objekte in der Brandvorwerkstraße heraus, einem (lückenhaften) Gründerzeitviertel:

– die Brandvorwerkstraße 52-54, ein 60er Jahre-Büroplattenbau, der ca. 2007/8 mit brutaler Farbgebung und Styropor-WDVS “saniert” wurde, nachdem er erst nach zahllosen Zwangsversteigerungsterminen überhaupt einen Käufer gefunden hatte. Die Rückseite ist übrigens orangefarben, stellt Hirzinger fest. In DDR-Zeiten war der Block wie so Vieles als billige Lückenbebauung hingestellt worden.

– die Brandvorwerkstraße 34-34c, “neben einem fast so schlimm aussehenden Nachbarblock, der unangefochtene Spitzenreiter in einer Reihe sogenannter ‘Stadthäuser’, die wie Tumormetastasen die Gründerzeit-Baulücken befallen, nicht nur in der Südvorstadt, sondern etwa auch in Plagwitz.”

Ein Kandidat, der eigentlich jedes Mal frustriert, wenn er ins Auge gerät, hat Hirzinger gar nicht genannt: den Verwaltungsbrei der Leipziger Stasi-Zentrale auf dem Matthäikirchhof.

Der wird zur Zeit noch von der Leipziger Stadtverwaltung genutzt. Manches bleibt eben stehen, weil es noch gebraucht wird.

Aber warum nicht auch für Leipzig einen “Abriss-Atlas” schaffen, in dem die 50 schlimmsten Bausünden beschrieben sind. Möglichst aus fachlicher Sicht. Ein Verlag wird sich doch finden und streitbare Architekten gibt es doch auch in Leipzig.

Und Vorschläge können auch L-IZ-Leser machen. Warum nicht? Über die Architektur in Leipzig wird immer nur punktuell diskutiert. Doch falsche Baulösungen zerstören Plätze und Straßen dauerhaft und verhindern vor allem bessere und lebenswertere Lösungen.

Die “Spiegel”-Besprechung:
www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/abriss-atlas-berlin-diese-bauwerke-koennen-weg-a-1010996.html

Der Verlag des “Abriss-Atlas”:
www.mitte-rand.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar