Zahlreiche Initiativen rufen für Montag gegen die erste Demonstration von "Legida" (Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Leipzig auf. Die stark von der "Pegida"-Bewegung in Dresden inspirierten Leipziger Anhänger, deren Gründe und warum es von allen Seiten in der Messestadt Empfehlungen gibt, die Gegenproteste am Montag wahrzunehmen - darüber hat L-IZ.de mit Marcel Nowicki, einem der Gründer der Facebook-Gruppe "No Legida", gesprochen.

Als im vergangenen Jahr die Pegida Demonstrationen angefangen haben, habe ich mir nur gedacht: Mal wieder so eine Veranstaltung von Verschwörungstheoretikern, Nazis und anderen Gestalten mit denen man einfach nicht diskutieren kann und will. Dann wurden es mehr und mehr. Wie hast du diese Entwicklung wahrgenommen und wie kamst du zu dem Entschluss, etwas dagegen zu machen?

Am Anfang kamen die erste Medienberichte von der Lokalpresse, dass kleine Gruppen laufen würden. Dies hat keine große Beachtung gefunden. Größer wurde die Beachtung, als die Teilnehmerzahlen nach ein paar Wochen gestiegen sind und erst dann habe ich das richtig wahrgenommen, was dahinter steckt. So etwas wie die Montagsmahnwachen, wie wir sie hier in Leipzig hatten, die ein ähnliches Spektrum zu Tage gefördert haben. Ken Jebsen und der andere Kram, ganz viel Verschwörungstheorie und so weiter. Das hat sich stark geändert. Den Montagsdemonstration und -mahnwachen ist es nicht gelungen, eine kritische Masse aufzubauen.

Und dann hat es angefangen, mir einfach Angst zu machen. Es hat mir Angst gemacht und mich wütend gemacht – sehr wütend. Dabei geht es nicht unbedingt um den Kern, der diese Demonstration veranstaltet, der sie auf die Beine gestellt und damit angefangen hat. Was mich auf die Palme bringt sind die Mitläufer, weil sie es besser wissen müssten. Pegida gibt sich einen bürgerlichen Anstrich und es stimmt, es sind “ganz normale Bürger” dabei.

Das ruft bei mir eine Assoziation hervor: Es ist genau das, was wir vor 25 Jahren hatten, klatschende Leute als die Asylbewerberheime und Flüchltingsheime brannten.

Der eigentliche Auslöser für die Facebook-Seite war die Ankündigung, dass auch hier in Leipzig eine ähnliche Gruppe laufen soll. Mit einem ähnlichen Konzept, die sich Pegida anschließt. Wir wollen definitiv nicht, dass die nur irgendeine Art von Erfolg haben. In Dresden habe ich das Gefühl, dass es deswegen Fahrt aufgenommen hat, weil Pegida etwas belächelt wurde. Es wurde nicht für voll genommen. Man hätte nicht gedacht, dass es größer werden wird. Man hat sich gedacht, es ist ok und es ist in Ordnung auf die Straße zu gehen.

Pegida scheint ein Phänomen zu sein, das vor allem in Ostdeutschland Zuspruch findet, sonst würden keine zehntausende Menschen in Dresden auf die Straße gehen, während in anderen Städten der Zulauf extrem gering bleibt. Wie schätzt du das ein?
Ich würde sagen, die Leute hinter Pegida oder Legida sind nichts Neues. Sie haben es in Bonn und Düsseldorf organisiert und in Köln oder München wurde es versucht. Die sogenannten Islamkritiker, die sich im Internet auf Blogs wie PI-News sammeln, kommen größtenteils aus dem Westen und gar nicht aus dem Osten. Sie kommen aus Mönchengladbach. Wie Stefan Herre, der PI-News [Anm. gemeint ist der Blog “Politically Incorrect”] gegründet hat, der aus dem Rheinischen kommt. Da gibt es diesen Herrn aus München, Michael Stürzenberger (Bundesvorsitzender Die Freiheit), der schon seit Längerem hetzt – das muss man so sagen.

Das ist kein ostdeutsches Phänomen. Was meinem Empfinden nach eher ostdeutsch ist, dass sich “besorgte Bürger” dazugesellen, mitlaufen und mitklatschen. Es passt zum Beispiel zu den Protesten im letzten Jahr gegen den Moschee-Bau in Leipzig. Bei diesen haben sich auch “besorgte Bürger” zu den Nazis gestellt oder zu den Fackelumzügen in Schneeberg, bei denen es um ein Asylbewerberheim ging. An anderen Orten im Osten wird die NPD als normale Partei angesehen. Es wird nicht nur politisches sondern auch gesellschaftliches Engagement gegen Rechts als etwas Schlechtes wahrgenommen und ist negativ konnotiert in Teilen der Bevölkerung. Das ist schon ein ostdeutsches Problem, würde ich sagen. Aber rein die Nazi-Problematik betreffend: Nein. Es gibt auch genügend davon im Westen, da braucht man sich nichts vormachen.

Was das Ganze zusätzlich verstärkt, ist die relative schwache Gegenwehr im Osten. In Köln hat man es gesehen. In München hat man es gesehen. Es gibt einen sehr starken bürgerlichen Protest dagegen, der alle Lager umfasst. Da ist dann eben nicht nur “die Antifa”, die dagegen aufsteht. Es ist dann wirklich die Gemeinschaft eines Ortes oder einer Stadt, die dort aufsteht und das fehlt hier zum Teil im Osten. Das ist hier ein echtes Problem.

Gibt es Unterschiede zwischen Legida und Pegida und welche Motivation könnten die Anhänger haben, neben den öffentlich skandierten Plattitüden vom Untergang des Abendlandes?

Ich sag es mal so: Legida hat ein Positionspaper. Es ist eine Ecke schärfer als das Pegida-Papier, um es vorsichtig zu formulieren. Im Grunde sind sie gleich, weil der Inhalt durch Pegida-Teilnehmer in diesem Panorma-Videomitschnitt so geäußert wurde. Das ARD-Magazin hatte diese O-Töne online gestellt. Zweimal eine dreiviertel Stunde, die man sich anschauen kann. Es war schmerzhaft. Das war ungefähr das, was jetzt in dem Legida-Papier steht: Ablehnung von Dingen, wie der Gleichstellung von Mann und Frau, was unter der Ablehnung von Gendermainstreaming läuft. Alle möglichen Verschwörungstheorien tauchen auf, bspw. die BRD sei immer noch kein freier Staat. Es kommt die Ausländerhetze darin vor und so weiter. Das kann man sofort aus den Legida-Papieren herauslesen. Aus den Pegida-Papieren selbst geht es nicht sofort hervor.

Aus den Demos heraus wird es jedoch klar: Wenn man die Leute sprechen hört. Wenn man sich die Redner und Besucher anschaut. Die geschwungenen Fahnen erblickt bspw. von der German Defense League. Da begreift man sehr schnell, um was es da geht.

Sachsens Innerminister Markus Ulbig hat gemeint, dass es mit Pegida nicht so einfach sei und man nicht alle Demonstranten als Nazis abtun könnte. Machen es sich da viele zu einfach?

Es machen sich alle ein bisschen einfach. Wenn ein Markus Ulbig oder andere sagen, es handle sich irgendwie um irrationale Ängste und man müsse die Leute auffangen, spricht man den Leuten eigentlich ab, eine bewusste Willensbekundung dort auszuführen. Man stellt sie so dar, als ob sie wirr wären. Das entspricht nicht meinem Menschenbild. Ich gehe davon aus, dass der Großteil der Menschen in Deutschland ein gewisses Maß an Bildung hat und auch damit freie Entscheidungen treffen kann und sie auch sehr bewusst trifft.

Das macht das Ganze aber noch viel schlimmer: Sie wissen, worauf sie sich einlassen. Sie wissen, mit wem sie laufen. Diese Aussage “Ich kann ja nichts dafür, dass hier ein Nazi steht” zieht dann einfach nicht. Das ist viel zu einfach gedacht, deswegen ist der Spruch “Man müsste da irgendwas ernst nehmen” sehr gefährlich. So wie sich manche Politiker aufgeregt haben, als ob das nur verirrte Schafe wären. Das hat etwas Patronistisches. Als ob man die Leute, wie ein guter Hirte leiten müsse. Das ist totaler Quatsch. Dann spricht man den Leuten die Fähigkeit ab, frei ihren Willen zu bekunden. Da mache ich nicht. Ich nehme sie ernst. Gerade weil ich sie erst nehme und sie ernst genommen werden wollen, macht es das Ganze noch viel, viel schlimmer. Ich muss davon ausgehen, dass sie sehr bewusst zu solchen Demonstrationen gehen und sie wissen, was sie dort sagen.

Teil 2 des Interviews in Kürze an dieser Stelle.

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