Britta Taddiken ist Pfarrerin der Thomaskirchgemeinde in Leipzig. Sie ist Nachfolgerin von Christian Wolff. Mit ihr sprach ich über die geplanten Aktivitäten zum großen Reformationsjubiläum 2017, den Katholikentag 2016, das Paulinum und die Rolle der Gemeinde bei den letzten Demonstrationen für ein weltoffenes Leipzig. Ein Rückblick auf die friedliche Revolution rundete das Gespräch ab.

Christen in Leipzig: das scheint zuerst einmal ein Heimspiel. Schließlich war hier ja auch Martin Luther.

Er hat Leipzig nicht besonders gemocht. Er war 1519 in der Thomaskirche zur Eröffnung der Disputation. 1539 war er noch mal hier zu Pfingsten zur Einführung der Reformation. Was wir an Äußerungen über Leipzig von ihm haben, ist nicht besonders schön. Ich weiß nicht, ob ihn das zu sehr an Rom erinnert hat. Irgendwie war es ihm zu rummelig, glaube ich.

Da war Wittenberg vielleicht etwas kleiner und beschaulicher.

Spannend ist, dass sich hier Reformationsgeschichte und Kulturgeschichte verdichten.

Das Reformationsjubiläum 2017 ist ja gerade deshalb auch hier sehr wichtig. Welche Vorbereitungen finden da jetzt schon statt?

Es gibt zuerst die großen Eckpunke. Es wird der große Kirchentag 2017 in Berlin und Wittenberg stattfinden. Und Leipzig wird eine dieser Städte sein, in denen es einen Kirchentag auf dem Weg gibt, als Orte mit reformatorischen Bezug, in denen man während des Kirchentags bestimmte Dinge plant. Da hat es jetzt ein erstes Ideen- und Informationstreffen für die evangelischen Kirchengemeinden gegeben, wo wir überlegt haben, ob die, welche aktiv werden könnten, in der Zeit nicht sowieso alle in Berlin sind. Ansonsten haben wir jedes Wochenende mit unseren Gottesdiensten, Motetten und anderem musikalischen Angebot genau das richtige für Leute, die mehr am Rande die Alternative suchen und einen reformatorischen Abstecher machen.

Was ist am Reformationstag selbst geplant?

Da sind wir noch ganz am Anfang eines eventuellen Projekts mit dem Thomanerchor und der lutherischen Universität Valparaiso. Wir haben dort als Kirchgemeinde eine verbriefte Freundschaft. Wir planen eine Festmusik, die dann ein oder zweimal mit dem Thomanerchor aufgeführt wird – und mit dem professionellen Chor von Valparaiso. Im Moment sind wir dabei, Komponisten zu finden, Texter zu finden, das eigentliche Thema zu finden. Denn Reformation an sich zieht ja die Frage nach sich: was feiern wir eigentlich? Das wird noch mal eine spannende Frage sein, wenn wir uns als Kirchgemeinde überlegen, was wir für uns machen können.

Wir machen in der Thomaskirche immer so Dreiklänge:

„glauben, singen, lernen“ war das Stichwort im Jahr 2012. Und jetzt habe ich im Kopf: „Freiheit, Bildung, Verantwortung“. Das sind eigentlich die drei Themen, die durch die Reformation hochgehalten worden sind.

Freiheit: kein Mensch muss erklären, warum er da ist. Einfach aus Gnade da sein. Die große lutherische Entdeckung. Ich muss mich nicht behaupten, ich muss nicht sein wie Gott. Ich muss nicht besser sein als ich bin. Ich soll der sein, der ich bin. Und das annehmen im Glauben und daraus was machen.

Bildung: da geht es um das allgemeine Bildungswesen. Ein wesentlicher Punkt, wo wir sagen müssen, ohne die Reformation wären wir da vielleicht so nicht hingekommen. Dass also gesagt wurde, Kinder, Mädchen, Jungs: lesen, schreiben rechnen, das sind die Grundfähigkeiten, die nicht zu unterschätzen sind. Dass also jeder Mensch ein Recht auf Bildung hat. Die Katechismen, ein Buch, mit dem kann man lesen lernen, die Bibel ergründen, damit kann man seinen Glauben erlernen und verstehen, da kann man Gemeinschaft mit stiften, das sind ja geniale Ideen gewesen.

Verantwortung: auch das Gemeinwesen in die Verantwortung zu ziehen mit den Gemeindekästen. Da wurde im Grunde zum ersten Mal ein Sozialsystem entwickelt. Man sammelte Geld. Der Pfarrer hatte einen Schlüssel und der Bürgermeister hatte einen Schlüssel und vielleicht noch irgendwer. Nur gemeinsam kam man ans Geld ran und musste sich dann Gedanken machen: wo stecken wir es rein? Ich denke diese drei Themen sind sinnstiftend.

Die Thomaskirche hat eine enge Beziehung zum forum thomanum. Wie ist der Stand bei der Entwicklung der Idee eines musikalischen Campus?

Der Verein hat seinen Sitz bei uns im Haus und wird von uns unterstützt. Wir arbeiten eng zusammen. Mein Vorgänger Christian Wolff war Mitbegründer dieses Vereins. Die Grundsteinlegung für die Grundschule forum thomanum beginnt am 22. Mai um 10:30 Uhr in der Lutherkirche.

Alle Voraussetzungen sind jetzt erfüllt, auch der Kredit und die Zuschüsse. Unser jetziger Justizminister Sebastian Gemkow hat als Landtagsabgeordneter Frau Kurth und das Kultusministerium noch einmal von dem Bildungsprojekt sehr überzeugt, das auch einen internationalen Ansatz hat. Und ein Aspekt in dem Projekt ist auch, sich über das Thema Glauben und Religion bilden zu können, wie auch immer man persönlich dazu steht. Und zwar nicht nur über das, was in den Büchern steht und was man lernt, sondern auch über den Vollzug: dass man den Glauben im Alltag lebt. Dieses Schulleben mit den regelmäßigen Gottesdiensten zu den besonderen Zeiten im Kirchenjahr haben wir als Thomaskirche bewusst begleitet.

Mit Teil zwei und drei des Interviews geht’s weiter am Wochenende, u.a. zum Thema Kirche und Glaube in der Schule und weitere Projekte der Thomaskirchgemeinde.                                             

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