Viele Pflegeeinrichtungen sind der Überzeugung, dass höhere Vergütungen das Hauptproblem des Fachkräftemangels lösen können. Doch das ist ein Irrtum. Studien zeigen, dass andere Faktoren wie Teamklima, Anerkennung und Entwicklungsperspektiven für Fachkräfte weitaus entscheidender sind.

Finanzielle Anreize werden im Recruiting häufig überschätzt und viele Einrichtungen sind daher der Meinung, dass sie allein mit mehr Vergütung pro Stunde ihr Personalproblem lösen können. Doch genau diese Denkweise führt langfristig nicht zu stabilen Teams. Vielmehr geht der Trend weg von monetären Prioritäten und hin zu Wertschätzung, Teamkultur und einem attraktiven Arbeitsumfeld.

Dieser Artikel beleuchtet die wahren Beweggründe für einen Jobwechsel in der Pflegebranche und zeigt auf, welche nachhaltigen Lösungen Einrichtungen nutzen können, um qualifizierte Fachkräfte langfristig zu binden.

Unterschätzter Motivationskiller „Fehlende Anerkennung“

Nicht selten kehren Angestellte dem Pflegeberuf den Rücken, weil es an Wertschätzung mangelt. Kommunikationsprobleme zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften tragen dazu bei, dass sich viele Beschäftigte wie eine austauschbare Nummer im System fühlen.

Es reicht nicht, einmal im Jahr lobende Worte zu finden – Wertschätzung wird stattdessen immer mehr zu einem konstanten Begleiter im Arbeitsalltag, der Pflegekräften mehr Sinn und Zufriedenheit vermittelt. So brauchen sie eine spürbare und authentische Anerkennung für ihre Leistung. Nur wenn diese gegeben ist, lassen sich langfristig stabile Teams aufbauen.

Arbeitsbelastung und starre Schichtmodelle als Wechselgrund

Wir haben mit einem Experten im Pflege-Recruiting gesprochen und konnten einige Einblicke in die heutigen Erwartungen von Pflegekräften gewinnen. Florian Ngjela, Mitbegründer von MedArbeiter und Profi in der Mitarbeitergewinnung für das Gesundheitswesen hat uns geholfen, den Fachkräftemangel in der Branche besser zu verstehen. Hoher Zeitdruck und Personalmangel sorgen für eine extreme Beanspruchung der Belegschaften.

Hinzu kommen starre und unflexible Schichtmodelle wie Teildienste, die die Work-Life-Balance massiv beeinträchtigen. Eine Fachkraft, die beispielsweise von 6 bis 12 Uhr und dann wieder von 16 bis 20 Uhr arbeitet, steht unter enormer Belastung. „Essenziell ist ein funktionierendes Arbeitszeitmodell, damit Pflegekräfte langfristig motiviert und leistungsfähig bleiben“, betont Florian Ngjela.

Er sieht es als eine zentrale Aufgabe der Einrichtungen, für flexible Strukturen zu sorgen, um sowohl die Zufriedenheit der Mitarbeitenden als auch die Qualität der Betreuung zu verbessern.

Karriereperspektiven: Stillstand bedeutet Rückschritt

Wer keine Entwicklungsmöglichkeiten für sich erkennt, sucht sich oft eine neue Herausforderung. In zahlreichen Betrieben fehlen klare Konzepte für Weiterbildung und Spezialisierung. „Unsere Erfahrung zeigt, dass Beschäftigte eher bleiben, wenn sie Perspektiven für ihre berufliche Entwicklung registrieren“, so der Experte von MedArbeiter.

So müssen Arbeitgeber Fortbildungen nicht nur ermöglichen, sondern aktiv fördern und ihre Mitarbeitenden gezielt in ihrer Entwicklung unterstützen, damit sie sich langfristig an das Unternehmen gebunden fühlen. Was Pflegekräfte wirklich zufrieden macht, zeigen Fakten aus der Praxis.

Eine Statista-Studie aus 2020 zeigte, dass Wertschätzung, Teamklima und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für Fachkräfte gewichtiger sind als das Gehalt. Laut der Untersuchung erwägen 31 % der Pflegekräfte einen Jobwechsel, weil sie Anerkennung und faire Arbeitsbedingungen vermissen.

Wie unser Gesprächspartner Florian Ngjela betont, können Unternehmen, die auf flache Hierarchien, Team-Events und flexible Arbeitszeiten setzen, ihre Mitarbeiterfluktuation erheblich reduzieren. „Pflegekräfte bleiben dort, wo sie sich verstanden und respektiert fühlen“, erläutert er und bezieht sich dabei auf vielfache Gespräche mit Fachkräften aus der Branche.

Weiter hebt er hervor, dass ein Arbeitgeber sich heute genauso um Bewerber bemühen muss wie um Kunden. „Nur wer eine starke Arbeitgebermarke aufbaut, wird langfristig erfolgreich sein“.

Ihr Puls scheint etwas drüber zu sein, Frau Kollegin. Foto: Suyizailushang via pixabay

Man braucht Strategien für eine langfristige Mitarbeiterbindung

Im Gespräch mit MedArbeiter kristallisieren sich einige klare Strategien für die Bindung von Pflegekräften heraus:

●    Authentische Arbeitgebermarke statt kurzfristiger Gehaltserhöhungen

Eine gelebte Unternehmenskultur und echte Anerkennung spielen eine zentrale Rolle. Der Experte unterstreicht, dass ein Arbeitsplatz mehr als nur ein Ort zum Geldverdienen sein sollte. „Ein wertschätzendes und integrierendes Umfeld ist der Schlüssel zur langfristigen Bindung von Mitarbeitenden“, sagt er und verweist darauf, dass viele Pflegekräfte sich eine emotionale Verbundenheit zu ihrem Dienstherrn wünschen.

●    Flexible Strukturen als Instrument zur Mitarbeiterzufriedenheit

Innovative Schichtmodelle, Homeoffice für administrative Aufgaben oder eine digitale Dienstplanung können den Arbeitsalltag enorm erleichtern. „Flexibilität ist heute ein Muss“, so Ngjela. Sofern auf starre Strukturen gesetzt werde, bestünde erhebliche Gefahr, wertvolle Fachkräfte an modernere Arbeitgeber zu verlieren.

●    Weiterentwicklung als Triebfeder

Regelmäßige Feedbackgespräche, gezielte Weiterbildungen und die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten, erhöhen die Zufriedenheit. Betriebe, die ihren Beschäftigten Spezialisierungen oder Karrierewege ermöglichen, profitieren von loyaleren Teams. Entscheidend sei, ob ein Umfeld geschaffen wird, das langfristige Entwicklung und berufliche Perspektiven erlaubt. „Wer seine Mitarbeitenden engagiert in ihre Zukunftsplanung einbindet, fördert nicht nur ihre Zufriedenheit, sondern auch ihre Loyalität“, fasst der Experte zusammen.

Pflege neu denken – Mehr als eine Gehaltsfrage

Gehaltssteigerungen allein reichen nicht aus, um den Fachkräftemangel nachhaltig zu lösen. Entscheidend sind Anerkennung, ein starkes Teamgefühl und echte Entwicklungsperspektiven. Arbeitgeber, die sich auf eine wertschätzende Unternehmenskultur konzentrieren, haben langfristig die besten Chancen, qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten. Unser Gesprächspartner und Recruiting-Experte bringt es auf den Punkt: „Bewerbungsgespräche sind heute keine klassischen Auswahlgespräche mehr – sie müssen wie ein Verkaufsgespräch geführt werden.“ Er sieht es als ausschlaggebend an, dass Unternehmen lernen, sich selbst überzeugend zu präsentieren und aktiv an der Mitarbeiterbindung arbeiten.

Taktische Maßnahmen zur langfristigen Mitarbeiterbindung

●    Stärkung der Arbeitgebermarke und der Zufriedenheit der Angestellten

●    Optimierung von Schichtplänen und Einführung flexibler, familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle

●    Förderung strukturierter Weiterbildungsprogramme zur Schaffung transparenter Karriereperspektiven

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen lässt sich nur mit langfristigen und durchdachten Strategien bewältigen. Vertrauen, Menschlichkeit und eine klare Vision sind die Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung.

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