Dass Übergewicht eine ganze Reihe gesundheitlicher Folgen hat, das verfestigt sich in mehreren Leipziger Forschungen derzeit immer mehr. Viele der so genannten Zivilisationskrankheiten haben mit den überzähligen Fettmassen zu tun, die viele Europäer mit sich schleppen. Aber auch auf das Gehirn wirken die großen Fettdepots zurück, bestätigen jetzt wieder neuere Forschungen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig.

So stumpft beispielsweise ein übermäßiger Nahrungskonsum das Belohnungszentrum im Gehirn ab, so dass immer mehr Essen für das gleiche Sättigungsgefühl nötig ist. Forscher vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben nun nachgewiesen, dass bei übergewichtigen Frauen Änderungen im Frontallappen der Großhirnrinde mit Änderungen von Nervenfasern aus diesem Areal in andere Gehirngebiete einhergehen. Sie stellten fest, dass dies nicht im gesamten Gehirn der Fall ist, sondern dass dies ganz spezifisch für die vom Übergewicht betroffenen Bereiche ist. Die Erkenntnisse tragen dazu bei, die Auswirkungen von Übergewicht auf das menschliche Gehirn besser zu verstehen.

Übergewicht kann den Aufbau des Gehirns beeinflussen und seine Arbeitsweise beeinträchtigen. So ist zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen dem Body-Mass-Index (BMI) und Veränderungen im Gehirn wie zum Beispiel der Großhirnrinde bekannt. Der sogenannte dorsolaterale präfrontale Kortex, eine Region im Frontallappen der Großhirnrinde, ist an der Kontrolle unseres Verhaltens in den unterschiedlichsten Situationen des alltäglichen Lebens beteiligt, darunter auch an der Kontrolle unseres Essverhaltens.Die Leipziger Forscher haben nun an einer Gruppe normal- und übergewichtiger Frauen die gewichtsabhängigen Veränderungen der Leitungsbahnen und Region des Frontallappens analysiert. Sie betrachteten dabei verschiedene Indikatoren für Übergewichtigkeit, etwa den Body-Mass-Index und den Leptinspiegel, der ein Anhaltspunkt für Körperfett ist.

Für die Betroffenen bestimmt keine gute Nachricht: Die Befunde im Gehirn ähneln dabei solchen bei älteren Menschen.

Im Alter nimmt die Weiterleitung von Nervensignalen über diese Leitungsbahnen ab, so dass ein Nervensignal nicht so schnell vom einen an den anderen Ort gelangen kann. Dafür sind mitunter die Ummantelungen der Nervenstränge verantwortlich, die aus Myelin bestehen. Im Alter nimmt dieser Myelinmantel ab, so dass Signale nicht mehr so schnell übertragen werden können.

“Das führt dazu, dass sich gewisse Denk- und Handlungsprozess im Verlauf des Alters verändern”, sagt Burkhard Pleger, einer der Mitautoren. “Eine mögliche Interpretation unserer Ergebnisse könnte sein, dass die Struktur einiger Leitungsbahnen bei Übergewichtigen frühzeitig gealtert ist. Dies bleibt aber zurzeit noch spekulativ.”

Die Veränderung von verhaltensrelevanten Strukturen des Frontallappens bestätigen zudem die Idee, Diäten in Zukunft mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen aus der Psychologie zu kombinieren, damit die Betroffenen lernen, auch in Zukunft ihr Essverhalten besser zu kontrollieren.

“Wenn wir wissen, welche Hirnregionen und Leitungsbahnen durch Übergewicht verändert werden, lernen wir auch etwas darüber, wie Übergewicht die Arbeitsweise des Gehirns beeinflusst. Durch die Kombination einer Diät mit gezieltem Verhaltenstraining versuchen wir nun, den Betroffenen ein besseres Essverhalten beizubringen, um damit langfristig das Gewicht zu stabilisieren”, sagt Pleger.

Quelle: Katja Paasche, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig

www.cbs.mpg.de/index.html

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