Ort der Handlung: Nähe Waldheim, ehemaliges Rittergut Ehrenberg, heute Centro Monte Onore. Zeit der Handlung: Jetzt. - Traumhafte Kostüme, Masken und Geister haben hier sowieso durch das Kunstzentrum Monte Onore ein Zuhause. Neuerdings haben sie Besuch bekommen! Marlis Knoblauch, lange Jahre an Leipziger Theatern festangestellt, nun als freie Szenografin landauf, landab unterwegs, zeigt Figurinen, Kostüme und Bühnenbildmodelle.

Ihre Kostüm-Kollektion für „My fair Lady“ ist seit Jahren in Leipzigs Musikalischer Komödie zu sehen: Fantasievolle Roben, teils sehr voluminös und farbenspielerisch, dabei eine Galerie kunsthandwerklich-auftrumpfender Damenhüte, so als wenn Selbstwahrnehmungen und Träume nach außen getragen werden müssten… Ein Rausch aus Stoff und Zierde.

Sonst werden in der Ehrenberger Werkstatt unter der künstlerischen Leitung von Giorgio Furlan für Theaterprojekte großangelegte Inszenierungen erarbeitet, daran arbeiten keine gelernten Theaterhandwerker, sondern Leute, die bisher mehr oder weniger, aber nicht beruflich, mit Theater und Bühnen zu tun hatten. Im Laufe der Jahre sind die Gebäude der Werkstatt selbst zu einem Magazin von Masken, Kostümen und Geistern geworden.

Grenzenlose Fantasie

„Ohne Grenzen“ ist das Ehrenberger Veranstaltungs- und Ausstellungsjahr überschrieben. Nun haben zwar Theater-Spielräume ihre Grenzen, landläufig auch als Guckkästen bezeichnet, aber wenn die ganze Welt auf Brettern bedeutet, gedeutet und ausprobiert werden kann, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Grenzenlos ist auch die Fülle der Titel von Theaterstücken aus Schauspiel, Oper, Operette, Musical und Ballett, Autoren, Aufführungsorten, Figuren und Regisseure, aus der freilich eine Auswahl getroffen wurde, die etwas von den Entstehungsschritten der Bühnenkostüme verrät.

Diese Kunst ist immer Zuarbeit und Zusammenarbeit mit dem Regisseur und allen sonstigen Beteiligten, jede Änderung muss nicht die letzte sein. Bis zur Premiere. Dann sind die Kostüme nur noch mit ihren Personen und Darstellern verwachsen. Es gibt Leute, die nach Jahren bei Kostümverkäufen in Theatern auf die eingenähten Schilder schauen: Wer hat es getragen, Name und Rolle, in welchem Stück.

200 Inszenierungen hat Marlis Knoblauch ausgestattet, teils mit Bühnenbildern, Kostümen, Plakat- und Programmheftgrafiken. Häufig reichte das Design bis in den Zuschauerraum und zuweilen bis ins Theaterfoyer. In Schwerin gehörte für eine Sommer-Oper der Platz zwischen Theater, Museum und Schloss dazu, in Bielefeld waren es 300 Kostüme für einen so genannten „Feierabend“ mit der ganzen Stadtgeschichte zum Stadtjubiläum.
An Leipzigs Musikalischer Komödie hat Marlis Knoblauch – seit 1980 – viele Produktionen ausgestattet, zuletzt 1999 „Das Feuerwerk“, 2001 „Mein Freund Bunbury“, 2002 „Der Vetter aus Dingsda“, 2008/09 Kostüme zu „My Fair Lady“.

Anziehpuppen zum Ausschneiden, selbst ergänzt

Geboren wurde Marlis Knoblauch in der Chemnitzer Gegend, in der Nähe der jetzigen Ausstellung. Vor dem Studium in Berlin hat sie ihr erstes Volontariat in Karl-Marx-Stadt absolviert. Dass nun im Ausstellungstitel der Name Martha versteckt ist, hat mit Martha Hanewald zu tun, die einst den Kindern die Augen für die Künste öffnete. Zur Vernissage reisten diverse Bekannte von früheren Lebens- und Schaffensstationen an. Auch aus Leipzig waren Sängerinnen und Schauspieler dabei, die einst von Marlis Knoblauch angezogen wurden.

So oft bei Bühnen-Ausstattungen auf Fernwirkung gezielt wird, genau so kann akribisch bei Filmausstattungen zum Beispiel für die „Geschichte Mitteldeutschlands“ des MDR-Fernsehens gearbeitet werden. Marlis Knoblauch hat bereits unterschiedliche Stände mehrerer Epochen angezogen, von den Socken bis zur Krone oder Arbeitermütze.

Im kleinen Format des Theaters ist die Welt am schönsten. Hier darf man Kostümen und Schmuckstücken ganz nah kommen. Foto: Karsten Pietsch
Im kleinen Format des Theaters ist die Welt am schönsten. Hier darf man Kostümen und Schmuckstücken ganz nah kommen. Foto: Karsten Pietsch

Einfachheit pflegt Marlis Knoblauch nur dort, wo sie hingehört. Sargträger im „Hamlet“ trugen grob stilisierte Mönchskutten mit Kapuze. Für Charaktere war jede Erfindung recht, der man die Herkunft der Einzelteile nicht ansieht. Kleider machen eben Leute. Militär in einem Friedrich-Schiller-Drama trug martialisch anmutende Körperschutzmittel aus der modernen Sportbekleidung. Wo es Sinn hatte, gab es nur Schwarz mit minimalen Veränderungen von Rolle zu Rolle. Oder alle Akteure in Weiß, wie zu einem Shakespeare-Spektakel in der Kulisse einer abendlichen Bundesgartenschau.

Wie so etwas erdacht und entworfen wird, zeigen die Figurinen von Marlis Knoblauchs Hand. Mal sind es detaillierte Handzeichnungen, zuweilen farbig, mal Collagen aus gedruckten Fotos mit Ergänzungen und jeweils mit den Anweisungen für die Schneiderei zur Stoffauswahl, Schnitten und Verarbeitungen.

Unter dem Titel GRENZENLOS sah Marlis Knoblauch viele Möglichkeiten und schreibt selbst „mein Titel fraumARThe´s läßt ja gottseidank/ leider auch alles zu, raum /art/ frau/ frau marthe (somit goethe)/ the/ um/ s/ au/ mart(märz)/ rau …“

Mehr als 50 Arbeiten und Exponate sind zu sehen. Zur Vernissage waren es sogar noch viel mehr, weil aus der Liebe zu Schmuck und Zutaten eine neue Profession entstanden ist: Marlis Knoblauch fertigt Schmuck, edle textile Taschen, Kissenbezüge und manches andere selbst und verkauft es gelegentlich.

Spiel-Welt

Bühnenbildentwürfe fertigt Marlis Knoblauch mit Zeichnungen und Modellen. In der Ausstellung allerdings sind nun etliche Materialcollagen zu sehen, die außerhalb von Regieteams und Inszenierungsaufträgen entstanden sind aus Ideen und Möglichkeiten, die sich ergaben, aber nicht benutzt worden. Angeregt von einem Gemälde Werner Tübkes, und das gibt Marlis Knoblauch sehr gern zu, hat sie den Wohnraum einer sizilianischen Großgrundbesitzerin projektiert. So wie sich in einem legendären Theaterstück Figuren einen Autor erträumen, lädt hier eine Spiel-Welt zur Weiterarbeit ein.

Neu ist bei Marlis Knoblauch das Live-Zeichnen am Veranstaltungsabend, womöglich mit Modell und Zeitlimit, und zu den Blättern fing sie noch an zu Dichten, was vor kurzem erst bei einem Theaterspektakel erfolgreich ausprobiert wurde. Text-Spiele und Wortwitze tauchten schon immer auf ihren Figurinen auf. Und waren auch bei der Gestaltung eines Kochbuches die Würze der Gerichte und Rezepte.

In Bielefeld hatte die Opernleitung den Mut zu einer besonderen Ausstattungsorgie: Im zweiten Akt stieg das Fest bei Orlovsky nicht nur auf der Bühne, sondern im ganzen Theater. Das Publikum schwärmte in die Foyers aus. Chor und Solisten mischten sich in ihren spektakulären Kostümen, die kongenial durch Masken und Frisuren von Ute Köring und Regina Krümpelmann ergänzt wurden, unter die Besucher.

Premiere eines Marktstandes: Marlis Knoblauch inmitten einer Theater-Welt zum Mitnehmen. Kostüme und Stoffe wurden zu Taschen und Kissenhüllen umgenutzt. Glitzer-Kram wurde zu edlem Schmuck für Hals und Ohr. Ostereier zeigen Charakter-Köpfe und Schwebende Engel finden die Welt lustig... Foto: Karsten Pietsch
Premiere eines Marktstandes: Marlis Knoblauch inmitten einer Theater-Welt zum Mitnehmen. Kostüme und Stoffe wurden zu Taschen und Kissenhüllen umgenutzt. Glitzer-Kram wurde zu edlem Schmuck für Hals und Ohr. Ostereier zeigen Charakter-Köpfe und Schwebende Engel finden die Welt lustig… Foto: Karsten Pietsch

„Die Gewänder sind üppig, detailverliebt, glamourös“, schrieb man in der Bielefelder Presse, „sie charakterisieren ihre Träger, drücken Sehnsüchte und Gegensätze aus. In einem einzigen Kostüm können gerüschte Seide auf Lack und Leder prallen, kann Verspieltes auf Strenges, Edles auf Grelles, Zugeknöpftes auf Freizügiges, Männliches auf Weibliches treffen. Und immer wieder schmücken Federn die Darsteller – als Applikation, Boa oder als pompöser Mantel, der seine Trägerin wie ein schönes, fremdartiges Tier aussehen lässt. Dank des gewagten Regie-Experiments von Helen Malkowsky sind die Zuschauer den schillernden Kreationen der freiberuflichen Kostüm- und Bühnenbilderin Knoblauch zum Staunen und Greifen nah. Eine sinnliche Begegnung. Für die inspirierende, geistreiche Augenweide verleihen wir Marlis Knoblauch den Stern der Woche.“

Miniaturwelt, Lebensweisheit und Hintersinn

Sogar das Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt hat sich 2011 eine Ausstellung Zauberhafte Märchenwelten von Marlis Knoblauch unter dem Titel „Frühstück unterm Eulenbaum“ ins Haus geholt und urteilte: „Einen Blick werfen auf die große weite Welt, die man realiter wohl niemals würde zu sehen bekommen, in utopische Gestalten und Geschehnisse eintauchen: Das war es, was die Guckkästen mit ihren bunten, teils bewegten und beleuchteten Darstellungen spätestens seit dem 18. Jahrhundert so beliebt hatte werden lassen. Marlis Knoblauchs Ausstellung im Museum für Thüringer Volkskunde Erfurt legt nun den Schluss nahe, dass die Faszination dieses Mediums bis heute ungebrochen ist.

Marlis Knoblauch ist ganz offensichtlich mit viel Herzblut bei der Sache, denn die Wirkung ist verblüffend: Kleine und auch ganz große, erwachsene, Betrachter lassen sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein auf die Reise in ihre Miniaturwelten, die von unbändiger Kreativität, vom Spiel mit Schönem und Skurrilem, von der Freude am Leben und der Kunst förmlich übersprudeln. Einen wohlwollend-amüsierten Blick auf unser Dasein offenbart Marlis Knoblauch, voller Lebensweisheit und Hintersinn.“

In diesem Sommer hat sie „Cats“ angezogen für eine Inszenierung in Koblenz. Ja, genau den Musical-Klassiker Andrew Lloyd Webbers „Cats“! Denn die Autoren und Verlage ließen etwas Neues zu, für kurze Zeit nur, dass die berühmten Musical-Katzen, die die Musiktheaterbranche verändert haben, neu inszeniert werden durften – und neu angezogen. Die Kostüme sind heute nicht hier, denn sie spielen ja in Kürze wieder in Koblenz. Erst nächstes Jahr wissen wir mehr über „Frau Luna“, Paul Linckes Alt-Berliner Operette, in der Leute „aus’m Kiez“ sich eine Reise zum Mond erträumen, wird demnächst erzählt: in Krefeld und Mönchengladbach, ja, … und die Sachsen sind mittenmang!

Arbeitskleidung

Ein Theaterkostüm – das ist ein Modellkleid und zugleich Arbeitskleidung. – Es soll den Sänger/Schauspieler nicht behindern und der muss sich im Notfall auch selbst befreien können. Die Kollektionsteile für ein Stück müssen zusammengehören, dürfen sich aber nicht zu sehr ähneln.

Die „zweite Haut“ des Menschen ist ein Lebens-Raum. Und so soll sie auch aussehen. Als Schneiderarbeit akkurat, als Textil beim Kauf erste Wahl, hat sich Abnutzung eingestellt. Bequemlichkeit oder steife Uniform. In der Schneiderei sagen sie: da hat jemand KUNST dran gemacht, wenn Risse hineingenäht werden, mit Spritzpistolen Schmutz aufgebracht wird, falsche Flicken eingesetzt und heimliche Verschlüsse angebracht werden.

Die Engel einmal extra ...Foto: Karsten Pietsch
Die Engel einmal extra …Foto: Karsten Pietsch

Denn das Kostüm muss kräftige Arme aushalten und rohe Kräfte abhalten, man muss drin ein bisschen schwitzen dürfen, man darf sich auf der Bühne erforderlichenfalls dreckig machen, etwa wenn Torfmull den Bühnenboden ziert. Und der Schmutz muss leicht entfernbar sein. Und auch beim Kostüm ist alles erlaubt, wenn es der künstlerischen Idee dient. Diese Ideen sind die des Inszenierungsteams.

Die Zeiten ändern sich: Nicht alles, was sie entworfen hat, kam auf die Bühne. Einem Intendanten ging es zu weit, dass eine Shakespeare-Figur als Domina mit Peitsche erscheinen soll, ausgerechnet im Stück mit dem Titel „Was ihr wollt“. Das ist lange her. Theater schießt eben über Gewohnheiten hinaus. In Koblenz hat Marlis Knoblauch letztens einen „Faust 1“ kostümiert, deren Hexenküchen-Ungetüme mit ausgestopft-betonten Körperteilen unter Theaterleuten wie Publikum für Furore sorgten.

Neuerdings experimentieren Mode-Designer wieder mit Trachtenmode, schöpfen aus Tradition, stabilen Materialien, sie wollen der Natur näher kommen… Tja, da können sie sich bei den Kostümbildnern was abgucken…

Karel Capek, der die Berufe am Theater ganz ernsthaft satirisch beschrieben hat, meinte in seinem Buch „Wie ein Theaterstück entsteht“: „Wenn denn wirklich Kleider   H e l d e n   machen, dann dürfen die Theaterschneider behaupten, dass sie es sind, die Schauspieler machen!“

“fraumARThe´s” – Marlis Knoblauch im Centro Monte Onore Ehrenberg, Lochmühlenstraße 8, 09648 Kriebstein, Tel. (034327) 58787. Bis 1. November 2015.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr, Sonntag 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr oder nach Vereinbarung.
Fortsetzung folgt: Arbeiten für die Bühne – Speziell Märchen, Operetten, Musicals. Vernissage geplant für den 11.09.2016

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