War da nicht so ein Geruch von Schwefel in der Luft, als Mutti die Linken gar nicht erst zum präsidialen Abendmahl bitten wollte? Eine Runde Flaschendrehen später etwas, was so mancher als raffinierten Trick der schnellsten Pirouettenkanzlerin der Ge(s)chichte sehen möchte. Wer die zusammengepressten Lippen gesehen hat, ahnt hingegen, dass schnelle Drehungen Schwindelgefühle und Druck hinter der Stirn auslösen können.

Nach dem finalen Ausritt des Häuptlings vom Stamme Nimm und Merkels Gnaden in die Weiten der freien Prärie und einem weggetretenem Ex-Banker nun also ein Ex-Pfaffe. Lammert wollte nicht, ARD und ZDF kann man auch als Bundestagspräsi Maß nehmen, Voßkuhle blieb dann doch lieber Bundesverfassungs-Präsi – angesichts der Gesetzesmurksereien ein wichtigerer Posten und Frau (nicht Claudia) Roth muss nun weiterhin in Frankfurt am Main urbane Großstadtkonflikte bei knapper Kassenlage lösen, statt befreit in der Welt herumzujetten.

Nun also ein Wahl-Wiedergänger, der so froh ist, die DDR losgeworden zu sein, dass ihm der Finanzkapitalismus offenbar vorkommt wie ein Kuschelsofa mit Zipfelkissen und Kordelrand. Von Protestkultur gegen die marodierenden Finanzströme der Welt hält er zumindest nix, sagt er, der Joachim, da ist er Realist. Alles ist schön so – nur mehr Verantwortung müssen wir alle übernehmen. Freiwillig natürlich – das wird leicht, vor allem für Finanzspekulanten. Heute war er erstmal überwältigt und mehr emotional denn bürgerlich bewegt. Aber damit hatte er ja eh nie soviel zu tun, wie heute einige glauben wollen.

Bewegt waren auch die ARD-Live-Bundesbürger angesichts des leicht hämischen Grimassierens von SPD-Sigmar und der gerade noch so in der Regierung verbliebenen FDP. Alle können sich nun gemeinsam mit den Grünen ob des Coups, der nichts anderes war als “und jetzt alle auf die Merkel” schon mal kurz fühlen, wie eine Versammlung zukünftiger Vizekanzler.

So glücklich nun die 50 Prozent Gauckfans im Land sein können, so sehr fragen sich die anderen, ob das Abendland jetzt gerettet und der unheilige Christian bald vergessen ist. Na bitte – ein Präsident macht doch noch kein Morgenrot und jede noch so schnelle Nominierung keinen frischen Wind allein.

Denn ab jetzt heißt es nach der nahezu sicheren Wahl im März: Gauck – schufte! Mach uns den Präsidenten – unauffällig würde schon genügen. Und sag bloß nichts zu wichtigen Themen, sonst fällt Mutti schlagartig wieder ein, dass sie erneut zu einer ihrer legendären Macht – Pirouetten gezwungen wurde. Und da kann sie ganz ungemütlich werden – frag den Horst, der Christian hat gerade keine Zeit, der sortiert noch Quittungen – vielleicht redet er ja mit dir über das Thema. So von Ex-Präsi zu Bald-Ex-Präsi. Gleiche Gehaltsstufen verbinden bekanntlich.

Und wo wir gerade bei Gehalt sind – gehalten hat sich Mutti auch diesmal wacker. Komme, explodiere, erwärme oder insolvenze was da wolle, sie dreht sich einfach einmal um und zack, ist sie wieder da. Es scheint, fast bis zum jüngsten Tag.

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