Ihr armen Irren. Was glaubt ihr eigentlich, wer Euch Arbeit, Brot und Wohnstatt gibt? Wir, die Reichen, die wir für diese Aufgabe Einschränkungen hinnehmen und in gated communitys leben müssen. Wer macht wohl die schönen Gesetze für Euch? Nun, Ihr ahnt es. Und was bitteschön soll immer dieses widerliche neuproletarisch-bürgerliche Mitmach-Getue?

Dafür haben wir die Polizei, Euch schon 1848 sauber vor die Wand laufen und ein paar in der Industrialisierung mitmachen lassen. Danach war’s aber auch mal langsam genug. Ach diese Wissenschaftler. Wen interessiert es, was sie über uns Reiche auf dieser Welt herausfinden. Wir seien gieriger als dieses sauber durchsozialisierte Unterschichtenpack? Na aber sicher doch – irgendwer muss doch die Ansagen machen, wollt Ihr doch so, ihr ängstlichen Analphabeten. Bildung bekommt Ihr in dem Maß, wie es der Wirtschaft dient – in Konsumtionszeiten halt nicht so viel.

Das müssen wir auch nicht mit einer Verfügungsmasse namens Bürger, sondern in der Atlantikbrücke, der INSM und einmal im Jahr bei der Bilderberg-Konferenz mit Euren gewählten Kommunikationsgestalten debattieren. Sagt Euch nicht viel – na da seht ihr, was ihr wisst.

Die, die es aufregt, dass wir eben mehr Freiheit, mehr Anwälte und mehr Zugang zur Legislative (ja, mal nachschlagen bitte) haben als Ihr Deppen, dürfen sich gern wirkungsfrei im Netz austoben. Den Rahmen legen wir ja gerade neu fest – nur für Euch, nicht dass Ihr noch durchdreht. Für den traurigen Rest Eurer Ergüsse haben wir Spezialisten für Persönlichkeitsrecht und einen gehörigen Teil der Medienmacht.

Und die, welche unserer Schicht angehören, lächeln über all das. Habt Ihr jetzt in einer amerikanischen “Studie” herausbekommen, dass Reichtum und Moral nicht zusammengehen? Es ist gelogen! Hier ist die Gegenstudie von Onkel Dr. Schnatterfisch zu Lohenfels. Sie war teuer, spricht von edlen Spenden, Hilfe, die wir leisten und Stiftungen, die wir gründen, also werden wir sie zitieren, bis Euch die Ohren qualmen. Es geht um höhere Moral – da gelten die Kleinigkeiten wie eine Steuerabrechnung oder ein Verkehrsdelikt mit Todesfolge nichts. Geklaute Doktorarbeiten? Geschenkt, das ist doch nur für Euch niedere Emporkömmlinge wichtig.

Denn wir haben Verantwortung. Für Euch, die ihr zu dumm seid, ein erfolgreiches Leben selbst zu gestalten. Deshalb arbeitet Ihr auf unseren Erbhöfen, in unseren Fabriken und Banken. Ja, Ihr seid so dämlich, dass ihr Euch am Abendbrottisch beklagt, aber zu Hause bleibt, wenn Ihr Druck ausüben könntet. Gegenüber Euren kompromisswilligen Gewerkschaften habt Ihr heute unwichtigen Respekt gelernt, nur weil wir in den 70ern mal kurz überrascht wurden.

Nun gibt es Euch als Nachtisch, wie schon in den wirklich guten feudalen Zeiten, in den Tarifverhandlungen als Bückware unterm Tisch durchgeschoben. Was also für ein erbärmliches Gehampel, wenn gerade Ihr Euch empört. Die Parteien gehören uns, was Ihr da wählt, ist die Illusion, die wir bezahlen. Wenn Ihr also im Bus ganz hinten sitzt, sitzt ihr richtig. Nur wer denkt, lenkt. Oder war es anders herum. Wen interessierts.

Das bisschen Kohle, morgen den Betonzaun um unsere Häuser etwas höher zu ziehen, haben wir und den Sicherheitsdienst um unsere Wohnburgen zu zahlen, ist uns ein Vergnügen. Und wenn unser Geld, für das Ihr arbeitet, für unsere Straßen und Flugplätze nicht mehr reicht, kaufen wir uns einen Landrover und gehen auf Entdeckungstour durch Eure Welt.

Und die Moral von der Geschicht ist Moralverzicht. Und dafür muss man nicht mal das Markus-Evangelium vom Kamel und dem Nadelöhr zum Himmel zitieren. Was ist schon reich? Ihr jedenfalls werdet es nie erfahren. Und was geht uns der Himmel an. Übrigens eine unserer besseren Ideen. Den haben wir nur für Euch erfunden, damit Ihr beim Sterben noch einen schönen Gedanken habt.

Eure Ilse von Schnickenfittich (alter Geldadel mit Nicht-Enteignungsgarantie)

Die verlogene Presse, die Unwahrheiten über uns verbreitet

www.tagesspiegel.de

Ansicht vergrößern

Präsentiert von:

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar