Es gab mal Zeiten, da verkauften Priester den Sonnenuntergang als ihre Leistung. Eine Sonnenfinsternis gab es für die obendrauf, die nicht an eben diese Macht glauben wollten. Schon seltsam, dass es heute immer noch Priester gibt und falsche Propheten noch dazu. Aber ihre erbärmliche Existenz allein wäre ja noch keine Antwort auf die Frage nach der Freiheit.

Mich gruselt nicht. Wie kann ich das gruseln lernen? Nun, man stelle sich eine Welt vor, in der es keine natürlichen und so auch keine menschlichen Gesetze mehr gibt. Jeder tut, was er tut und dass vor allem zum Nachteil des Anderen. Gut, die meisten wären wohl ziviler, als in solchen Szenarien ständig unterstellt – aber versuchen wir mal eine Umkehrung der aktuellen Bilder.

Das beste Sittengemälde dann ist wohl immer, zu beschreiben, wie es wohl aussähe, würde so ein Finanzmarktsüchtiger voller Freiheit auf einmal jemandem mit einem handfesten Knüppel in der Hand gegenüber stehen. Beide sind frei – der eine hat sich kaum darum gesorgt, dass es kaum noch soziale Leistungen gibt und der andere ist in dieser Welt aufgewachsen.

Und der Aufgewachsene sagt “Finanztransaktionssteuer” oder Kopfschlag.

Billiges Bild? Ja. Unmöglich? Nein.

Glaubt noch jemand an das Märchen, dass eine Steuer auf reine Finanzspekulationen ohne reale Warenbewegung samt unappetitlichem Rest einen Sparkassenkunden wirklich ernsthaft treffen würde? Mit den paar Groschen wär es ihm vielleicht sogar im Zweifel egal, dass seine Bank an Waffengeschäften verdient. Denn wo Geld Geld verdient, ist kein Mensch mehr dazwischen.

Aber treffen? Treffen würde es ihn wohl nicht. Auch wenn die, welche scheinbar soviel zu verlieren haben, bei 0,1 oder 0,5 Prozent aufjaulen. Er zahlt 19 – bei jedem Einkauf – und scheint immer noch nicht bereit zu sein, gleiches Recht für alle einzufordern.

Finanzmärkte sind nämlich frei. Frei von Verantwortung, frei von Überlegung und frei von täglicher Abgabe. Wie einst die Priester, als schon damals das Essen ohne Gegenleistung in den Tempel kam. Nur das mit der Sonnenfinsternis, das haben ihnen Galileo und Keppler mittlerweile gehörig versalzen.

Zeit, sich zu gruseln.

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