Ich bin ja hier der Werbefachmann geworden in der Bande. Ein schräges Plakat in der Stadt - schon heißt es: Leo, kannst du mal? - Leo kann immer. Zumindest seinen Senf dazu geben. Und Weihnachten ist Senfzeit. Auch wenn wir hier erst 75 Mal über Senf geschrieben haben. Auch ein Herr Senf spielt dabei eine Rolle. Oft war es auch sprichwörtlicher Senf. Diesmal: Leipziger Stollen.

Die bekam einer unserer fixen Jungs aus der Sportabteilung zugesandt. Als Weihnachts-Spaß. Oder wie nennt man das heute? Jahres-Ausklangs-Vertrösterli? Winter-Freundschafts-Gruß? Pausen-Überbrückungs-Spaß? – Wenn ich so meine Weihnachtspost beschaue, seh ich zumindest, dass die Meisten mir zwar alles Gute wünschen, aber auch nebbisch froh sind, mal für eine Woche aus der Schusslinie zu kommen. Keine blöden Anrufe von Leo Leu, der wissen will, welcher Geschäftsführer nun gerade im Knast sitzt oder warum die Versorgung – sagen wir mal: mit gezuckerten und himbeermarmeladegefüllten Pfannkuchen dieses Jahr so unverlässlich war.

Es lag an den Himbeeren, meinte ja die junge Dame am Tresen, die mit mir seit neulich verzankt ist.

Aber vielleicht lag’s auch an der kleinen Verstimmung. Keine Ahnung.

Verstimmungen gehören zum Alltag. Alle Welt will eigentlich nur noch schön erzählt werden. Diverse von uns hochbezahlte Mitmenschen legen Wert darauf, dass man ihre unsinnigen Beschlüsse lobpreist. Andere verwahren sich strikt dagegen, einen Protzbau als Steuergeldverblasung bezeichnet zu sehen. Die nächsten meinen es allerwege gut mit uns, wenn sie irgendwelchen Haifischen unsere Teiche zum Baden anbieten. Oder zum Motorbootfahren, um mal so ein knatterndes Beispiel zu nennen. Und wenn Leo anruft, dann ist das gar nicht so gemeint: “Aber Sie können doch jederzeit mit Ihrem Faltboot einsteigen, wo sie wollen, Herr Leu!”

Klaro, kann ich. Und an der nächsten Biegung werde ich vom einem fröhlichen Steamboat-Kapitän unter die Wasserlinie gedrückt. Freu ich mich drauf. Kann ja schwimmen.

Und was soll ich mit deinem Stollen, frag ich den Knirps, der bei uns über die eine von den 87 bunten Herren-Dribbel-Vereinigungen in Leipzig schreibt. Eben hat er noch die Pelle abgewickelt und mit der Verklebung gekämpft. Merke: Je pfiffiger die Weihnachtsideen, umso robuster die Verpackung. Groß ist der Stollen ja nicht, den er da auswickelt, auch wenn die Verpackung schön weihnachtlich ist, mit winterlichem Weihnachtsmarkt und Gütesiegel “Extra hart”.

Ich glaub, das ist nichts für mich, sagt er.Schüttel mal, sag ich.

Macht er nicht, ist zu gefährlich. Aber das Sprengkommando wollen wir auch nicht rufen. Das Päckchen tickt ja nicht. Was ja bekanntlich nichts heißen will. Könnte ja auch eine Glühbirne drin sein. Die werden ja heuert gern verschenkt. Aber mit dem Hammer wollen wir auch nicht draufhaun. Also kniepeln wir und zerren das Styropor aus seiner Hülle. Bis der Stollen vor uns liegt in seiner Pracht.

Die Stollen. Original Leipziger Stollen, wie es drauf steht. Der Witz kommt gleich. Wenn Leo ins Spiel kommt, wird auch das Kleingedruckte gelesen. Da kann zehn Mal “Original Leipziger Stollen” draufstehn. Ich höre richtig, wie man sich vor Freude auf die Schenkel geklopft hat in der Trainerkabine. Wo ja bekanntlich der Humor besonders irdisch ist. Der Greenkeeper weiß das. “Die Einen lieben sie. Die Anderen beißen sich daran die Zähne aus”, steht noch drauf.

Drinnen auf der kleinen Packung in der großen Packung steckt natürlich kein Wecker und keine Glühbirne. “16 Pieces” steht oben in der Ecke. Material: 100 % Aluminium. Stollen eben. Und damit der Dribbel-Künstler weiß, wo er sie reindrehn muss, ist extra ein Bildchen dran: die 13er kommen unter den Fußballen, die 16er unter den Hacken. Da fällt der Junge nicht gleich um, wenn der Ball geflogen kommt. Und wenn er ihn hat, kann er gleich loslaufen. Auch bei nassem Rasen.

Und wo werden die “Original Leipziger Stollen” produziert?

Da, wo alles Original Leipziger hergestellt wird (außer die Lerchen): “Made in Indonesia.”

Und wenn Sie jetzt so einen Verdacht haben wie ich, schauen Sie einfach unter den Weihnachtsbaum. Im Kleingedruckten steht es. Und wenn es nicht da steht, können Sie sicher sein, dass das Geschenk nicht einmal 90 Minuten durchhält. Wie die meistens schönen Dinge, die weihnachtens unterm Baum liegen. Und neujahrs in der gelben Tonne.

Aber ich bekomme ja sechs extra-feine Himbeer-Pfannkuchen. Hat sie mir versprochen. Irgendwann ist auch das Schmollen genug. Spätestens heiligabends.

Findet zumindest

Euer Leo

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