Wagners Jubel-Jahr ist vorüber. Ein Jahr lang feierten Tourismus-Verkäufer seinen 200. Geburtstag. Wie Richard Wagner und Festspielhaus-Architekt Otto Brückwald Leipziger sind, so sind sie auch Sachsen, und im Marketingbedarfsfall Franken und - ja - auch Bayern.

Leipzigs Salvator-Starkbierproben-Fastenprediger Barnabas, saisonbedingt nur einen Abend jährlich werktätig, zur Salvator-Starkbierprobe im Hause Paulaner in der Klostergasse, wies in seiner Fastenpredigt anno 2013 auf eine grobe Vernachlässigung der Richard-Wagner-Forschung hin. Woher Richard seine Mythen habe. Die nämlich mit der Taufe über ihn kamen.

Den Interpretations- und Erfindungsbemühungen global tätig sein wollender Regie-Stars der Musiktheaterbühnen muss man keinen Vorwurf machen. Eine vertane Möglichkeit war es schon.

Richard, geboren am Leipziger Brühl
Es geht nicht um die musische Tradition der Nachbarbauten des Geburtshauses am Brühl. Als da wären aus früheren Zeiten der Auftrittsort der Neuberschen Schauspieltruppe, das Aufführungslokal des Großen Concerts, das kaffeerundengesellige Romanushaus, und Leipzigs erstes – hölzernes – Opernhaus oder das öffentliche Badehaus der Familie Lotter an der Rannischen Bastei.

Der Brunnen an sich – ist das Taufbecken. Richards Taufe in St. Thomas zu Leipzig im Jahr 1813, wenn auch die Daten in seinen Erinnerungen, 24. Mai, und die Eintragung im Taufregister, 16. August, abweichen, gar die Vaterschaft von Friedrich Wagner zwar angezweifelt, und Hausfreund Ludwig Geyer verdächtigt wird, aber wissenschaftlich und genetisch nicht untersucht wurde. Ausnahmsweise genüge hier der Hinweis, dass Richard – den Nachnamen des neuen Gatten der Mutter “Geyer” tragend – Ludwig als Vater ansah. Und ebenso provokant ist das Argument, dass beide, belassen wir es bei dem Begriff “Verdächtigen” künstlerische, schauspielerische Ambitionen hatten. Theateraufführungen in der Schneider-Herberge am Thomaskirchhof sind dafür ein Ort, der nicht mehr auffindbar ist.

Eben jener Kirchhof, in dessen Taufbecken Richard von der Kirche in Empfang genommen wurde. Damals 1813, stand die Thomasschule noch am Ort, an dem später für die Superintendentur mit dem Pfarrhaus gebaut wurde. Blickt man über die Zeiten und die Bauepochen hinweg, ergeben sich merkwürdige Verbindungen.

Minnesänger Heinrich

Um 1220 starb im Augustiner-Chorherrenstift St. Thomas Heinrich, einstiger Minnesänger, genannt von Morungen. In Wagners-Wartburg-Welt wird Heinrich Tannhäuser Furore machen. Morungens Grab ist im einstigen Kreuzgang verbürgt, Richtung Klostergasse, nicht da, wo sich jetzt der Gedenkstein in der Mauer am Dittrichring befindet, die zur WC-Anlage führt.

Am Ring und an der Ecke Thomasgasse gelegene Grünflächen mit Architektur-Fragmenten, früher mag dort die Thomasschulen-Köchin Gemüse und Kräuter geerntet haben, als Vorbild für Klingsors Zaubergarten in “Parsifal” zu deuten ist nicht verwegen.

Lindwurm

Warum seit 400 Jahren ein Grundstück am Thomaskirchhof den Namen “Zum Lindwurm” trägt, ist naheliegend. Drachentöter Georg war Namenspatron für das Spital, dass in der Gründungsurkunde von 1212 erwähnt ist, auf die sich auch Thomaskloster, -kirche und Thomanerchor berufen. Wenn sich auch das Hospital an anderen Orten befand. Nun, als modernes Hotel, führt das Haus nicht mehr den an der Fassade verzeichneten Namen “Zum Lindwurm”, sondern den sinnfälligeren Titel “Arcona Living Bach”.

Zwar stand in Richards Geburtsjahr ein anderes Gebäude an der Ecke Thomaskirchhof/Burgstraße, den Apotheker Johannes Ralla gab es schon im 16. Jahrhundert in Richtung Petersstraße. Die Anwesenheit der einstigen Centralapotheke als Apothekenmuseum sowie Restaurant nebst dem Sitz des Sächsischen Apothekerverbandes, bringt Brangänes Reiseapotheke in Reichweite, in der man einen Liebes- mit einem Todestrank verwechseln konnte. Wann immer in Richards Werk Getränke verabreicht werden, ist meistens Gefahr im Verzuge, Schlaf naht oder Gefühlswandel…

Wenig Phantasie ist nötig, um sich vorzustellen, dass Richard als Kind, oder – später wieder in Leipzig – als Musikschüler, -student, jungem Textdichter und Komponisten schon Schwäne auf dem Pleißemühlgraben erschienen sein können.

Gerade kommen Bewegung und Bürgerentscheid in die Frage der künftigen Gewässernutzung auf – darf es Hausboote geben, Vergnügungsfahrten mit Kunststoffschwänen? Haben natürliche Schwäne eine Daseinsberechtigung? (Erfahrungen und sensiblen Umgang mit einem brütenden Eisvogelpärchen hat die Stadt Leipzig bereits unter Beweis gestellt.)

Richard lässt Leipzig noch immer auf “Leubald” warten

Wagners Motivation, das Komponieren erlernen zu wollen, war nach seiner Erinnerung der sehnlichste Wunsch, das Drama “Leubald und Adelaide” zu vertonen . Er wird den Plan leider aufgeben. Die Studiobühne Bayreuth füllte später das gekürzte Libretto mit Musikzitaten aus anderen Wagner-Werken am Solo-Piano auf, und vollendete das imposante Fragment auf geniale Weise. Leipzig freilich, wartet noch immer auf “Leubald und Adelaide”.

Johann Sebastian Bach, Thomaskantor, sein Thomanerchor und Musik an St. Thomas sind dem kleinen Richard normaler Lehrstoff und Alltag gewesen. Seine Mutter und seine Schwester werden auf dem Alten Johannisfriedhof beerdigt, auf dem einst auch Thomaskantor Johann Sebastian Bach die letzte Ruhe fand. Seine erste letzte Ruhe, vor der Gruft an St. Johannis und der Gruft in St. Thomas.

Aber während Leipzig auf “Leubald” wartet, sind die anderen Wagner-Helden alle schon da und im Stadtbild zu besichtigen.

Mehr dazu in Teil 2 auf L-IZ.de
Richard Wagners Werk – ein Jungbrunnen Leipziger Mythologie: Leipzig ein einzig’ Wagner-Hain (2)

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