Von Willie Wildgrube: Liebe LIZ-Redaktion, ich freue mich, dass ihr drei Parteien, die nicht im Sächsischen Landtag vertreten sind, die Gelegenheit gebt, am Podium für die bevorstehende Wahl teilzunehmen. Zu begrüßen ist um so mehr, dass ihr darüber hinaus die rechtsradikale, aber mangels Verbot immer noch "demokratische" NPD außen vor lasst. Dafür Danke! Aber ich bin auch enttäuscht. Nicht so sehr darüber, dass ihr die AfD einladet - das hätte mir auch passieren können -, aber darüber, dass ihr berechtigter Kritik mit so vollständiger Ignoranz begegnet, dass ihr deren Absenderin eine de facto Absage erteilt.

Schon im dritten Satz eurer “Antwort” auf Juliane Nagels Kritik zeigt ihr eure umfassende Abwehrhaltung, indem ihr euch auf eine schwammige “Rechtslastigkeit der sächsischen AfD” zurückzieht. “Rechtspopulismus” ist hier das mindestens treffende Wort, das ich euch durchaus als journalistische Meinung zugetraut hätte.

Im selben Satz behauptet ihr, dass “eben dieser Vorwurf gegenüber Roland Ulbrich nicht erkennbar war” und wiederholt weiter unten, dass der Kandidat der AfD “in der Öffentlichkeit bislang nicht rassistisch oder menschenfeindlich” aufgefallen sei. Wenn ich mir aber den öffentlich einsehbaren Teil der Facebook-Timeline von Roland Ulbrich ansehe, finde ich dort immer wieder positive Bezugnahmen zur politisch Rechten. Zum Beispiel feiert er Jürgen Elsässer, der sogar von der konservativen “Die Welt” als politischer Querfrontler bezeichnet wird und als strenger Anti-Islamist und Schwulen-/Lesben-Hasser gilt.

Am 27. März 2014 – also vor weniger als fünf Monaten – hatte Ulbrich mit “Wenn die AfD Herrn Nolte irgendetwas tun sollte […]” seine Gegnerschaft zum Kurs des AfD-Bundesvorstandes und für den Burschenschafter Benjamin Nolte öffentlich postuliert. Dieser hatte sich deutlich rassistisch geäußert und war deswegen (sogar) aus dem Jugendverband der AfD ausgeschlossen worden.

Dass ihr das alles nicht immer sofort recherchieren könnt, will ich nach zwei vollen Tagen bis zu eurer Antwort auf die Pressemitteilung nicht gelten lassen. Was habt ihr in dieser Zeit gemacht? Argumente gesucht? Dann wart ihr nicht gut beim Finden. Oder ihr habt in die falsche Richtung gesucht.

Ihr konntet euch der Versuchung nicht entziehen, Juliane Nagel unterschwellig zu diskreditieren. Was soll “die derzeitige Stadträtin” im letzten Absatz sonst bedeuten? Ich lese das als Verweis auf die (richtigerweise) temporäre Position dieses Amtes. Eine Kritik daran hörte ich bisherig aber nur aus weit rechts abgeschlagenen Kreisen. In euren zurückliegenden Artikeln finde ich ähnliche Formulierungen (z. B. “derzeitige Fraktionsvorsitzende”, “derzeitiger Stadtrat”, “derzeitiger Oberbürgermeister”) allerdings nicht. – Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Ich würde mich freuen, wenn ihr Rückgrat bei der Bewertung der persönlichen Teilnahme am Wahlpodium zeigt und nach den überdeutlichen Hinweisen den zumindest “rechtslastigen” (eure Formulierung) AfD-ler ausladet.

Danke! Willie Wildgrube

Nachtrag des Lesers vom 15. August 2014

Ich hatte mich kurz vor Absenden dazu entschieden, meinen Text drastisch zu kürzen. Dabei hatte ich offensichtlich Textteile falsch zusammengesetzt. Die Aussage, Benjamin Nolte sei “aus dem Jugendverband der AfD ausgeschlossen worden”, ist schlicht falsch. Er ist aus dem Bundesvorstand der Jungen Alternative zurückgetreten.

In der Meldung zu seinem Rücktritt fühlte sich die JA dazu genötigt, sich einerseits von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu distanzieren, andererseits bescheinigt sie, dass “Benjamin Nolte sich in der Jungen Alternative nie … rassistisch” geäußert hätte.

Diese Einschränkung auf das Wirken in der JA bzw. die Zeit der Mitgliedschaft kann ich angesichts des kurzen Bestehens des Vereins nur als Feigenblättchen bezeichnen.

Der Teil zum Ausschluss bezog sich ursprünglich auf einen Facebook-Post von Herrn Ulbrich vom 15. April 2014, in dem er positiv auf Sören Oltersdorf Bezug nimmt, der als AfD-Vorstand und Stadtratskandidat in Dresden am “Europakongress” der JN/NPD teilgenommen hatte und gegen den ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet wurde.
Vielen Dank für diesen Leserbrief, gibt er die Gelegenheit, die aufgeworfenen Fragen auszudiskutieren. Dass die L-IZ außer Verdacht steht, rechtsradikalen Strömungen Vorschub zu leisten, dürfte in den vergangenen 10 Jahren deutlich geworden sein. Immer wieder sind wir deshalb auch Ziel wütender Attacken von Neonazis gewesen. Ebenso dürfte unsere tägliche Arbeit bislang weitgehend belegen, dass unsere Redaktion nicht zu “Schnellschüssen” oder Ignoranz neigt, wie auch diese Antwort zeigen könnte. Selbstredend haben wir also verstanden, was sich da derzeit abspielt – es ist Wahlkampf. Deshalb übrigens “derzeitige” Stadträtin – sie bewirbt sich auf ein sächsisches Landtagsmandat und wir zumindest finden aufgrund jahrelanger Befassung mit der Arbeit der Stadträte Doppelmandatierungen wenig produktiv für die wichtigen Aufgaben im Stadtrat Leipzigs. Aber wir verstehen, dass man – wenn auch entfernter – diese Formulierung missverstehen konnte.

Zum inhaltlichen Dissens: Wir sind als einladende Zeitung zum Wahlpodium Süd nicht in der Aufgabe, Wahlkampf zu machen, sondern möglichst weitreichend und tiefgehend zu berichten und Raum für Debatten zu bieten. Dabei sind wir bereit, uns mit allen demokratischen Positionen kritisch auseinanderzusetzen. Auch damit, ob Positionierungen noch im demokratischen Spektrum Platz haben oder nicht. Entscheiden muss am Ende der Wähler oder, wenn es ganz rüde zugeht, im Zweifel staatliche Behörden bezüglich der Verfassungskonformität einzelner politischer Strömungen. Diese inhaltliche Auseinandersetzung geschieht gerade im Vorfeld unserer Veranstaltung ebenso, wie auf ihr selbst und folgend.

Dabei sollte man möglichst exakt in der Beschreibung auch der Kandidaten und der politischen Haltungen bleiben. Oder wäre es gerechtfertigt, Juliane Nagel alle Positionen, Handlungen und Äußerungen ihrer Umgebung, ihrer Partei zu jedem Thema anzuhängen und so aus ihr als Person auf einmal die komplette linke Bewegung in Deutschland zu machen? Wir denken, nein.

Die eigene Haltung von Kandidaten ist letztlich immer konkret und genau diese kann man hinterfragen, wie auch die Richtung der jeweiligen Partei, bei noch weitgehend unbekannten Kandidaten erst recht. Der Rest ist Andeutungs- und Tendenzjournalismus, Rückzug aus dem Diskurs oder eben auch einfach feige. Flucht oder Selbstschutz ist im Angesicht unlösbarer Gewaltgefahr manchmal der richtige Weg, hier nicht.

Sie fordern nun die Ausladung eines nominierten Kandidaten einer zur Landtagswahl zugelassenen Partei durch eine demokratische Zeitung. Dieses Ansinnen könnte sich als wenig konstruktiv herausstellen, von angeblichem “Gesinnungsterror”, welcher von “Systemparteien” und “Systemmedien” ausgeht, ist in den letzten Jahren schon zu oft und oft genug auch zu Unrecht gesprochen worden.

In der Frage der Podiumsbesetzung möchten wir also gern unsere Haltung nochmals darlegen. Ein Ausweichen in dieser Debatte um die Haltungen der AfD ist falsch und zudem kontraproduktiv für Wähler, Demokratie und Erkenntnisgewinn. Dabei möchten wir auch auf den bisherigen Umgang mit der AfD verweisen und ihre erreichten Wahlerfolge trotz oder vielleicht sogar gerade wegen fehlender Auseinandersetzung bei Kommunal- und Europawahlen erwähnen.

Zum zeitlichen Ablauf.

Den Kommentar auf ihrem eigenen Blog hatte Frau Nagel am 11. August inklusive der Rückzugsandeutungen unter dem Titel “Mit einem Rechtsaußen-Vertreter einer rechtsaußen-Partei auf einem Podium?” veröffentlicht. Dies haben wir am 12. August zur Kenntnis nehmen müssen und daraufhin am 13. August den vorliegenden Artikel mit allen Informationen von Frau Nagel und Frau Köditz (Linke) tagesaktuell veröffentlicht. Es handelte sich also nicht um “zwei volle Tage”, eher um 12 Stunden, wobei der Text noch in der gesamten Redaktion abgestimmt werden musste. Der Ablauf bewegt sich also im üblichen Zeitraster einer Tageszeitung.

Auch haben wir in der kurzen Zeit versucht, an einer Lösung der Frage zu arbeiten und uns weitergehend erkundigt. Auch, um die Informationen in unsere Veranstaltungsfragen für den Montag einfließen zu lassen. Eine Positionierung vorab hat Frau Nagel in ihrem Beitrag unternommen und ihre sächsische Parteikollegin Kerstin Köditz ebenso. Alles im Artikel zu diesem Leserbrief nachzulesen oder verlinkt. Die Kommentierung zu einem ähnlichen Thema seitens eines weiteren Landtagskandidaten wird noch heute auf der L-IZ.de erscheinen.

Trotz der Bedenken, die Frau Nagel hegt, gehen wir davon aus, dass sie als Demokratin und gewähltes Mitglied des Leipziger Stadtrates mit zukünftig vier Leipziger AfD-Vertretern auch an unserer Veranstaltung teilnehmen wird. Nicht zuletzt, da wir ihre Auseinandersetzungsstärke schätzen und mit ihrem Rückzug auch heute nicht wirklich rechnen.

Dabei unterstellen wir Frau Nagel nichts, doch sie selbst hat bedauerlicherweise am 11. August von der geringen Lust geschrieben, sich mit Herrn Ulbrich auf ein Podium zu setzen. Uns, als Veranstalter des Podiums, hat sie dazu weder telefonisch oder schriftlich abgesagt. Weshalb wir selbstredend von einer Teilnahme ihrerseits weiterhin ausgehen, ebenso wie der von Herrn Ulbrich. Von einer “defacto”-Absage unserer Zeitung kann also keine Rede sein, es sei denn, Frau Nagel verknüpft ihr Kommen oder Fernbleiben mit der Anwesenheit anderer Kandidaten auf dem Podium.

Dennoch haben wir ihre Bedenken zur Kenntnis genommen, darüber intern beraten und unser Bedauern über diese Überlegungen ebenso formuliert, wie auch, dass wir als Einladender zu einem Gespräch einen eventuellen Rückzug eines Gesprächsteilnehmers letztlich nicht verhindern können. Doch diese Entscheidung treffen nicht wir, sondern der oder die jeweilige Kandidat/in.

Dies unterliegt der einfachen Logik von Einladungen und dem Willen eines Gastes, zu kommen oder dies nicht zu tun. Die These vom fehlenden “Rückgrat” würde dabei übrigens zutreffen, wenn wir nun beginnen würden, einzelne Kandidaten auszuladen oder hier eine Debatte führen, wer denn nun kommen darf und wer nicht. Vielleicht möchten ja noch weitere Kandidaten mit noch jemand Anderem nicht auf dem Podium sitzen oder haben spezielle Vorstellungen über die Verteilung der Redezeiten? Absagen aus wahltaktischen Überlegungen gibt es zudem so lange, wie es Diskussionsformate gibt.

Wir würden uns also freuen, wenn Frau Nagel unserem Medium auch weiterhin zutraut, einen geordneten Diskurs zu mehreren Fragen mit allen angekündigten Kandidaten zu veranstalten. Dabei wissen wir auch, dass Wahlkampfzeiten immer hektisch sind. Dies berechnen wir derzeit bei den schriftlichen wie mündlichen Statements aller Kandidaten ebenso mit ein, wie bei Leserbriefen oder Kommentaren, die uns oder Politiker betreffen. Auch aus Respekt vor den Kandidaten und den Aufgaben, welche sie sich im Wahlkampf und in zukünftigen Ämtern aufzubürden bereit sind.

Zum Artikel vom 13. August 2014 auf L-IZ.de

L-IZ-Wahlpodium am 18. August: Zwischen allen Stühlen?

Zum Artikel vom 10. August 2014 auf L-IZ.de

Das “Wahlpodium Süd” der L-IZ.de zur Landtagswahl am 31. August 2014

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