Leserbrief von Gunnar Schuetzenduebe: Vor zehn Jahren floh ich aus einer Region, in der es für mich keine Perspektiven gab. Nicht nur die wirtschaftliche Lage war katastrophal, sondern auch die politische. Denn aufgrund der schlechten Bedingungen kam es zu Radikalisierungen nicht weniger und diese Springer bestiefelten und Bomber bejackten machten den letzten normal denkenden Menschen das Leben schwer.

Kurz, die Gesamtsituation beschert dieser Region seit gut 25 Jahren einen Bevölkerungsschwund, der bis heute anhält. Das war dann auch für mich, nach langer Treue zur diesem Land, der Grund zu flüchten. Angekommen im beschaulichen Leipzig stellte ich fest, dass die Welt tatsächlich noch etwas zu bieten hat. Weltoffen, tolerant und bunt. So präsentierte sich meine neue Heimat und meine Eindrücke, die ich als Tourist in früheren Jahren erleben durfte, wurden bestätigt.

Das Land aus dem ich floh, nennt sich Mansfelder Land und wird den wenigsten hier ein Begriff sein. Obwohl dort solch große Persönlichkeiten wie Martin Luther und Elsterglanz herkommen.

Doch nun sehe ich eine Entwicklung, die mich irgendwie beunruhigt.

Menschen treffen sich vorrangig an Montagen und skandieren ähnliches wie in meiner alten Heimat. Auch hier sind das nur eine Hand voll, doch sie benehmen sich so, als wären sie zwei Hände voll. Auch das ist mir aus meiner alten Heimat bekannt, denn anscheinend ist es eine Gesetzmäßigkeit, dass sich solche nicht so richtig mit Zahlen und Fakten auskennen.

Sie gehen regelmäßig auf die Straße, um ihre Meinung zu äußern und um zu beanstanden, dass man seine Meinung nicht mehr äußern kann. Und weil die freie Meinungsäußerung ein hohes Gut ist, wird jeder Demonstrant von mindestens 5 Polizisten bewacht, damit ihnen kein Schaden zugefügt werden kann.

Mich als Wirtschaftsflüchtling beunruhigt das. Denn ich war bis dato immer der Meinung, dass man dort seine Freiheiten verliert, wo man die eines anderen einschränkt. Auch die Tatsache, dass solche Güter wie die Solidarische Gemeinschaft und Humanismus erhalten und bewahrt werden sollten. Aber wenn die nicht mehr Bestandteil unseres Abendlandes sind, was wollen denn diese Retter des Abendlandes eigentlich retten? Ich als Ausländer sehe das natürlich aus meiner ganz eigenen Perspektive. Denn ich bin der Meinung, dass diese Menschen, die sich jeden Montag daran erinnern müssen, was sie letzten Montag zu hören bekommen haben, gar nicht mit den Flüchtlingen unzufrieden sind oder sogar mit der Regierung dieses Landes. Sie sind offensichtlich mit sich selbst unzufrieden und weil nun aber genau das sich niemand gern selbst eingesteht, sucht man sich einen Blitzableiter. Am besten einen, dem es noch viel schlechter geht.

Ich überlege derweil schon, wieder zurück in meine alte Heimat zu gehen. Da gibt es mittlerweile so wenig Menschen, dass man sich den Wohnraum aussuchen kann und so viele Arbeitsplätze findet, dass man damit halb Europa versorgen könnte. Ich hatte auch schon erwägt, mich dort als Präsident zu bewerben, aber da ich nicht in diesem Land geboren wurde, ist das leider nicht möglich.

So bleibt mir nur die Hoffnung, dass es in naher Zukunft bestimmt irgendwann einmal besser wird. Noch besser wäre natürlich, wenn genau das auch noch ein paar andere wollen. Und wenn jeder, der eine etwas naive aber gute Idee als naiv aber gut betitelt auch mitmachen würde, dann wären wir schon ein paar mehr. Aber auch das ist dann wohl doch ein wenig zu naiv……aber, das muss man zugeben, gut!

MfG
Ein fast perfekt integrierter Wirtschaftsflüchtling

Es gibt 2 Kommentare

Sehr schön geschrieben, das triffts genau.
Also ich würd mich freuen wenn sie hierbleiben, sie können uns doch nicht mit den ganzen Besorgten allein lassen.

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