Die heute vorgestellten Ergebnissen der Unabhängigen Expertenkommission im Fall Al-Bakr bewerten Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher, und Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, wie folgt: Valentin Lippmann erklärt zu den Feststellungen „erheblicher Fehler“, die die Expertenkommission der sächsischen Polizei vorwirft: „Die Kommission zeichnet ein verheerendes Bild von der Fähigkeit der sächsischen Polizei, einen islamistischen Selbstmordattentäter festzunehmen.“

„Dabei war das Agieren der sächsischen Beamten bei der versuchten Festnahme Al-Bakrs offenbar ein weitgehender Totalausfall auf allen Ebenen. Der für die Festnahme zuständige Polizeiführer hat die Lage nicht als Terrorlage eingeschätzt und damit den Grundstein für eine falsche Einsatztaktik gelegt. Für die von der Untersuchungskommission festgestellte Unfähigkeit des Landeskriminalamtes (LKA) der Lage entsprechend einen funktionsfähigen Führungsstab einzurichten, trägt sowohl der Chef des LKAs, Dr.  Jörg Michaelis als auch Innenminister Markus Ulbig die volle Verantwortung. Eine Polizeibehörde, die personell und strukturell nicht in der Lage ist, einen solchen Einsatz in einer Anschlagssituation sachgerecht durchzuführen, muss von Grund auf neu aufgestellt werden. Hier erwarte ich von Innenminister Markus Ulbig eine klare Benennung der Verantwortung und Maßnahmen zur Herstellung der Funktionsfähigkeit seiner Behörden.“

„Ich erwarte außerdem, dass sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich für eine Aufhebung der Geheimhaltung des Untersuchungsberichtes einsetzt. Es ist der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, dass solch ein – hinsichtlich seiner festgestellten Fehler von sächsischen und anderen Behörden – brisanter Bericht nicht öffentlich zugänglich ist. Nur mit einer breiten Debatte zu den getroffenen Feststellungen ist es möglich, die personellen und strukturellen Defizite insbesondere im Bereich der Polizei abzustellen. Es ist der Staatsregierung unbenommen, zumindest jene Teile des Berichtes, die ausschließlich Informationen und Handeln Sächsischer Behörden betreffen, unverzüglich freizugeben. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, mehr als nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu erfahren.“

Katja Meier stellt zum Umgang der JVA Leipzig mit dem Terrorverdächtigen Al-Bakr fest: „Die Bediensteten der JVA Leipzig erfuhren erst zum Zeitpunkt seiner Ankunft in der JVA, dass sie für die Unterbringung Al-Bakrs verantwortlich sind. Die fehlende Kommunikation zwischen Polizei, Justiz und Strafvollzug führte zu großer Verunsicherung und erheblichen Fehleinschätzungen. So kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass bis zum psychologischen Gespräch eine Sitzwache hätte durchgeführt werden müssen, die allerdings unterlassen wurde.“

„Nicht überrascht hat mich, dass die Kommission erhebliche personelle und strukturelle Defizite in den sächsischen Justizvollzugsanstalten feststellen musste. Die Staatsregierung muss das Personal in den Justizvollzugsanstalten deutlich verstärken.“

„Der Vorschlag der Kommission, einen länderübergreifenden Fachdienst-Personalpool einzurichten und den Erfahrungsaustausch hinsichtlich dieser neuen Tätergruppe zu stärken, halte ich für sehr sinnvoll und wichtig. Auch die Heranziehung von Dolmetschern per Videokonferenz in die Haftanstalten ist ein pragmatischer Weg.“

„Den Mitgliedern der Expertenkommission gebührt großer Dank. Sie haben den Grundstein für eine grundsätzliche Bestandsaufnahme des Handelns von Polizei und Justiz in solchen Lagen geleistet und zugleich deutlich gemacht, dass es in erster Linie Vollzugs- und nicht Regelungsdefizite sind, die eine erfolgreiche Terrorbekämpfung beeinträchtigen oder gar verhindern.“

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