Heute stimmte das Plenum des Europaparlaments in vier Wahlgängen über die Nachfolge von Martin Schulz (SPD) auf dem Posten der EP-Präsidentschaft ab. Nachdem der liberale Guy Verhofstadt seine Kandidatur bereits vor der ersten Runde zurückzog und stattdessen einen Pakt mit der EPP schloss, gelang es Antonio Tajani, im letzten Wahlgang eine Mehrheit zwischen Europäischer Volkspartei (EPP), Konservativen (EKR), Liberalen (ALDE) und Rechten zu schmieden.

Dazu Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation Europaparlament im Europaparlament: „Zuallererst möchte ich unserer Kandidatin, Eleonora Forenza, für ihre Leistung und ihren Einsatz in den letzten Wochen danken. Sie trat aufrichtig und glaubhaft für ein neues Europa und für ein Europäisches Parlament der Bürgerinnen und Bürger, nicht der Konzerninteressen und Hinterzimmer-Deals ein. Damit repräsentierte sie unseren Ansatz einer alternativen EU-Politik.

Mit der neuen Rechts-Koalition und Antonio Tajani fand sich letztlich jedoch eine Mehrheit für den denkbar schlechtesten Kandidaten – ermöglicht durch die Unterstützung des Liberalen Verhofstadts. In der Nacht verständigte sich dessen Fraktion (ALDE) mit der Europäischen Volkspartei (EPP) auf einen gemeinsamen Deal, der beinhaltet, EPP-Positionen in der Sicherheits- und Verteidigungs-, Finanz- und Migrationspolitik zu unterstützen. Das ist eine undemokratische Vereinbarung, mit der die Politik im Europaparlament weiter nach rechts verschoben werden soll. Vordergründig behaupten die Beteiligten, von nun an und zum Wohle der EU alles anders machen zu wollen. In ihrem ersten Statement hingegen steht genau das Gegenteil: Die falsche Politik der de facto großen Koalition soll nun in einer neuen, neoliberalen Koalition weiter verschärft werden.

Tajani seinerseits hat sich in der Vergangenheit nicht nur einen Namen als Mitbegründer der Berlusconi-Partei Forza Italia gemacht; auch in seiner Zeit als Industriekommissar leistete er sich diverse Ungereimtheiten und ist dadurch alles andere als unbeteiligt am Abgasskandal europäischer Automobilkonzerne. Nicht zuletzt sind auch seine Standpunkte in Sachen Minderheiten- und LGBTI-Rechten völlig aus der Zeit gefallen und haben im Präsidium des EU-Parlaments nichts zu suchen!

Kurzum steht Antonio Tajani mit seiner bisherigen Karriere für all das, wofür ein modernes Parlament nicht stehen möchte: Spaltenden, rechtskonservativen Populismus; ein homophobes, ausgrenzendes Menschenbild und eine gefährlich große Industrienähe, die sich in der Vergangenheit auch über geltendes Recht hinwegsetzte.

Es ist bedauerlich, dass sich im Plenum eine Mehrheit für einen solchen Kandidaten finden konnte, dem ein demokratisches Europa für die Menschen bisher völlig egal war. Unsere Linksfraktion GUE/NGL stimmte gegen Tajani, wir werden ihn die nächsten zweieinhalb Jahre außerordentlich kritisch beäugen und alles daran setzen, Mehrheiten auch links der Mitte zu bilden – in Abgrenzung zur rückwärtsgewandten Koalition aus Neoliberalen und Populisten rechts und weit rechts der Mitte.“

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