Das Landgericht Dresden hat heute seine einstweilige Anordnung im Verfahren des GrünenN-Politikers Dietrich Herrmann gegen die Social Media-Plattform Twitter vom 21.6. 2019 bestätigt, nach der Twitter einen gelöschten Tweet wiederherstellen und Herrmann den Zugang zu seinem Twitterkonto freischalten muss (AZ: 1a O 1056/19 EV).

Dazu erklärt Dr. Daniel Gerber, netzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag:

“Das Landgericht hat im Urteil erneut bekräftigt, dass auch auf Social Media-Plattformen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gilt und dies im Zweifelsfall über dem Hausrecht der Plattformbetreiber steht.”
 
“Der Fall unseres Landtagskandidaten Dietrich Herrmann ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Plattformbetreiber Twitter, Facebook  & Co bei der Klärung der Grenzen der Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken besser mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten kooperieren müssen. Die Betreiber haben es versäumt, transparente Verfahren zu etablieren, um Verstöße gegen Strafgesetze zu ahnden, aber auch um ungerechtfertigte Sperren (sogenanntes ‘Overblocking’) zeitnah überprüfen zu können. Entscheidungen staatlicher Gerichte können bislang nicht zügig umgesetzt werden, weil die Plattformbetreiber für Gerichte und Anwälte nur mit großem Aufwand und Verzögerung erreichbar sind.”
“Twitter ist auf die sekundenschnelle Übertragung von kurzen Nachrichten in alle Welt spezialisiert. Da ist es schon skurril, dass dessen deutsche Anwälte im vorliegenden Verfahren tatsächlich behaupteten, die einstweilige Anordnung des Dresdner Landgerichts sei auf dem Postwege nicht ordnungsgemäß zum Briefkasten von Twitter im irischen Dublin zugestellt worden.”
“Gesetzgeber in Berlin, Brüssel und Straßburg sind nun aufgefordert, den Plattformbetreibern angesichts ihrer andauernden Tatenlosigkeit klare gesetzliche Regeln vorzugeben. Die Plattformbetreiber müssen gerade mit Blick auf die kommenden Uploadfilter transparente, überprüfbare Verfahren etablieren und eine Zustelladresse in Deutschland vorweisen, um Overblocking zu verhindern und Rechtssicherheit herzustellen.”
Hintergrund:
Der Zugang zum Twitterkonto des Dresdner Grünen-Landtagskandidaten Dr. Dietrich Herrmann www.twitter.com/d_herrmann wurde von Twitter am 10. Mai 2019 gesperrt. Twitter begründete die Zugangssperre mit einem Tweet, in dem Herrmann AfD-Wähler in offensichtlich satirischer Absicht aufforderte, ihren Stimmzettel zur Europa- und Kommunalwahl am 26. Mai mit BLAUEM Kugelschreiber zu unterschreiben. Twitter wollte darin einen Verstoß gegen eine Wahlrichtlinie erkennen.
Anders als gegenüber Herrmann und anderen gesperrten Nutzern angekündigt, hat Twitter die eingegangenen Einsprüche gegen die Zugangssperren offenbar nie überprüft. Twitter ließ eine Abmahnung Herrmanns vom 17.5. ebenso unbeantwortet wie – über lange Zeit – die einstweilige Anordnung des Dresdner Landgerichts vom 21.6.2019 mit der Aufforderung, den gelöschten Tweet wiederherzustellen und Herrmann wieder Zugang zu seinem Konto zu geben. Effektiv hat Twitter mit der Zugangssperre zu seinem Twitterkonto den Kandidaten Herrmann in seinem Wahlkampf behindert. Ein kurz vor der Landtagswahl von Herrmann aktiviertes Ersatzkonto konnte bei weitem nicht die frühere Reichweite erreichen.

 

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