Der für das Infektionsschutzrecht zuständige 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Normenkontrollurteil vom 16. Dezember 2021 den Antrag abgelehnt, nachträglich die Unwirksamkeit von § 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 (SächsCoronaSchVO) festzustellen. Nunmehr liegen den Beteiligten die vollständigen schriftlichen Urteilsgründe vor.

Nach § 3 Abs. 1 SächsCoronaSchVO waren – von den in Absatz 2 geregelten Ausnahmen abgesehen – alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstige Ansammlungen untersagt. Nach § 3 Abs. 3 SächsCoronaSchVO konnten Ausnahmegenehmigungen auf Antrag insbesondere für Versammlungen im Sinne des Sächsischen Versammlungsgesetzes vom zuständigen Landkreis oder der zuständigen Kreisfreien Stadt erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar war. Die Verordnung trat am 20. April 2020 in Kraft und mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft.

Der Verordnungsgeber habe sich – so der Senat – für diese Regelung auf die Ermächtigung des Infektionsschutzgesetzes in seiner damaligen Fassung stützen können. Das Verbot der Versammlungen mit Befreiungsvorbehalt habe auch nicht gegen die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Grundgesetz (GG) verstoßen.

Nach Art. 8 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffe zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht nach Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Versammlungen dürften daher keinem allgemeinen Erlaubnisvorbehalt unterfallen, da sonst der Grundsatz eines erlaubnisfreien Versammlungsrechts in seinem Wesenskern verletzt würde.

Durch die angegriffenen Regelungen seien zwar alle Versammlungen unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt worden. Der Genehmigungsvorbehalt habe sich aber nur auf die Einhaltung infektionsschutzrechtlicher Vorgaben gerichtet und habe Versammlungen nicht einer umfassenden und damit verfassungswidrigen Vorprüfung unterstellen sollen. Der Verordnungsgeber habe eine lückenlose Prüfung aller Versammlungen für zwingend erforderlich halten dürfen, um eine Ausbreitung des Infektionsgeschehens zu verhindern und damit den Schutz von Leib und Leben zu gewährleisten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Antragsteller steht die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Versammlungsverbots mit Genehmigungsvorbehalt zugelassen.

SächsOVG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 3 C 20/20 –

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