"Der Fighting Catwalk ist ein Laden, in dem unser Freund Christian P. arbeitet", sagt Matthias Eichler. Der bullige Mittvierziger betreibt seit August 2011 einen Boxclub in der Eisenbahnstraße. In der Ladenfläche eines Büroneubaus am Torgauer Platz trainiert er bis zu 50 Kinder und Jugendliche. Die meisten mit Migrationshintergrund.

An der Decke hängen Boxsäcke, ein Ring ist aufgebaut. Die Wände zieren Plakate vergangener Kämpfe. Im Hinterzimmer eine Sitzecke. Duschen sind Fehlanzeige. Geld von der Stadt erhält sein Verein nicht. Die Profis, die Eichler coacht, finanzieren das Training der Kinder mit.

“Hier im Osten ist Ghetto”, charakterisiert Trainer Jens Kluge die Lebenswelt seiner Schützlinge. “Was Sie hier an 15- bis 16-jährigen Kindern wegfangen, sind komplett Menschen ohne Illusionen”, beschreibt der schmale Mann mit Dreitagebart und BFC Dynamo-Mütze sein Klientel. “Dann kann ich fast davon ausgehen, dass die nach der Schule schwarz mit Papa auf die Baustelle gehen, dass die im Döner landen, sieben Tage in der Woche für ‘nen Tausender in die Hand, oder dass sie irgendwann in die Kriminalität abrutschen.” Längst verstehen sich Eichler und Kluge als Sozialarbeiter. Sie suchen das Bündnis mit Schulen, Vereinen, der Jugendgerichtshilfe. Wer auf die schiefe Bahn gerät, erhält Hausverbot.Eigentlich ein lobenswertes Engagement. Wäre da nicht das Label “Fighting Fellas”, unter dem die Profis bei Wettkämpfen auftreten. Spätestens, als Christian P. den “Fighting Catwalk” im Täubchenweg eröffnete, fiel Eichler unverhofft seine Vergangenheit auf die Füße. Dort verkauft der Supermittelgewichtler mit durchwachsener Bilanz (15 Kämpfe, 7 Siege) Thor-Steinar-Klamotten. Die Marke ist in der rechten Szene beliebt. Das weiß auch Eichler.Seit 2004 trainiert er Boxer. Erst in Wurzen, seit 2008 in Leipzig. Im Muldental kooperierte er mit Thomas P., der seinerzeit das rechte Plattenlabel “Front Records” betrieb. Als am 24. Oktober 2009 Neonazis in Brandis Spieler und Fans des Roten Stern Leipzig angriffen, waren auch zwei Schützlinge von Eichler dabei: Michael W. war mittendrin, Rocco H. schaute aus sicherer Entfernung zu. Beide waren von ihm ausgebildet worden. Natürlich im Hinblick auf sportliche Wettkämpfe. Mit rechtem Gedankengut habe er nichts am Hut, beteuert der Boxtrainer. Er geht allerdings auch nicht klar auf Distanz. “Wir kennen Leute aus rechten Kreisen und aus dem linken Spektrum”, erzählt er. “Da hat man sich natürlich so untereinander halt bei Sachen wie dem Sport getroffen.” Mit Thomas P. habe er sich überworfen. “Es gab ‘ne persönliche Fehde zwischen uns beiden.”

Mit dem Umzug nach Leipzig wollte Eichler dieses Kapitel seiner Biografie abgehakt wissen. Doch die Nähe zum “Fighting Catwalk” rückte seinen Club ungewollt ins Visier von Neonazi-Gegnern. Dazu trug auch das Sponsoring einer “Fighting Fellas”-Veranstaltung im Mai 2010 durch “Eric & Sons” bei. Die Klamottenmarke ist wie “Thor Steinar” unter Neonazis beliebt. Für Eichler ist es dagegen ein Sponsor wie jeder andere.

Für ein Interview stand Christian P. nicht zur Verfügung. Folgt man der Logik seiner Sportfreunde, bräuchte der 27-Jährige das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen. “Denkt denn jemand ernsthaft, dass das Thor-Steinar-Zeug zu ‘nem Großteil Neonazis kaufen”?, fragt Jens Kluge über Thor Steinar: “Also mittlerweile ist das aus meiner Sicht nur noch ‘ne Provokationsmarke.”

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