Man fühlt sich an den Streit zwischen Unister und den Leipziger Bauverantwortlichen um die Gestalt ihres geplanten Neubaus an der Goethestraße erinnert. Nur heißen die Akteure diesmal Thomas Reinhardt, Direktor des Leipziger Marriott Hotels am Hallischen Tor, und mfi, das gegenüber die "Höfe am Brühl" baut. Im Herbst sollten sie eigentlich mit der berühmten Leipziger Leuchtwerbung mit Goethes Spruch "Mein Leipzig lob' ich mir" eröffnet werden.

Doch auf die Installation der restaurierten Leuchtschrift wird mfi wohl erst einmal verzichten, weil man im Marriott Hotel nun eine Störung der Gäste durch die Leuchtwerbung befürchtet. Man hat sogar einen Anwalt eingeschaltet, der OBM schrieb einen Brief. Dabei war die Installation der restaurierten Schrift in den Verträgen mit mfi verankert.

Es ist wieder so ein kleines Schaustück aus dem Leipziger Klein-klein. Und weil wir keine Lust haben, diesen Nonsense noch extra zu kommentieren, stellen wir hier einfach das Statement von Siegfried Schlegel hin, Sprecher für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Stadtrat, der sich in den entsprechenden Ausschüssen auch Jahr für Jahr mit dem oft kleinlichen Gezänk im Leipziger Baugeschehen beschäftigt. Zu beneiden sind Leipzigs Stadträte dabei nicht wirklich.

Wie sagt doch Brander so schön, bevor Frosch ihm in der Szene in “Auerbachs Keller” des “Faust” mit dem Leipzig-Spruch antwortet? – “Die kommen eben von der Reise, Man sieht’s an ihrer wunderlichen Weise; Sie sind nicht eine Stunde hier.”

Und erst dann sagt Frosch in Goethes Drama: “Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob’ ich mir! Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.”Willkommens- und Goethe-Leuchtreklame am Brühl unverzichtbar

Siegfried Schlegel

Mit Verwunderung und Empörung zugleich reagiert die Linksfraktion auf die Attacke des Hoteldirektors des Marriott, Herrn Reinhard, der offenbar – anders als viele seine Hotelgäste – niemals in Leipzig angekommen ist. Vielleicht sind ihm jedoch seine Gäste selbst gar nicht willkommen, sondern nur deren Geld. Ebenso, wie ihn die Attraktivität und Identität der Stadt nicht interessieren, sondern nur die Lage, die sich die Marriott-Gruppe als Hotelstandort im Stadtzentrum in Nachbarschaft zum Hauptbahnhof selbst gewählt hat – übrigens zu einer Zeit, als die Leuchtreklame schon Jahrzehnte an diesem Standort existierte. Wie sonst ist die Attacke auf die Visitenkarte Leipzigs mit der mehrsprachigen Leuchtschrift “Willkommen in Leipzig” und dem für Leipzig geprägten Goethespruch “Mein Leipzig lob’ ich mir” zu erklären.

Die Willkommens- und Goethe-Leuchtreklame ist wie auch die Alu-Fassade am Westende und die Wiedereinrichtung der Plauenschen Straße zwingender Bestandteil des städtebaulichen Vertrages der Höfe am Brühl. Sie war bereits beim Investorenwettbewerb 2005/2006 ein eingeschlagener Pflock. Bei Nichteinhaltung dürfte konsequenterweise keine Abnahme durch das Bauordnungsamt erfolgen und damit auch keine Eröffnung am 25. September stattfinden, weil die Baugenehmigung für das Vorhaben nicht eingehalten wurde. Auch der Oberbürgermeister ist an Stadtratsbeschlüsse gebunden und hat diese mit seiner Verwaltung umzusetzen, statt faule Kompromisse auszuhandeln.Zu erzwingen, dass zeitig am Abend Leuchtreklamen oder Gebäudeilluminationen abgeschaltet werden sollen, ist auch deshalb unverständlich, weil sie aus Energiespargründen und als gewollter Teil der Attraktivität der Freiräume und Gebäude mit der Stadtbeleuchtung abgestimmt sein sollten. Im Ergebnis eines breiten demokratischen Prozesses mit Architektenwettbewerb, Bürgerforen, der Erstellung von Gutachten und Bebauungsplanverfahren hat der Stadtrat den Bebauungsplan und den Städtebaulichen Vertrag nach Baugesetzbuch beschlossen, wogegen die Landesdirektion zu keinem Zeitpunkt in Widerspruch gegangen ist.

Wenn in der Entfernung von 1 m vor dem Wohnzimmerfenster eine Straßenleuchte strahlt, weil dies funktional der richtige Standort ist, wird ein vernünftiger Bürger nicht fordern, diese zu entfernen, sondern wird am Fenster ein Rollo anbringen oder einfach einen Vorhang zuziehen. Nicht auszudenken, wenn ein Hotelgast begehrt, mitten in der Stadt auf dem Balkon zu schlafen. Dann hätte dies zur Folge, dass in der Stadt die Bürgersteige hochgeklappt werden müssen. Ganz zu schweigen davon, dass auch das Marriott-Hotel – von der Stadt sogar gewünscht – selbst Leuchtreklamen betreibt und die Gemeinschaftsräume des Hotels beleuchtet sind, die sich durch große Fenster einladend zur Straße öffnen. Eine Debatte, wie über Kuhglocken in Alpendörfern oder Glockenläuten wünscht sich Die Linke nicht. Deshalb soll man auch die Leuchtreklame oder Gebäudeilluminationen in der Großstadt belassen.

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