Es ist schon erstaunlich, welchen Druck Fußball auf die Politik der Stadt Leipzig ausüben kann. Zumindest dann, wenn er in Bundesliga-Sphären aufsteigt. Dann kommt auch - quasi über Nacht - endlich ein Verkehrskonzept fürs Sportforum auf den Tisch. Am 13. Mai wurde es vorgestellt. Quasi mit drei Jahren Verspätung. Seit 2010 liegen die Forderungen aus dem Stadtrat auf dem Tisch, seit 2011 bastelte die Stadtverwaltung dran. Und auch das jetzt vorgelegte Konzept bereitet noch Bauchschmerzen.

Die CDU Leipzig fordert eine Ergänzung des Verkehrskonzeptes für das Sportforum. “Der vorliegende Arbeitsstand der Verwaltung ist nicht ausreichend”, sagt Kreisvorsitzender Robert Clemen zum vorgelegten Papier. “Die aktuelle Verwaltungsvorlage benachteiligt die Autofahrer. Anstatt verkehrspolitisch-grüner Erziehungsmaßnahmen sollte die Baubürgermeisterin lieber dafür sorgen, dass alle Verkehrsträger gleichberechtigt sind. Stadion und Arena brauchen dringend ein ordentliches Parkhaus. Platz dafür ist auf der Fläche am alten Schwimmstadion. Das Wichtigste ist jedoch, die Verkehrsströme individuell je nach Bedarf zu lenken. Das kommt in der vorliegenden Fassung völlig zu kurz.”

Aber dass das geplante punktuelle Eingreifen die Situation im Waldstraßenviertel nicht entschärft, sieht er auch. Im Grunde ist – nach der erfolgreichen Umsetzung des Verkehrskonzepts am Zoo, auch hier ein stringentes Anwohnerparken umzusetzen.

Robert Clemen: “Zuerst müssen die Anwohner im Waldstraßenviertel geschützt werden. Sehr schnell geht das, indem man Anwohnerparken einrichtet. Wir sollten aber auch Zufahrtsbeschränkungen prüfen. Neben einem neu zu bauenden Parkhaus gehören alle Verkehrsströme auf den Prüfstand. So hat zum Beispiel der Parkplatz an der Festwiese regelmäßig nur eine Ausfahrt. Kein Wunder, dass sich auch da alles staut. Vor allem brauchen wir aber ein intelligentes Verkehrsleitsystem. Die Zeiten mit hohem Verkehrsaufkommen sind relativ genau eingrenzbar. Für diese kurze Zeit muss es auch möglich sein, Ampeln länger oder durchgehend auf Grün zu schalten, damit der Verkehr besser abfließen kann und sich verteilt.”

Für ihn ist das vorgelegte Konzept noch lange nicht schlüssig: “Die verbesserte Anbindung ist wichtig für Familien mit kleinen Kindern und Gehbehinderte sowie ältere Menschen. Es nützt nicht nur den Zweitliga-Fußball-Besuchern, sondern ist ebenso bei großen Konzerten in der Arena anwendbar. Was die Stadtverwaltung aktuell vorgelegt hat, ist unzureichend und ideologisch motiviert einseitig zu Lasten der Autofahrer. Wie auch bei der Baustellenplanung zeigt sich, dass die Stadt Leipzig diese Dinge nicht im Griff hat. Dabei besteht das Verkehrsproblem schon lange. Die Leipziger Union fordert hier Nachbesserungen und endlich eine ideologiefreie Gleichbehandlung von Auto, Straßenbahn und Fahrrad.”
Und auch CDU-Stadträtin Sabine Heymann sieht den Weg in einer dauerhaften Parkraumlösung im Waldstraßenviertel und in einem deutlich verbesserten ÖPNV-Angebot. “Es braucht eine robuste Lösung für die Anwohner, die auch für die Gäste des Stadions eindeutig verstehbar ist. Besonders bezüglich der kurzfristigeren Maßnahmen muss man sich auf die Entlastung der Anlieger konzentrieren”, sagt sie.

Heymann hält eine auf Dauer angelegte Bewohnerparkzone für sinnvoller als temporäre Schutzzonen bei Fußballspielen. “Auf diese Weise sind die Bewohner auch vor nicht prognostiziertem hohen Verkehrsaufkommen bei der Häufung von Veranstaltungen im Sportforum, in Arena und auf der Kleinmesse zu jeder Zeit geschützt”, so die Stadträtin.

Gleichzeitig müsse aber kurzfristig das Mobilitätsangebot für die Veranstaltungsgäste zügig qualifiziert werden. Besser und logischer erreichbare P+R-Plätze im Süden von Leipzig, auch in Kooperation mit dem Landkreis, nahe der A38 und A72 sowie die Verbesserung der direkten Anknüpfung an das mitteldeutsche S-Bahn-Netz sind aus Heymanns Sicht erforderlich, damit es sich tatsächlich für die Veranstalter lohnt, MDV-Kombitickets anzubieten. “Mit diesen beiden kurzfristig umsetzbaren Maßnahmenbündeln kann einerseits die Last der Anlieger minimiert, aber auch die Attraktivität der Veranstaltungen in und um das Sportforum verbessert werden”, so Heymann abschließend.

Und auch die Linke sieht im Konzept das Wichtigste einfach nicht umgesetzt: Den Schutz der Bewohner des Waldstraßenviertels.

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“Nun endlich nach zwei Jahren Arbeit legt die Stadtverwaltung, aufgrund eines Antrags der Linken ein Verkehrskonzept für das Stadion vor”, meint Franziska Riekewald, Stadtbezirksbeirätin der Linken in Leipzig-Mitte, zum vorgelegten Papier. “Voller Erwartung wollte ich nun endlich die Maßnahmen zum Schutz der unmittelbaren Anwohner erfahren. Aber was musste ich feststellen. Wieder wird nur ein weiteres Konzept, diesmal ein ‘Anwohnerschutzkonzept’ versprochen. Laut des jetzt vorliegenden Verkehrskonzepts, sind zunächst jedoch nur die Anwohner westlich der Waldstraße ‘schützenswert’. Dieses Gebiet soll also zu Veranstaltungen ab 35.000 Zuschauern für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Wie im Versuchslabor sollen dann alle anderen angrenzenden Gebiete beobachtet und Auswirkungen dokumentiert werden. Diese Untersuchung kann ich der Stadt ersparen und sage jetzt schon voraus, dass die Besucher sicherlich dann genau in diesen Bereichen versuchen einen Parkplatz zu finden. Die Einrichtung einer Anwohnerschutzzone nur im Bereich des westlichen Waldstraßenviertels hilft den meisten Anwohnern in Stadionnähe also nicht weiter. Die Einführung einer Schutzzone, nach dem Vorbild Bremen ist durchaus begrüßenswert, muss jedoch ganzheitlich angegangen werden.”

Und sie sieht die von den Konzepterstellern SHP Ingenieure aus Hannover verwendeten Zahlen mit Skepsis. Die waren für die Fußballspiele der 3. bzw. 2. Liga von 10.000 bis 20.000 Besucher ausgegangen. “Noch ein Problem sehe ich beim jetzt vorliegenden Verkehrskonzept, es geht davon aus, dass in der 2. Bundesliga zu RB-Fußballspielen nur zwischen 10.000 und 20.000 Zuschauer ins Stadion kommen. Doch schon in der letzten Saison, bei Spielen der 3. Bundesliga, wurde diese Zahl fünfmal überschritten. Die Zeit der Konzepte sollte also spätestens jetzt vorbei sein. Es ist höchste Zeit zu handeln und die vielen Maßnahmen anzugehen.”

Fakt ist: Es steckt kein Mut hinter dem Konzept. Zu jeder Großveranstaltung wird die Jahnallee schon jetzt zum Nadelöhr, weil in jede Richtung nur eine Fahrspur zur Verfügung steht und auch die Straßenbahnen im Stau stecken. Es gäbe zwar je zwei Fahrspuren. Doch die wurden von der Leipziger Stadtverwaltung seit 2006 in immer neuen “Testphasen” in Parkzonen verwandelt. Der zweispurige Ausbau der Straße wurde zum Witz. Aber immer dann, wenn die Stadtverwaltung vor klaren Entscheidungen scheut, baut sie erst einmal neue Prüfphasen ein: “So wird z. B. noch vertiefend untersucht, inwiefern eine zeitweise Sperrung der Jahnallee zwischen Zschocherscher Straße und Leibnizstraße bei Großveranstaltungen auf dem Sportforum den ÖPNV flüssiger machen könnte.”

Hier müsste dasselbe gelten, was die CDU fürs Waldstraßenviertel fordert: Eine dauerhafte Sperrung für den ruhenden Verkehr. Er hat in diesem Nadelöhr des Stadtverkehrs mit 40.000 Fahrzeugen pro Tag nichts zu suchen.

Und als Stellungnahme von Linke-Stadtrat Jens Herrmann-Kambach auch zum Wunsch von Robert Clemen nach einem weiteren Parkhaus: “CDU-Kreisvorsitzender Robert Clemen bewertet den Entwurf des Verkehrskonzeptes für das Sportforum als ‘unzureichend und ideologisch motiviert, einseitig zulasten der Autofahrer’. Mit dieser Einschätzung zeigt der ehemalige Stadtrat und jetzige Landtagsabgeordnete, dass er sich von einer konstruktiven Kommunalpolitik schon lange verabschiedet, von Verkehrspolitik Null Ahnung und die aktuelle Vorlage gar nicht gelesen hat.

Aber es ist Wahlkampf, und da darf man den betroffenen Anwohnern ruhig versprechen, dass zusätzliche Parkhäuser und -flächen die Entlastung bringen. Dass jedoch ein zusätzliches Angebot von Parkflächen nur zu noch chaotischeren Straßenverhältnissen bei der An- und Abreise führt, wird lieber nicht erwähnt. Genauso
wenig, dass dann auch der ÖPNV mit im Stau steht. Dies betrifft folglich nicht nur die Anwohner der beiden Viertel und die Besucher der Veranstaltungen, sondern auch alle Leipzigerinnen und Leipziger, welche zwischen Innenstadt und den westlichen Stadtbezirken unterwegs sind.

Die Vertreter des Fußballclubs von RB haben dies erkannt und sich gegen neue Parkflächen im Bereich des Sportforums ausgesprochen. RB kann man dabei bestimmt keine ideologische Motivation unterstellen.

Was muss wirklich passieren?

Wir brauchen dringend attraktive P&R Parkplätze und deren sehr gute ÖPNV-Anbindung an das Sportforum! Wir brauchen insbesondere auch einen P&R Parkplatz im Südraum von Leipzig mit einer idealen Umsteigebeziehung zur S-Bahn! Dieses Thema wurde bereits in den verschiedenen Gremien angesprochen – letztmalig durch mich bei Zustimmung der anwesenden Verbandsräte im Regionalen Planungsverband Westsachsen am 15. Mai. Die Schaffung dieses Parkplatzes kann nicht auf dem Gebiet der Stadt Leipzig erfolgen, es bedarf der Bereitstellung entsprechender Flächen auf dem Gebiet des Landkreises Leipziger Land. Dies wurde jedoch bisher weder durch die verschiedenen Wirtschaftsminister des Freistaates bei der Planung der A 73 bedacht, noch von einigen Vertretern der CDU in Leipzig. So stimmte Herr Clemen seinerzeit als Stadtrat gegen die Ausweitung von P&R Parkplätzen.

Wir brauchen dringend Parkplätze für die Anwohner und deren Gäste, wenn diese trotz der sehr guten ÖPNV-Anbindung nicht auf ihr Fahrzeug verzichten können. Jedoch kann es nicht die Aufgabe der Stadt Leipzig sein, diese Parkplätze zu finanzieren.

Denn
a) wäre dies eine freiwillige Aufgabe,
b) müssten dann auch Parkplätze in anderen Stadtteilen finanziert werden (Schleußig, Gohlis,
Connewitz etc.) und
c) würde mit Sicherheit die Landesdirektion aufgrund der Haushaltslage der Stadt ihr Votum einlegen.

Deshalb bedarf es einer finanziellen Beteiligung der Anwohner und/oder der Vermieter bzw. der Betreiber des Sportforums. Leider gibt es dafür noch keine Mehrheit. Ein leeres Parkhaus wie am Bundesverwaltungsgericht, welches für die Anwohner des Musikviertels geschaffen worden ist, wird kein privater Investor finanzieren. Wir brauchen aber auch ein leistungsfähigeres ÖPNV-Netz und gerade in den Nachtstunden ein besseres Angebot. Die derzeitigen Vorstellungen der Stadtverwaltung und des Gutachters lösen die erkannten Mängel nicht auf! Hier ist noch intensives Arbeiten erforderlich. Zum Glück wird Herr Clemen zur Beschlussfassung im Juni nicht mit im Stadtrat sitzen, und dank der dann absolvierten Stadtratswahlen kann es eine sachgerechte Diskussion zur Vorlage geben.”

Die Pressemitteilung der Stadt als PDF zum Download.

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