Die Diskussion um den Flächenerhalt der Leipziger Nachbarschaftsgärten bekommt neuen Schwung. In einem internen Gartengespräch trafen sich über 50 Vertreter aus Politik und Verwaltung, andere "Gartenprojekte" aus Leipzig und Berlin sowie weitere Akteure der Stadtentwicklung. Das Ergebnis könnte ein Stadtratsbeschluss zur gemeinsamen Konzeptentwicklung zwischen Stadtverwaltung und Gärtnern werden, hoffen die Nachbarschaftsgärtner aus Lindenau.

Ziel der Runde war es, konkrete Ideen zu entwickeln, wie die Nachbarschaftsgärten vor dem Verkauf an Bauinvestoren gerettet werden könnten. Denn der derzeitige Eigentümer will den gesamten Grünteil der Gartenfläche zum Eigenheimbau verkaufen.

In Leipzig könne man aus den Fehlern in Berlin lernen, betonte Frauke Hehl. “Urban-Gardening war damals noch nicht so etabliert wie heute. Berlin hat viele Chancen verstreichen lassen – bis viele Flächen an Investoren verkauft waren”, so die Urban-Gardening-Expertin vom Gemeinschaftsgarten “Rosa Rose” in Berlin.

“Einen Garten für jeden Stadtteil” forderte auch Michael Berninger von der Leipziger Stiftung “Bürger für Leipzig”. Über die wichtige Bedeutung offener Gärten für das Klima und die Kultur einer Stadt waren sich auch Stefan Geiss, Abteilungsleiter vom Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, sowie Juliane Nagel und Rüdiger Ulrich (beide Die Linke), Daniel von der Heide (Bündnis 90/Die Grünen) und Mathias Weber (SPD) einig. Wie eine Verstetigung des Zwischennutzungskonzepts aussehen könnte, bildete sich in den begleitenden Workshops heraus:

1. Eine Umwidmung der Gartenflächen, so dass sie als Grünfläche und nicht mehr als Bauland deklariert werden.

2. Ein Flächentausch, bei dem die Stadt dem Besitzer der Baufläche ein anderes Grundstück anbietet, auf dem er seine Baupläne verwirklichen kann und die Nachbarschaftsgärten als Grünfläche erhalten bleiben.

3. Ein Mischkonzept, bei dem die Nachbarschaftsgärten gemeinsam mit der Stadt, Stiftungen und privaten Investoren die Fläche erwerben und über eine vereinbarte Pacht refinanzieren.Keine dieser drei Ideen ist sofort umsetzbar, sondern bedarf einer detaillierten Konzepterstellung, um erfolgreich zu sein. Hierfür wollen die in der Diskussion anwesenden politischen Vertreter nach Rücksprache mit ihren Fraktionen einen Antrag an den Stadtrat vorbereiten, der die Stadtverwaltung mit einem politischen Mandat zur Konzepterstellung auffordern soll.

Nachdem Leipzig 2012 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen hat, könnte die Stadt mit einem Beispielkonzept zur langfristigen Erhaltung von zwischengenutzten Freiflächen ein weiteres Mal innovativ und vorausschauend handeln.

“Mit der Lützner Straße haben wir eine der dreckigsten Verkehrswege der Stadt genau um die Ecke”, sagt dazu Roland Beer vom Stadtumbaumanagement. “Der Wegfall einer so großen Grünfläche wie die der Nachbarschaftsgärten hätte auf das Mikro-Klima und Luftqualität des Baublocks starke Auswirkungen. Für einen Bereich, der durch hohes Bevölkerungswachstum geprägt ist, ist der Erhalt von Grün- und Freiflächen extrem wichtig für eine gute Lebensqualität.”

Es sieht ganz so aus, dass die Leipziger Nachbarschaftsgärten nun FürsprecherInnen sowohl im Stadtrat als auch der Stadtverwaltung gewonnen haben.

“Uns, den Nachbarschaftsgärtnern, geht es nicht allein um die Sicherung des Gartens, sondern allgemein auch um Freiraum für soziales und ökologisches Engagement”, erklären die Sprecherinnen der Nachbarschaftsgärten Karla Müller, Anna Schimkat und Daniela Boutahar. “Neben den klimatischen Auswirkungen geht es uns auch darum, wie Leipzig zu Projekten steht, die zur Aufwertung eines Stadtteils beigetragen haben und dessen Image prägen. Die Nachbarschaftsgärten sind eine Plattform für eine aktive Nachbarschaft im Leipziger Westen. Mit den offenen Fahrrad- und Holzwerkstätten wird die Fläche nicht nur von Gärtnern sondern auch von vielen Anwohnern, Kitas und Schulen des Leipziger Westens intensiv genutzt. Wir wollen, dass die Nachbarschaftsgärten als Projekt überleben, damit das Potential, das hier entstanden ist, auch in Zukunft weiter ausgeschöpft werden kann.”

Nächster Termin in den Nachbarschaftsgärten in der Josephstraße: “10. Freiflächensalon” am 21. Juni im Rahmen des “Westbesuch”. Außerdem: Jeder Freitagnachmittag Offener Garten für alle, Offene Fahrrad- und Holzwerkstatt, samstags 10 Uhr “Qi Gong im Garten”.

www.nachbarschaftsgaerten.de

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