Als die L-IZ am 10. Juni über die wahrscheinliche Einmietung des Stadtarchivs Leipzig in den Sowjetischen Pavillon auf der Alten Messe berichtete, meldeten sich gleich einige Leser zu Wort, die glaubten, die Sache schon mal anders gelesen zu haben. In der LVZ nämlich, wo manchmal erstaunliche Dinge stehen. Am 29. Januar zum Beispiel: "Strategiepapier: Leipzigs Alte Messe wird zum Forschungszentrum - Pläne für Sowjet-Pavillon".

Das las sich so, als sei schon alles entschieden, als gäbe es irgendwo einen Zeitplan und irgendwer würde jetzt einfach losbauen: “Nach den Ideen der Stadtverwaltung soll die Alte Messe in den kommenden Jahren zu einem beispielhaften Bioforschungszentrum ausgebaut werden – inklusive Kindertagesstätten, Schulen und Einzelhandel für die Wissenschaftler. Das geht aus einem Strategiepapier der Kommune hervor, das auf sechs Jahre angelegt ist. Die notwendige Infrastruktur soll mit Verkäufen denkmalgeschützter Messehallen finanziert werden”, war da zu lesen. Und der Sowjetische Pavillon sei gar zentraler Baustein des Ganzen, das da auf 80.000 Quadratmetern entwickelt werden sollte. Man zitierte auch Reinhard Wölpert, Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft LEVG. Und man orakelt auf Grundlage des “Strategiepapiers” auch gleich mal von “Kindertagesstätten, Schulen und Geschäfte”, die auf der alten Messe entstehen sollten.

Aber es ist wie so oft bei solchen zusammengestückelten Texten: Die Hälfte stimmt, der Rest ist Quatsch. Dass die Etablierung von Firmen und Instituten aus dem Bio-Cluster auf der Alten Messe Strategie hat, ist nicht neu. Seit die Bio-City errichtet wurde, entstehen immer neue Einrichtungen auf der dazu vorgesehenen Fläche, auch wenn noch niemand auf die Idee gekommen ist, hier auch Kindergärten oder eine Schule zu planen. Vielleicht kommt es noch.Dass das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig sich am Standort erweitern würde, war auch seit 2012 klar, als es seine ersten Geschäftsräume in der Bio-City bezog. Klar war auch, dass der Standort in unmittelbarer Nähe zu suchen sein würde. Das lag in der Hand des Staatsbetriebs Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), Niederlassung Leipzig II. Am 3. März startete es eine entsprechende Ausschreibung im Europäischen Amtsblatt. “Der Freistaat Sachsen beabsichtigt, dass 2012 neu gegründete Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig in seiner Gesamtheit an einem Standort in Leipzig und in unmittelbarer Nähe zu anderen Forschungseinrichtungen der Universität Leipzig unterzubringen. Die Bedarfsdeckung soll im Wege der Anmietung an einem Standort innerhalb eines vorgegebenen innerstädtischen Gebietes erfolgen”, heißt es in der Projektbeschreibung.

Eng umrissen war die Standortwahl: “Der künftige Standort wird begrenzt durch die Prager Straße, Bahntrasse im Süden, Bahntrasse/Straße des 18. Oktober/Johannisallee, Philipp-Rosenthal-Straße im Westen und im Norden durch Nürnberger Straße/Brüderstraße/Stephanstraße.”

“Das künftige Mietobjekt wird vom Freistaat Sachsen zunächst befristet für 8 Jahre angemietet. Zwei Optionen für je 3 Jahre Verlängerung werden eingeräumt. Geplanter Beginn der Anmietung ist der 1.10.2016”, heißt es weiter.

Die LEVG hat sich übrigens nicht an dieser Ausschreibung beteiligt, womit auch der Sowjetische Pavillon nicht als künftiger Standort des iDiv in Frage kommt. Andere Gebäude auf dem Gebiet der Alten Messe tun es schon. Wie sich das SIB am Ende entscheidet, ist noch völlig offen. Auch die Zahl der eingegangenen Bewerbungen verrät es noch nicht. Vertragsunterzeichnung soll am 30. September sein.

Natürlich passt das dann trotzdem in die langfristige Strategie zur Entwicklung der Alten Messe, die immer mal wieder erneuert und konkretisiert wird, weil sich ja auch wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern und Vieles, was in den 1990er Jahren sinnvoll schien, heute nicht mehr funktioniert.

Was funktioniert, ist die Aufteilung des Geländes für konkrete Nutzungsarten, die hier Vorrang haben – wie das Auto-Cluster an der Richard-Lehmann-Straße oder eben das Bio-Cluster im Westteil des Geländes. Noch ist genug Platz, um weitere Neuansiedlungen zu ermöglichen. Jetzt kann man gespannt sein, wo das iDiv künftig seinen Sitz hat.

Die Ausschreibung: http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:87620-2014:TEXT:DE:HTML&src=0

Das iDiv: www.idiv-biodiversity.de

Die Vermarktung der Alten Messe: www.alte-messe-leipzig.de

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