Im Dezember 2013 erlangte die Grüne Liga Sachsen, zu der auch der Leipziger Ökolöwe als anerkannter Naturschutzverband gehört, einen Etappensieg vor dem Bundesverwaltungsgericht: Es bestätigte den Umweltschützern, dass sie ein Klagerecht gegen die Kurze Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle haben. Dadurch, dass die Südabkurvung im Planverfahren gar nicht aufgetaucht war, war die Beteiligung der Umweltverbände einfach ausgehebelt worden. Und die der Stadt?

Eigentlich auch. Genauso wie die der Anwohner und der Betroffenen, die seit 2007 nun auf einmal in einer Flugschneise wohnen, die so bei den Planungen der Start- und Landebahn Süd nirgendwo aufgezeichnet war. Genausowenig wie es eine Einladung etwa der Bürger aus Böhlitz-Ehrenberg gab, irgendwo Einsicht zu nehmen in die Unterlagen.

Die Grüne Liga klagte also stellvertretend, berief sich auf das überflogene Naturschutzgebiet. Die Richter am Oberverwaltungsgericht in Dresden sahen das erst mal nicht ein. Die Richter am Bundesverwaltungsgericht sehr wohl. Und auch in der Leipziger Stadtverwaltung weiß man sehr genau, dass da vor der Planfeststellung für die neue Startbahn getrickst und gemauschelt wurde, was nur irgendwie ging. Man hat schon sehr genau gelesen, was die Richter am Bundesverwaltungsgericht da im Dezember verlautbarten. “Das BVerwG hat dazu ausgeführt, dass es Aufgabe des Planfeststellungsbeschlusses ist, die vom Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme zu bewältigen. Dabei kann es bestimmte An- und Abflugrouten auch aus naturschutzrechtlichen Gründen für unzulässig erklären und so für die Beklagte sperren. Auch die gerichtliche Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses erstreckt sich auf dessen Übereinstimmung mit unionsrechtlich begründetem Naturschutzrecht”, heißt es nun in einer Stellungnahme der Dezernate Umwelt, Ordnung, Sport und Allgemeine Verwaltung zu einem Antrag, den die Ortschaftsräte Lindenthal, Böhlitz-Ehrenberg und Lützschena-Stahmeln im März gestellt hatten. Sie wollten nämlich, dass die Stadt dem Klageverfahren beitritt.

Aber die Stadt denkt gar nicht daran. Und das mit einer sehr eigenwilligen Erklärung: “Die Stadt Leipzig ist weder ein im Sinne des Sächsischen Naturschutzgesetzes für die Belange des Naturschutzes klagebefugter Naturschutzverband, noch einem solchen Naturschutzverband rechtlich in irgendeiner Weise gleichgestellt. – Sie kann daher nicht wie ein solcher Naturschutzverband dessen Beteiligungsrechte einfordern. Das Eigentum an den überflogenen Auwaldgrundstücken ist dabei rechtlich unerheblich, insbesondere auch das der Stadt Leipzig. Die Rechte der Stadt Leipzig aus dem Eigentum werden rechtlich durch eine Verletzung der Beteiligungsrechte der Naturschutzverbände nicht berührt. Die Stadt Leipzig kann in diesem Rechtsstreit daher aus ihrem Eigentum keine Verletzung eigener Rechte geltend machen.”Aus Sicht dieses speziellen Prozesses mag das zutreffen. Die Grüne Liga hat das Klagerecht für die staatlich anerkannten Naturschutzverbände erstritten. Und nur darum ging es auch beim Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Dresden. Das Bundesverwaltungsgericht aber hat eindeutig entschieden: Bloß weil eine Flugroute im Planfeststellungsverfahren nicht auftaucht, dürfen deshalb die Mitwirkungsrechte nicht einfach aufgehoben werden. Denn mit so einer Begründung kann man am Ende alle Mitwirkungsrechte aushebeln – man schreibt die Konfliktpunkte einfach nicht in die Planunterlagen. Da kann sich keiner beschweren.

Dass es so nicht geht, das sieht auch Leipzigs Verwaltung mittlerweile so, auch wenn das – siehe oben – immernoch keine Regung erzeugt.

“Das BVerwG hat dazu ausgeführt: Fehlt im Planfeststellungsbeschluss eine Entscheidung, hat dies entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zur Folge, dass dem Kläger, demgegenüber der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig geworden ist, die Anfechtung der Festlegung so lange verwehrt wäre, bis die Prüfung der naturschutzrechtlichen Verträglichkeit der Flugverfahren von der Planfeststellungsbehörde nachgeholt worden ist. Das Bundesamt für Flugsicherung darf nur Flugverfahren festlegen, für die im Planfeststellungsbeschluss eine positive Entscheidung getroffen worden ist, die mithin im Planfeststellungsbeschluss ‘freigegeben’ worden sind.”

So liest es die Verwaltung aus dem Gerichtsbeschluss. Und das heißt eben nicht nur, dass naturschutzrechtliche Prüfungen nachgeholt werden müssen. Es heißt augenscheinlich auch, dass alle geplanten Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss niedergeschrieben sein müssen – die Deutsche Flugsicherung darf gar keine anderen festlegen, denn diese sind nicht freigegeben. Mit der Kurzen Südabkurvung verstößt die DFS also eindeutig gegen den Planfeststellungsbeschluss.

Aber Leipzigs Verwaltung wäre nicht Leipzigs Verwaltung, wenn sie nicht noch ein paar Deutungsmöglichkeiten in den Beschluss hineinlesen würde: “Dies sind nicht nur diejenigen, die im Planfeststellungsverfahren detailliert betrachtet worden sind, sondern auch solche, die in ihren Auswirkungen ‘vergleichbar’ sind. Auf die Durchführung einer Verträglichkeits- und gegebenenfalls nachfolgenden Abweichungsprüfung könnte daher verzichtet werden und wären Mitwirkungsrechte des klagenden Naturschutzverbandes nicht verletzt, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen, die die Verträglichkeit der prognostizierten Flugverfahren mit den Erhaltungszielen der seinerzeit betrachteten Natura 2000-Gebiete attestiert haben, auf die durch die kurze Südabkurvung berührten Natura 2000-Gebiete übertragbar wären.”

Kann also sein, die verantwortlichen Behörden tricksen sich die Sache dann unter dem Mäntelchen eines “vergleichbaren” Anflugverfahrens hin, das vielleicht sogar in den Planunterlagen erwähnt wurde. Ein Tiefseeschwamm ist wirklich nichts dagegen.

Nur ein kleiner Trost steckt in dem Ganzen: “Der Umstand, dass das Gericht die fehlende Prüfung im Planfeststellungsverfahren obiter dictum (ohne Auswirkung auf das Revisionsverfahren und seine Entscheidung) erwähnt hat, gibt einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der nach dem Naturschutzgesetz zu beteiligenden Naturschutzverbände einige Aussicht auf Erfolg.”

Der Ökolöwe oder die Grüne Liga selbst könnten jetzt also – bis zu einem neuen Gerichtsentscheid – einen Antrag auf die Vorläufige Einstellung der kurzen Südabkurvung stellen. Da es keine Planfeststellung für diese Route gibt, müsste die DFS dem eigentlich folgen.

Die komplette Stellungnahme der Verwaltung: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/483BFBDC4660E473C1257CE6004078DA/$FILE/V-a-or-39-vsp.pdf

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