Es wird dann quasi eine der letzten Amtshandlungen des alten Stadtrates werden: Am 16. Juli steht das Ergebnis der Trassendiskussion aus Probstheida auf der Tagesordnung. Immerhin haben zwei Bürgerforen und mehrere Workshops stattgefunden, die am Ende zeigen, wie fruchtbar eine frühe und offene Bürgerbeteiligung ist. Nicht nur wenn es um eine künftige Straßenbahntrasse geht.

Darum schien es ja anfangs ausschließlich zu gehen. Kaum waren die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) mit ihren Vorstellungen in die Gremien des Ortsteils im Leipziger Südosten gegangen, gab es entsprechende Reaktionen. Auch geharnischte. Nur zu berechtigt. Denn 15 Jahre lang war hier die Entwicklung weiter gegangen, nachdem die Visionen eines großen Uni-Klinik-Standortes Mitte der 1990er Jahre stillschweigend begraben worden waren. Probstheida entwickelte sich gerade um den Bereich Franzosenallee zu einem beliebten Standort für Wohnbebauung. Es war ruhig. Hier war nicht mit mehr als nur Anliegerverkehr zu rechnen.

Und dann das.

Die Bewegung ausgelöst hatten die Betreiber des Herzklinikums, die den Klinikstandort in den nächsten Jahren massiv ausbauen wollen. Wenn das ohne gute ÖPNV-Verbindung passiert, sorgt das logischerweise für ein Anschwellen des Pkw-Aufkommens. Doch schon jetzt platzen wochentags die Parkplätze aus allen Nähten, wird auch in Seitenstraßen wild geparkt. Und als sich die Stadtplaner dann, als die Novellierung des Bebauungsplans für den Süden Probstheidas für den Stadtrat wieder auf den Tisch kam, die Straßenverläufe anschauten, merkten sie: Hoppla! Da hatte man ja glatt die Vorhaltung einer Straßenbahntrasse vergessen.

Entsprechend seltsam und zum Teil wild waren dann die Trassenvorschläge, über die ab Herbst 2013 diskutiert werden sollte. Doch schon die Auftaktveranstaltung zeigte: Es geht um mehr als nur die Freihaltung von Trassen. Das komplette Verkehrsproblem in Probstheida muss angepackt werden. Und nicht nur das. Es reicht weit über den Ortsteil hinaus, denn gerade im Leipziger Osten hat die Stadt dafür gesorgt, dass uralte Verkehrsprobleme nun seit Jahrzehnten immer weiter vertagt und nicht gelöst werden.

Stichwort: Mittlerer Ring. Im Grunde ein auf Jahre totes Projekt. Die Stadt verfügt nicht über die Gelder, diese – in weiten Teilen neue – Trasse durch den Leipziger Osten zu bauen. Doch sie klammert sich an die Vision, hier mit einem neuen Ringstück irgendwann in ferner Zukunft einmal Lösungen schaffen zu können. Das Ergebnis ist Stillstand – in der Verkehrsproblematik für Stötteritz und Probstheida genauso wie in den Wirtschaftsansiedlungen im Osten. Im ganzen Bereich der offenen Trassenvarianten kann niemand planen, hütet sich jeder vernünftige Mensch zu investieren. Was dann logischerweise auch auf andere Themen übergreift wie etwa die Wohnungspolitik.

Natürlich brachten Foren und Workshops trotzdem Ergebnisse. Kluge Bürger können durchaus beharrlich sein, wenn es um die Suche nach tragfähigen Kompromissen geht.Beschließen soll der Stadtrat am 16. Juli im Grunde nur zwei Punkte:

1. Der Ergebnisbericht zu den Untersuchungen zur Verbesserung der umwelt- und verkehrsgerechten Erschließung des Klinikstandortes in Leipzig-Probstheida wird zur Kenntnis genommen.

2. Die Trassenvarianten A2 und B4 sind planerisch als Straßenbahntrasse zu sichern. Sie sollen im Flächennutzungsplan dargestellt werden und sind bei allen raumbedeutsamen Planungen zu berücksichtigen.

Punkt 2 ist der am Ende stehende Kompromiss in der Trassendiskussion. Dabei wird eine Straßenbahntrasse nach Stötteritz zur jetzigen Endstelle der Linie 4 genauso frei gehalten wie eine Straßenbahntrasse durch die Franzosenallee zur Prager Straße.

Es ist trotzdem Zukunftsmusik. Das wird in der Vorlage extra betont. Es löst nicht die akuten Verkehrsprobleme, sondern wird erst dann umgesetzt, wenn die LVB eine belastbare Zahl von Fahrgästen Richtung Herzklinikum sehen. Die Investition muss sich rechnen. Also heißt es in der Vorlage: “Für die langfristige Straßenbahnanbindung sollen die Trassenvarianten A2 und B4 in die übergeordneten Planungen der Stadt Leipzig übernommen werden. Bestehende Planungen, wie z.B. der Flächennutzungsplan sind im erforderlichen Umfang anzupassen.”

Viel wichtiger sind die Punkte 2 und 3 der Vorlage, die das aufnehmen, was in Foren und Workshops akut wurde. Punkt 2 zum Beispiel lautet: “Kurz- und mittelfristig soll durch eine optimierte Busanbindung des Klinikstandortes eine stärkere Nutzung des ÖPNV-Angebotes erreicht werden. Gefördert werden kann dies zusätzlich durch die Umsetzung eines nachhaltigen Mobilitätsmanagements durch den Träger und Betreiber der Kliniken am Standort, dessen Bestandteile u.a. ein Parkraumbewirtschaftungskonzept, die Einführung des Jobtickets sowie betriebliche Förderung alternativer Verkehrsarten sind.”

Das ist das, was umgehend passieren muss, um die Lage zu entschärfen. Dazu gehört auch die Einführung einer attraktiven Buslinie, die ein deutlich weiteres Gebiet umfasst als der jetzige Wurmfortsatz der Linie 76. Es gab dazu zwei extra Bus-Workshops der LVB mit den Bürgern vor Ort. Ergebnis sind drei Linienführungen, die kurzfristig umsetzbar sind. Dazu gehören zum Beispiel eine Art großer Ringverkehr der Linie 76, aber auch eine mögliche Verlängerung der Linie 78 aus Connewitz. Fünf weitere Linienführungen könnten mittelfristig umgesetzt werden, wodurch nicht nur das Herzklinikum, sondern auch die Probstheidaer Wohngebiete künftig mit einem dichteren Busnetz erschlossen werden könnten.

Umgesetzt werden soll die erste Linie schon mit dem Herbstfahrplan 2014 der LVB.

Aber natürlich braucht es auch noch andere Verbesserungen. Man kommt zwar hin zum Herzklinikum mit dem Fahrrad, erst recht, wenn man ein stabiles Mountainbike besitzt. Aber das kann keine Lösung für den Alltagsverkehr sein. Wirklich Sinn macht eine ordentliche Radverbindung erst, wenn sie keine Konfliktstellen hat und auch alltagstauglich ist. Und so heißt der wichtige dritte Punkt aus der Vorlage: “Zur Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr sollen im Klinikgelände entsprechende Abstell- und Unterstellmöglichkeiten geschaffen, die Einrichtung einer Fahrradverleihstation geprüft und die bestehenden Lückenschlüsse zwischen den angrenzenden Hauptradrouten und dem Klinikgelände geschlossen werden. Ferner sind Möglichkeiten einer Radschnellverbindung in Richtung Innenstadt, z.B. über die Naunhofer Straße zu prüfen.”

Bleibt dann trotzdem noch die Frage: Ist dann der Bau eines neuen Straßenbahngleises überhaupt notwendig? Immerhin kritisierten gerade die Probstheidaer Bürgerinitiativen den geringen Nutzen einer solchen Investition.

Aktuell gelangen 6 Prozent der Klinikbesucher mit dem ÖPNV zum Klinikum – also mit dem Klinikzubringer 76, der so selten fährt, dass man auch gleich laufen kann. So sehr überzeugend sind freilich auch die Zukunftsberechnungen der LVB nicht: “In den bisherigen Berechnungsmodellen ist mit der angedachten Realisierung einer Straßenbahntrasse künftig im Bereich Probstheida und Herzzentrum ein ÖPNV-Anteil von ca. 11 Prozent erreichbar. Dieser Anteil kann, wie Beispiele anderer vergleichbarer Standorte zeigen, durch Maßnahmen wie der Verknappung von Stellplatzangeboten oder der Bewirtschaftung vorhandener Flächen deutlich gesteigert werden.”

Da wird man auch im Hause LVB rechnen müssen, ob man mit Bussen nicht wesentlich wirtschaftlicher fährt als mit einer Straßenbahnerweiterung, die an anderen Brennpunkten der Leipziger Bevölkerungsentwicklung möglicherweise viel dringender gebraucht wird.

Der Beschlusstext: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/867280FBA4E3BD5FC1257CD6002E3C5A/$FILE/V-ds-3784-text.pdf

Die Broschüre mit den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/867280FBA4E3BD5FC1257CD6002E3C5A/$FILE/V-ds-3784-anlage-2.pdf

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