Im Grunde hätte die Begründung ganz kurz sein können: "Dafür hat Leipzig kein Geld." Aber die Ablehnung des Grünen-Antrags, das Leipziger Teilstück der ehemaligen Bahnstrecke nach Pörsten entlang des Lausener Wegs zu kaufen, fällt erstaunlich lang aus. Als wolle die Stadt der Grünen-Fraktion möglichst ausführlich erklären, dass ihr Alternativvorschlag für den Elster-Saale-Radweg viel, viel besser ist.

Eigentlich ist es kein Alternativvorschlag, sondern das Projekt, das auch vorher schon verfolgt wurde und die Grünen-Fraktion eigentlich erst animiert hatte, ihren Antrag zu stellen. Sie finden eine Radwegeführung des Elster-Saale-Radweges vom Kulkwitzer See mitten durch Grünau einfach nicht attraktiv. Die beiden Dezernate, die jetzt den Grünen-Antrag ablehnen, das Dezernat für Wirtschaft und Arbeit und das für Stadtentwicklung und Bau, augenscheinlich schon: “Der Elster-Saale-Radweg wird auf Leipziger Gebiet perspektivisch auf der Ostseite des Kulkwitzer Sees entlang geführt. Die Weiterführung verläuft durch die Alte Salzstraße zur Lützner Straße mit Anschluss an den Radweg am Karl-Heine-Kanal. Zusätzlich wird das Ziel verfolgt, parallel zur ehemaligen Bahnstrecke den Lausener Weg für den touristischen Radverkehr auszuweisen. Dafür ist kein Grunderwerb erforderlich.”

Womit das Problem dieser Wegeführung eigentlich schon benannt ist. Denn durch die Alte Salzstraße muss die Route nur gelegt werden, weil der Radweg an der Lützner Straße zwischen Kiewer Straße und der Straße am See nur einseitig ausgebaut ist und auch in einem eher buckeligen Zustand ist. Besonders schön ist dieses Stück an der Lützner Straße auch nicht. Also wurstelt man sich irgendwie durchs Neubaugebiet zum See, will die Radfahrer auch noch zur Querung der stark befahrenen Straße am See animieren. So denken Planer, denen eine Verkehrsart so egal ist wie die andere.

Also bleibt man stur: “Bei dem zu prüfenden Grunderwerb bleibt es bei der Darstellung im Radverkehrsentwicklungsplan (RBV-1261/13), nach der der Elster-Saale-Radweg auf Leipziger Gebiet perspektivisch auf der Ostseite des Kulkwitzer Sees entlanggeführt und dann weiter durch die Alte Salzstraße zur Lützner Straße verläuft mit Anschluss an den Radweg am Karl-Heine-Kanal.”

Der Vorschlag, mit dem die Grünen ein bisschen getröstet werden sollen, lautet so: “Zusätzlich wird das Ziel verfolgt, parallel zur ehemaligen Bahnstrecke den Lausener Weg für den touristischen Radverkehr auszuweisen. Ein Grunderwerb dafür ist nicht erforderlich. Die Weiterführung des Radverkehrs östlich der Schönauer Straße erfolgt bisher bereits über den Goldrutenweg, ebenfalls parallel zur früheren Bahntrasse. Die Routenführung zum Plagwitzer Bahnhof inklusive eines dafür notwendigen punktuellen Grunderwerbs sind zu prüfen.”

Womit dann immer noch nicht geklärt ist, was aus der alten Bahnstrecke werden soll. Bleibt der Schotter jetzt einfach so liegen?

Die Stadtverwaltung jedenfalls scheint mit den Gelände nichts anfangen zu können: “Im Zuge der Flächenausschreibung der Deutschen Bahn AG gab es bereits intensive Vorgespräche zwischen den Ämtern. – Richtig ist, dass die Freihaltung von Optionen für die straßenunabhängige Führung von Radwegen immer wünschenswert ist, vor allem wenn es wie im vorliegenden Fall um die attraktive Radanbindung der Stadt Leipzig an den Raum Saale/Unstrut geht. Aufgrund mangelnder Alternativen wurde außerhalb des Stadtgebietes auf der ehemaligen Bahnstrecke ein Radweg (Elster-Saale-Radweg) auf dieser Bahnstrecke angelegt, der dann in der Folge parallel zum Bahngelände bis in den Ortsteil Lausen verläuft.”
Das betrifft den Teil an Markranstädt. Wobei man dort die Sache nicht unter dem Aspekt “mangelnde Alternativen” sah, sondern als einmalige Gelegenheit, hier auf ehemaligen Bahngelände eine attraktive Radroute anzulegen, wo die Radler auch nicht mit dem überörtlichen Verkehr in Konflikte kommen. Was Radfahrer ja bevorzugen, das haben auch Leipziger Bürgerumfragen deutlich gezeigt.

Irgendwie gibt es sogar eine Untersuchung der Stadt zu den stillgelegten Bahntrassen in Leipzig und ihren Möglichkeiten der Umnutzung: “Innerhalb der Stadt gilt es, Schwerpunkte auf besonders verkehrswirksame Abschnitte und bereits vorhandene Wegeabschnitte mit zu betrachten. Vor allem diejenigen stillgelegten Bahntrassenabschnitte, die einen idealen Lückenschluss ergeben und für die es keine oder nur ungünstige Streckenalternativen gibt, sind zu favorisieren. Um für eine solche Einschätzung eine bessere Beurteilungsgrundlage zu haben, hat das SPA gemeinsam mit dem VTA 2013 eine Potentialuntersuchung für Radwege auf stillgelegten Bahntrassen erarbeiten lassen. Diese wird derzeit vertieft und mit weiteren Daten untersetzt mit dem Ziel, dem Stadtrat Umsetzungsvorschläge zur Entscheidung vorzulegen.”

Es wäre eigentlich ein simpler Akt der Transparenz gewesen, diese Informationsvorlage erst einmal zu veröffentlichen und dann die Bahnstrecke zur Entscheidung zu stellen. Jetzt diskutieren die Fachausschüsse wieder ohne diese Information. In gewisser Weise ist das wieder eine deutliche Machtdemonstration der Verwaltung.

Offen ist also, ob die Begründung dann schon diese Analyse enthält – und was die Analyse tatsächlich erbracht hat. Die Stadträte bekommen nur die Information: “Bei der Diskussion um die Weiterführung des Elster-Saale-Radwegs in Leipzig wurde natürlich die Nutzung der jetzt in Diskussion befindlichen alten Bahnstrecke als Geh-/Radwegverbindung südlich von Grünau geprüft. Aufgrund der parallelen Lage der Anliegerstraße Lausner Weg zur Bahnstrecke und des vorhandenen, oben beschriebenen Weges wurde eine Radwegverbindung auf dem alten Gleisbett nicht weiter verfolgt. Langfristig bietet sich der Lausener Weg für einen Ausbau als Radstraße an.”

Eine Radstraße ist kein Radweg. Und was unter “langfristig” zu verstehen ist, zeigt schon ein Blick auf den Stau an Leipziger Straßenbauprojekten. Das wird dann wohl 2025 sein oder 2030.

“Im Hinblick auf den gezielten Finanzmitteleinsatz der Stadt Leipzig für Infrastrukturmaßnahmen ist es trotz der zweifelsohne hohen Attraktivität einer eigenständigen Wegeführung auf einem Bahndamm nicht vertretbar, parallel zu den vorhandenen Wegebeziehungen, einer sehr wenig durch Pkw genutzten Anliegerstraße, welche auch gut durch den Radverkehr mit genutzt werden kann, einen separaten Radweg mit relativ hohem baulichen Aufwand zuzüglich Grunderwerb, Ausgleichsmaßnahmen für Neuversiegelung usw. herzustellen.”

Dass sich der Lausener Weg prinzipiell für eine veränderte Trassenführung des Elster-Saale-Radweges anbietet, gibt man ja gern zu. Aber danach versucht die Verwaltung, Äpfel mit Birnen zu vergleichen: “Grundsätzlich ergäbe sich aufgrund der randlichen Lage aus Sicht der Stadtentwicklung wenig spürbarer Mehrwert, wie es z.B. bei Radwegen auf Bahntrassen beim Bahnbogen Ost oder im Bereich Leutzsch der Fall wäre (–> Aufwertung dicht bebauter Quartiere, Beseitigung von Barrieren).”

Der Elster-Saale-Radweg ist touristischer Radwanderweg. Was in Leutzsch und beim Parkbogen Ost angedacht ist, wären innerstädtische Radrouten für den Alltagsverkehr.

Und danach kommt man eigentlich erst ans Eingemachte: Die Schwierigkeit von Leipzigs Verwaltung, ihr Schubladendenken zu verlassen. Das beginnt beim Liegenschaftsamt, das in der jüngsten Zeit immer wieder in die Kritik geraten ist. Es scheint eine Art bürokratisches UFO zu sein, das eher eigene Politik macht, als sich in die Entwicklungen der Stadtpolitik einzufügen: “Eine Position für allgemeinen Vorratserwerb ohne festgelegten Verwendungszweck, wie im vorliegenden Fall der Bahntrasse gefordert, ist im Haushalt nicht eingerichtet. Hinzukommt, dass bei einem Vorratserwerb ohne verwaltungsinternes abgestimmtes Nachnutzungskonzept eine Zuordnung der Flächen zu einem Amt schwierig ist. Die Flächen müssten beim Liegenschaftsamt verbleiben.”

Ein Argument zumindest scheint verständlich: “Ein Erwerb für Ausgleichsmaßnahmen wurde bereits im Amt für Stadtgrün und Gewässer auf Zweckmäßigkeit vorgeprüft, aufgrund bereits erfolgter Ausgleichsmaßnahmen auf der Trasse jedoch nicht für sinnvoll erachtet. Durch die Länge der Bahntrasse und des i. d. R. belasteten Untergrundes ist mit erheblichen Baukosten zu rechnen, die sicher besser in eine Sanierung der Radverkehrsanlagen in der Stadt fließen sollten.”

Warum wird die Bahnstrecke dann nicht komplett als Ausgleichsfläche erworben, wenn die Stadt schon derartige Schwierigkeiten hat, Ausgleichsflächen zu finden? Bauen kann man hier nichts, weil die Fernwärmetrasse das behindert. Es ist eine Art Niemandsland. “Im neuen Flächennutzungsplan sind in diesem Bereich keine größeren Flächen für entsprechende Nutzungen festgelegt”, heißt es in der Vorlage.

Am Ende eine Menge Text. Aber nicht einmal über den kurzen Abschnitt zwischen Thomas-Müntzer-Straße und Lausener Straße haben die beiden Dezernate augenscheinlich nachgedacht. Denn wenn man perspektivisch den Lausener Weg als Radstraße denkt, dann wäre es auch zur Sicherheit der Radfahrer ein logischer Schritt, am Blaufichtenweg die Radstrecke auf die alte Bahnroute zu legen und im Bogen direkt bis zur Lausener Staße zu führen, wo der ausgebaute Radweg zum Kulkwitzer See beginnt.

Wenn der “Alternativvorschlag” der Verwaltung irgendetwas zeigt, dann ist es die Unfähigkeit einer Verwaltung, in Alternativen zu denken.

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