Da soll das Projekt „Lebendige Luppe“ gerade einmal das Auenentwicklungskonzept fertig haben, aber 2023 will das Leipziger Baudezernat auch eine der wichtigen Brücken durch das Auwaldgebiet neu bauen: die Brücke über die Nahle im Verlauf der Gustav-Esche-Straße. Die 1928 gebaute Brücke ist an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angekommen. Und anders als bei den stromauf liegenden Eisenbahnbrücken soll diesmal die Veränderung im Auensystem unbedingt mitbedacht werden.

Denn eines steht heute schon fest – und auch Leipzigs Verwaltung hat das mittlerweile verinnerlicht: dass Nahle und Neue Luppe so nicht bleiben können, wenn der nordwestliche Auenwald nicht vertrocknen soll. Ihre Sohle muss zwingend angehoben werden. Man hat sich mittlerweile auch auf ein Maß geeignet.

„Es sind Anforderungen aus dem Projekt ,Lebendige Luppe‘ zu beachten. Geplant ist eine Sohlanhebung der Nahle um 2,50 m, was einen prinzipiellen Anstieg des Wasserspiegels im Normalzustand als auch bei Hochwasser zur Folge hat. Das BHQ 150 wurde mit 103,93 bzw. 104,05 m NHN zzgl. 50 cm Freibord ermittelt. Die neue Brücke ist dafür ausreichend dimensioniert“, heißt es jetzt in der Vorlage des Baudezernats.

Diese Tatsache führt freilich auch dazu, dass das Dezernat dem Stadtrat zwar mehrere Bauvarianten vorschlägt, auch einige deutlich teurer, bei denen der Radweg neben der Nahle unter der Brücke hindurchgeführt wird.

Aber diese Varianten mit Radweg unter der Brücke sind in jedem Fall deutlich teurer, sie sind auch nicht überflutungssicher: „Der uferbegleitende unterführte Fuß-/Radweg der Vorzugsvariante müsste bei Realisierung des Projektes ,Lebendige Luppe‘, wenn gewünscht, in eine überflutungssichere und wasserdichte Variante umgebaut werden. Dies ist technisch möglich.“ Er kostet nur im Schnitt bis zu zwei Millionen Euro mehr.

Und anders als an der Brücke über die Neue Luppe hat man es hier ja nicht mit einem ausgebauten Radweg auf der Deichkrone zu tun. Tatsächlich kommt man von einem Waldweg und fährt nach queren der Brücke auch auf einem Waldweg weiter. Da macht das ebenerdige queren mehr Sinn, stellt das Planungsdezernat fest. Auch wenn auf der Gustav-Esche-Straße gerade in der Woche eine Menge Verkehr ist.

„Nach der Aktualisierung der Daten zur Prognose 2030 für die Georg-Schwarz-Straße, Straße Am Ritterschlößchen und die angrenzenden Straßen ergibt sich für die Gustav-Esche-Straße eine aktualisierte Prognosebelastung mit künftig 22.470 Kfz/24 h (Stand 14.03.2019). Es verkehrt die Linie 80 der LVB (Verbindung Lindenau/Plagwitz-Wahren) auf der Gustav-Esche-Straße werktags im 20-min-Takt“, schreibt das Dezernat in seiner Vorlage.

„Unter dem Ansatz der Spitzenstundenbelastung von 8 % ergibt sich eine Verkehrsstärke von 1.798 Kfz/Spitzenstunde im Querschnitt. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h und > 1000 Kfz/Spitzenstunde sind nach RASt 06, 6.1.8 Überquerung von Fahrbahnen durch Fußgänger Querungsanlagen erforderlich.“

Die Vorzugsvariante mit Querungshilfe südlich der Brücke. Grafik: Stadt Leipzig
Die Vorzugsvariante mit Querungshilfe südlich der Brücke. Grafik: Stadt Leipzig

Die gibt es bislang noch nicht. Man muss als Fußgänger und Radfahrer aufpassen wie ein Schießhund. Und es sind auch hier deutlich mehr Radfahrer/-innen unterwegs. Man merkt es. „In der Gustav-Esche-Straße ist ein Anstieg des querenden Radverkehrs zu verzeichnen, mit einem weiteren Anstieg des Radverkehrs ist zu rechnen. Im Freizeitverkehr wird außerdem von 50 querenden Fußgängern in der Spitzenstunde ausgegangen. Aufgrund des hohen Aufkommens an querenden Fußgängern und Radfahrern besteht die Notwendigkeit einer sicheren Querung der Gustav-Esche-Straße.“

Der Kilometerweg westlich der Gustav-Esche-Straße gilt inzwischen auch als IR IV-innerstädtische Radverbindung und hat damit zukünftig Netzbedeutung, so das Dezernat. Hier werden also noch viel mehr Radfahrer/-innen die Straße queren. Aber in diesem Fall spricht sich das Verkehrsdezernat auch einmal explizit gegen eine Bedarfsampel („Bettelampel“) aus, weil sie einerseits für Radfahrer zu langen Wartezeiten führe (welch eine Überraschung) und ebenso den Kfz-Verkehr auf der Gustav-Esche-Straße immer wieder zum Stehen bringen würde.

Was also ist die Lösung?

Ein Fahrbahnteiler (sprich: eine Querungshilfe) südlich der Brücke: „Die Querung der Gustav-Esche-Straße erfolgt in dieser Variante niveaugleich mit mittigem Fahrbahnteiler. Die Breite der Wartefläche wird mit 4,0 m und die Tiefe mit 3,00 m entsprechend RASt 06 und ERA angesetzt. Die Breite ermöglicht auch ein Schrägaufstellen von Fahrrädern mit Anhänger. Durch den 3 m tiefen Fahrbahnteiler ist vor und hinter diesem die Verziehung der Fahrspuren und des Radstreifens auf einer Länge von mindestens 20 m lt. RASt 06 mit einer Verbreiterung der Straße und die Anbindung vorhandener Wege notwendig.“

Das Problem ist in der Planskizze zu sehen: Man würde an den Radwegen die Straße nicht mehr direkt überqueren, sondern müsste erst einmal 20 Meter nach Süden fahren, um zur Querungshilfe zu kommen. Was eigentlich kein Problem ist, wäre nicht das ganz normale menschliche Verhalten zu erwarten, dass die einen dann doch direkt queren und die anderen die Querungsinsel nutzen.

Wahrscheinlich gilt es da doch noch ein wenig zu knobeln.

Die Brücke über die Nahle von Osten. Foto: Ralf Julke
Die Brücke über die Nahle von Osten. Foto: Ralf Julke

Klar ist aber jetzt schon, dass die lichte Weite der Brücke für künftige Hochwasser größer werden muss. Bislang gilt: „Die lichte Weite der Brücke wird durch den Abflussquerschnitt des Gewässers bestimmt und beträgt im Bestand ca. 17,99 m mit einem Abstand von Konstruktionsunterkante (mittig) zur Flusssohle von 5,43 m.“

Künftig soll in der Vorzugsvariante, die nach ersten Schätzungen rund 4,95 Millionen Euro kosten wird, gelten: „Die neue Brücke wird als tiefgegründeter Stahlbetonrahmen mit einem Überbau als gevouteter Plattenbalken ausgeführt. Die Widerlager werden hinter den Bestandsunterbauten gegründet, wodurch ein größerer Durchflussquerschnitt für die Nahle erreicht wird. Die lichte Weite beträgt für den Neubau 21,79 m.“

Die Ratsfraktionen können sich jetzt mit den verschiedenen Varianten, die das Planungsdezernat untersucht hat, beschäftigen.

Angestrebt wird ein Baubeginn ab 2023. Der voraussichtliche Bauzeitraum beträgt etwa 1 Jahr und 2 Monate, was dann in den Jahren 2023/2024 passieren könnte.

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Es gibt 2 Kommentare

Was muss man hier lesen, für die Querung G-Esche-Str. über die Nahle wird eine neue Brücke in 2023 erforderlich? Und es wird auch gleich vom vta die Konstruktion der Brücke vorgegeben – eine Brücke als tiefgegründeter Stahlbetonrahmen mit einem Überbau als gevouteter Plattenbalken!
Da ist man doch als Laie glattweg erschlagen. Man fragt sich nur – was hat eine Stahlbetonbrücke in Zeiten des Klimanotstandes mit Nachhaltigkeit zu tun? Reineweg nichts, denn die Brücke wäre dann wieder später mal nicht recyclebar! Das bischen Bewehrungsstahl fällt fürs Recyclen wenig ist Gewicht. Den vielen Beton kann man ggf. nur noch für Straßenunterbau verwenden, wenn überhaupt.
Zudem bauen Stahlbetonbrücken weitaus höher auf, da der Spannstahl tief im Beton liegen sollte, wegen der Korrossion. Sie sind im Querschnitt höher als Stahlbrücken.
Stahlbrücken sind in der Konstruktion leichter , können flacher gebaut werden, sind höher belastbar, besser zu warten, langlebiger und der ganze Stahl, dh. die komplette Brücke, ist recycelbar! Vielleicht sind Stahlbrücken auch noch preisgünstiger.
Also warum werden unter der Regie das vta in Leipzig keine Stahlbrücken gebaut? Kennt beim vta keiner eine Stahlbaufirma oder hat das vta keine Mitarbeiter, die beim Studium mal was mit Stahlbau zu schaffen hatten? Jetzt kann man nur noch auf den neuen Baubürgermeister hoffen, das der etwas mehr Durchblick hat und auch etwas von zukunftsweisenden Bauweisen versteht.

Warum auch immer das journalistische Gedächtnis so eingeschränkt ist: die Entwicklung der Aue wurde beim Bahnbrückenneubau durchaus “mitgedacht”! Sowohl von Verbänden als auch von der Stadt Leipzig. Dieses “Mitdenken” führte jedoch (weder bei den einen noch bei den anderen) dazu, dieses Anliegen (ein technisch durchaus möglicher Brückenbau, der einem perspektivischen großen Auenrevitalisierungsprojekt in der Nordwestaue nicht auf weitere Jahrzehnte bauliche Grenzen zementiert) auch berücksichtigen zu lassen. Auch die Möglichkeit eines Widerspruchsverfahrens auf Grundlage einer entsprechenden vorherigen Stellungnahme wurde nicht genutzt (weder von den einen noch von den anderen, die am Planverfahren beteiligt waren). Zumindest bei der Stadt Leipzig wird es dafür Gründe geben, die nicht bei begrenzten Mitteln für einen Rechtsstreit liegen.

Es ist schon merkwürdig, dass jetzt von einigen so getan wird, als wäre noch Großartiges möglich, nachdem gerade erst (!) wissentlich eine Grundvoraussetzung dafür (eine auendynamische Flutungen zulassende ICE-Brücke) im doppelten Wortsinne ver-baut wurde.

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