Seit rund vier Wochen ist der Termin offiziell, nun wird es ernst: Mit der Sprengung des 170-Meter-Schlots auf dem Gelände der Stadtwerke in der Arno-Nitzsche-Straße verabschiedet sich am kommenden Sonntag nicht weniger als ein Wahrzeichen der Braunkohle-Ära aus dem Leipziger Stadtbild. Wir geben Ihnen und Euch alle wesentlichen Informationen zum Ablauf und den Einschränkungen für Anlieger.

Nach langem Hin und Her und mehreren Terminverschiebungen – immerhin war die Sprengung ursprünglich schon für 15. September 2022 angesetzt – läuft die Galgenfrist für den Stahlbeton-Schornstein auf dem Stadtwerke-Areal in der Arno-Nitzsche-Straße 35 endgültig ab. Der 170 Meter hohe Schlot des ehemaligen Heizwerks „Max Reimann“, der seit Jahren keine praktische Funktion mehr hat, wird am Sonntagvormittag, dem 10. September, im Auftrag der Stadtwerke gesprengt.

Schornstein und Häuser ringsherum.
Rund um den Schornstein ist für die Sprengung am Sonntag ein Sperrkreis angeordnet. Foto: Lucas Böhme

Sperrkreis ab Sonntagmorgen rund um das Gelände

Absperrplan zur Sprengung.
Der Absperrplan für Sonntag. Grafik: Stadtwerke Leipzig

Zur Gewährleistung der Sicherheit hat die Stadt Leipzig für Sonntag eine Allgemeinverfügung nach dem Sächsischen Polizeibehördengesetz herausgegeben. Demnach wird vor der zwischen 10:00 und 10:30 Uhr vorgesehenen „Niederführung“ des Schornsteins, wie es im Fachjargon heißt, eine Sperrzone eingerichtet, die bis 08:00 Uhr von allen Nachbarinnen und Nachbarn komplett geräumt werden muss.

Das Betreten des Bereichs und jeglicher Aufenthalt, ob im Freien oder innerhalb von Gebäuden, ist unter Androhung unmittelbaren Zwangs untersagt. Das Ende der Sprengung und die Aufhebung des Sperrkreises werden demnach vor Ort bekannt gegeben.

Konkret betroffen sind die Arno-Nitzsche-Straße 29, 31A, 30, 32, 35, 35A und 37; die Köhraer Straße 5, 6, 7, 9 und 14; die Meusdorfer Straße 80 sowie die Threnaer Straße 1, 1A, 2, 3, 5, 7, 9, 11, 12 und 13. Dazu kommen Teile der Kleingartenvereine „Reichsbahn Connewitz e. V.“ und „Waldidyll e. V.“ sowie der gesamte Friedhof Connewitz.

Weitere Einschränkungen während der Sperrzeit

Auch Fahrzeuge dürfen vorübergehend nicht im Sperrgebiet abgestellt werden, das freie Umherlaufen eventueller Haustiere dort ist zu vermeiden, heißt es in der Verfügung. Zudem erinnert die Stadt daran, vor der Sprengung Fenster zu schließen, Rollläden herunterzulassen, keine Wäsche im Freien zu trocknen, sensible Bebauungen (z. B. Solardächer, Fotovoltaik-Anlagen) abzudecken, Belüftungs- und Klimaanlagen auszuschalten. Dies sei, zumal bei trockenem Wetter, wegen der erwartbaren Staubentwicklung auch über die Sperrzone hinaus anzuraten, erklärt die verantwortliche Sprengmeisterin der Thüringer Sprenggesellschaft, Ulrike Matthes.

Fanfarenstöße als Warnsignal

Die 39-jährige Thüringerin wird die Beseitigung der Esse mit etwa 100 Kilogramm Sprengstoff am Sonntagvormittag vollstrecken, ihre Firma kooperiert dazu mit der Reinwald GmbH aus Böhlen. Dem Plan nach soll der alte Schlot durch eine sogenannte Dreifach-Faltung mit wechselseitig geöffneten Sprengmäulern in Nord-Süd-Richtung zusammenknicken. Dazu wurde der Sprengstoff an drei verschiedenen Stellen installiert.

Akustische Warnsignale werden den Vorgang begleiten: Ein langer Fanfarenstoß bedeutet „Achtung! Absperrung herstellen! In Deckung gehen!“, nach diesem Signal darf sich keine Person mehr im Sperrbereich aufhalten. Zwei kurze Fanfarenstöße kündigen an „Achtung! Es wird gezündet!“, drei kurze Fanfarenstöße zeigen wiederum „Sprengung beendet!“ an.

Die gesamte Räumung des 200-Meter-Radius um den Schornstein soll planmäßig bis 12:00 Uhr am Sonntag andauern, ehe Anwohnerinnen und Anwohner voraussichtlich wieder in ihre Häuser zurückkehren dürfen.

Für die Nacharbeiten, vor allem den Abtransport des Schutts, wird dann ein Zeitraum von bis zu fünf Monaten veranschlagt. Gearbeitet werde wochentags zwischen 7:00 und 16:00 Uhr, man bemühe sich, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, sichern die Leipziger Stadtwerke zu.

Betriebszeit als Schornstein dauerte nur neun Jahre

Auf dem Gelände Arno-Nitzsche-Straße 35 war Ende des 19. Jahrhunderts ein Gaswerk entstanden, das zu DDR-Zeiten ab 1952 offiziell „Gaskokerei Max Reimann“ hieß. Ab den 1970er-Jahren wurde Leipzig von hier aus mit Fernwärme aus verfeuerter Braunkohle versorgt. Der Schornstein selbst entstand dann ab 1984 und war von 1987 bis zum letzten Braunkohle-Zug 1996 nur neun Jahre in Betrieb. Nach seiner Stilllegung wurde er vorübergehend zum Antennenträger für TV-Sendungen und Digitalradio umgebaut.

Doch mit der Inbetriebnahme des neuen Leipziger Funkturms entfiel auch diese Funktion, seither hatte der im Volksmund als „langer Lulatsch“ bezeichnete Schlot keine praktische Nützlichkeit mehr. Gleichwohl forderte er weiterhin jährlich beträchtliche Energie- und Instandhaltungskosten ein. Dieser Zustand soll mit der Sprengung nun beendet werden.

Sie war eigentlich bereits für 2022 geplant, wurde aber wegen notwendiger Hintergrundgespräche mehrfach verschoben: Anwohner hatten aufgrund von Sicherheitsbedenken zunächst ihr Veto eingelegt.

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