Er ist der wohl bekannteste und durchaus auch erfolgreichste Rechtsanwalt Leipzigs, wenn es um Sozialrechtsfragen und Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit geht. Mal zwingt er die Behörde zu mehr Transparenz, mal deckte er bereits den schlampigen Umgang des Jobcenters Leipzig mit den Daten der Klienten auf. Dirk Feiertags Wahlspruch zur Tätigkeit als Anwalt für viele Erwerbslose und den Verdienstmöglichkeiten im Gegensatz zu manchem Vertrags- oder Immobilienrechtler dabei: "So kann ich Nachts gut schlafen". Zu den geplanten Neuregelungen im SGB II nahm er kurz nach Bekanntwerden im Vorfeld der Protestveranstaltung am 02.10.2014 gegenüber L-IZ.de Stellung.

Wie schätzen Sie die derzeitige Diskussionslage zu den Veränderungen im SGB II ein?

Seit etlichen Monaten haben die Bundesagentur für Arbeit, Vertreter der Jobcenter, die Kommunen, die Länder und der Bund hinter verschlossenen Türen die Grundlagen für eine SGB II-Reform erarbeitet. Sozialverbände, Erwerbsloseninitiativen und zum Teil sogar die Oppositionsparteien waren von den Beratungen ausgeschlossen. Die wenigen öffentlich gewordenen Vorschläge hatten und haben es hingegen in sich.

Es wurde unter anderem die Einführung von Widerspruchsgebühren, die Abschaffung von Überprüfungsmöglichkeiten, eine weitere Reduktion der Übernahme von Unterkunftskosten und eine Verschärfung von Sanktionen gefordert.

Offiziell wird derzeit gern von “Rechtsvereinfachungen” gesprochen. Dies wäre ja auch durchaus positiv angesichts der vielen Rechtsstreite.

Der nun unter dem beschönigenden Titel “Rechtsvereinfachung” öffentlich gewordene erste noch sehr vage gehaltene Entwurf des Abschlussberichts enthält viele der anfänglich geforderten Verschärfungen. Die Schaffung eines Sonderrechts für den Bereich des Arbeitslosengeld II wird weiter zementiert. Es fällt deutlich unter die sonst für das Sozial- und Verwaltungsrecht geltenden rechtsstaatlichen Grundsätze.

Für die ALG II-Empfänger positive Veränderungen sind nur in den Bereichen geplant, in denen in Kürze ohnehin mit einer entsprechenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgerichts zu rechnen ist.
Was sehen Sie für Rechtsfolgen in der Praxis, wenn diese Vorschläge Realität werden?

Sollte der vorliegende Entwurf Gesetz werden, haben sich die Leistungsempfänger auf neue faktische Kürzungen einzustellen. Sie werden unter anderem schneller zum Umzug aufgefordert. Die Sanktionen für Meldeversäumnisse steigen auf 30 % der Regelleistung. Die Aufrechnungsmöglichkeiten für das Jobcenter werden erleichtert. Zahlungen des Jobcenters können schneller eingestellt werden. Die Übernahme von Betriebskostennachzahlungen durch das Jobcenter wird ebenfalls erschwert.

Rechtswidrige Bescheide zu ändern, wird für die Betroffenen deutlich schwerer. Die schon bereits jetzt stark eingeschränkte Möglichkeit rechtswidrige Bescheide gemäß § 44 SGB X überprüfen und ändern zu lassen, wird für den Bereich des ALG II nun fast komplett abgeschafft.

Sollte, wie noch in den Veränderungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit enthalten, zudem eine Widerspruchsgebühr von 20 ? von den Hilfeempfängern verlangt werden, wird es sich kaum ein Hilfesuchender leisten können, rechtlich gegen falsche Bescheide des Jobcenters vorzugehen.

Gibt es auch gute Nachrichten bei den geplanten Veränderungen?

Positiv ist hervorzuheben, dass mit den Rechtsveränderungen die nicht zu rechtfertigende Verschärfung von Sanktionen für unter 25-Jährige entfällt und zukünftig auch nicht die Kosten der Unterkunft von einer Sanktion betroffen sein dürfen.
Was von den Neuregelungen könnte nicht rechtskonform sein?

Die rechtliche Prüfung der Neuregelungen kann grundsätzlich erst mit der konkreten Vorlage der Gesetzestextänderungen vorgenommen werden. Daher ist bei einer rechtlichen Wertung grundsätzlich Vorsicht geboten. Dennoch lassen sich bereits jetzt folgende Konflikte erkennen: Da bereits die bestehenden Sanktionen gegen das Grundrecht auf Existenzsicherung verstoßen, halte ich auch die geplanten Verschärfungen in diesem Bereich für rechtswidrig.

Große rechtliche Probleme sehe ich zudem im Bereich der Neuregelung der Kosten der Unterkunft.

Auch die Möglichkeit, SGB-II Leistungen ohne vorherige Aufhebung des Leistungen bewilligenden Ausgangsbescheids aufzurechnen, ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien nur schlecht zu vereinbaren.

Ihr Fazit zum derzeitigen Stand der Diskussion?

Der Gesetzgeber plant eine massive Verschärfung des Arbeitslosenrechts und hofft diese so ohne größeren öffentlichen Diskurs durchzusetzen zu können. Gelingt es den Sozialverbänden, Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen, eine breite gesellschaftliche Debatte hierüber zu entfachen, dürften die geplanten Kürzungen mit einiger Sicherheit geringer ausfallen.

Zurück blieben die tatsächlichen Rechtsvereinfachungen, die soweit sie zur Entbürokratisierung beitragen, allen nützen.

Zur Kanzlei von Dirk Feiertag
www.fsn-recht.de

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