Da war dann wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. Gibt ja genug Leute in Deutschland, die ein pekuniäres Interesse daran haben, dass die Deutschen Wohneigentum erwerben. Das wird ihnen gern als Altersvorsorge verkauft und als innigster Wunsch. Und so tauchte im "Schnellbericht zur Kommunalen Bürgerumfrage 2011" dann auch die fröhliche Verkündung auf, dass der Anteil der im Eigentum wohnenden Leipziger deutlich anwuchs.

Die Tabelle ist nur im gedruckten Bericht zu finden. Im Internet, wo man den “Schnellbericht” herunterladen kann, ist die Sache korrigiert. Denn was Bausparkassen sich wünschen, wird nicht deshalb schon Wirklichkeit, bloß weil sie es sich in aufwändigen Werbekampagnen immerfort wünschen.

Die Bautätigkeit in Leipzig ist stabil. So hatte das in der letzten Woche auch der jüngste Grundstücksmarktbericht bestätigt. Es ist ein fester, aber überschaubarer Anteil der Bevölkerung, der baut und kauft – so klein, dass er seit 1999 die eigentlichen Anteile am Wohnstatus der Leipziger nicht mehr wirklich beeinflusst. Ein paar Leute kaufen auch Wohneigentum. Aber dieser Anteil an der Gesamtbevölkerung ist noch geringer – 2 Prozent. Immerhin 10 Prozent wohnen im eigenen Haus. Aber was in der statistischen Reihung wie ein prozentualer Zuwachs aussieht, ist keiner. Auch wenn 1993 nur 6 Prozent der Leipziger im eigenen Haus wohnten, 1999 aber 11 Prozent.

1999/2000 waren die großen Eingemeindungen. Das allein veränderte die Proportionen. Und die sind danach bis heute gleich geblieben. 12 Prozent der Leipziger wohnen im Eigentum. Und auch der Anteil der Inhaber von Eigentumswohnungen steigt nicht, obwohl sie Jahr für Jahr den Löwenanteil an allen Immobilienverkäufen ausmachen. Der Grund ist simpel: Es sind vor allem Geldanleger aus Westdeutschland, die solche Wohnungen kaufen.

Die meisten Leipziger haben das Geld für solche Anschaffungen gar nicht. Auch widerspricht ihr ganzer Lebensstil dem dauerhaften Immobilienerwerb. Seit 1999 ist der Wert stabil: 86 bis 88 Prozent der Leipziger leben in Mietwohnungen oder angemieteten Häusern. Der Ausrutscher war nur 2009 in der Bürgerumfrage, als nur 84 Prozent angaben, zur Miete zu wohnen. Was möglicherweise auf die Größe der befragten Gruppe zurückzuführen ist: Damals beteiligten sich 1.124 Leipziger an der Bürgerumfrage.

Die Bürgerumfrage 2011 war wesentlich größer angelegt. 16.000 Leipziger wurden angeschrieben. 8.731 füllten ihre Fragebögen aus, was zumindest vermuten lässt, dass die 2011er Ergebnisse nicht nur detaillierter, sondern auch noch um ein Stück belastbarer sind. Klare Ansage: 87 Prozent leben zur Miete, nur 12 Prozent im Eigentum, 2 Prozent entweder zur Untermiete oder in den diversen Formen von Heimen.

Und stabil ist auch der Anteil der Leipziger, die über kurz oder lang einen Umzug planen. Und den plant man in der Regel nicht, wenn man ein Haus an der Backe hat. Später vielleicht doch, wenn die überzeugten Häuslebauer mitbekommen, dass die Kinder überhaupt kein Interesse an diesem Sonnenscheinhäuschen haben, weil es nicht da steht, wo sie Arbeit bekommen. Oder weil die Wege zu Kita, Schule, Einkauf sinnlos lang und nur mit dem Auto zu bewältigen sind.

Seit 1999 – und das ist nun augenscheinlich die Zäsur, die die jüngere Leipziger Vergangenheit von der gelebten Gegenwart trennt – äußern sich bei jeder Umfrage zwischen 12 und 15 Prozent der Befragten, sie wollten unbedingt umziehen. Weitere 22 bis 27 Prozent haben das in nächster Zeit “möglicherweise” vor. 2011 betrugen diese Zahlen 14 und 26 Prozent.Und aus den Umfragen können auch alle Immobilienverkäufer ablesen, dass ihnen das Experiment, auch nur den Großteil der Stadtbewohner zu Immobilienkäufern zu machen, niemals gelingen wird. Die hohen Zahlen zur Umzugsbereitschaft bedeuten nämlich auch, dass jeder Leipziger im Schnitt aller vier Jahre umzieht. Aus unterschiedlichen Gründen. Mal wird die Wohnung zu klein, mal wird sie zu groß, mal wird sie saniert, mal wird sie zu teuer.

Das Ergebnis: Die Leipziger ziehen zwar oft um – aber seit 1999 stabil vor allem in der eigenen Stadt. 75 Prozent der Umzugswilligen haben Ziele in Leipzig im Sinn – im selben Wohnviertel (27 %), im selben Stadtbezirk (26 %) oder in einem anderen Stadtbezirk (22 %).

Nur 7 Prozent der Umzugswilligen wollen umziehen, weil sie Wohneigentum erwerben wollen. Womit man wieder bei 2 Prozent vom Gesamtkuchen der Befragten wäre.

Wichtiger sind der Beginn einer Ausbildung (16 %), einer Familiengründung (16 %), die Wohnung wird zu klein (13 %) oder die Mietkosten werden zu hoch (12 %).

Da fällt einem doch gleich wieder das Alarm-Getute aus diversen Leipziger Zeitungen ein.

Aber der Blick auf die Statistik zeigt: Der durchschnittliche Leipziger Mietpreis steigt zwar kontinuierlich. Aber er steigt nicht da hin, wo ihn die Alarm-Tuten schon sehen.

Punktuell schon. Das macht ja auch Sinn. Einige besonders begehrte Lagen in Leipzig sind mittlerweile so nachgefragt, dass sie tatsächlich nur noch für Gutverdiener in Frage kommen. Teile der Südvorstadt gehören dazu, Teile von Süd-Gohlis, dem Waldstraßenviertel oder den neuen Wohnlandschaften an der Elster. Wenn hier die Mieten auf 7 oder 10 Euro steigen, bedeutet das logischerweise fürs Gesamtmietniveau der Stadt auch eine leichte Steigerung. Von 2010 auf 2011 zum Beispiel von 4,98 Euro auf 5,00 Euro. Es geht also – statistisch – in Cent-Beträgen aufwärts.

Der durchschnittliche Leipziger Haushalt zahlt trotzdem nur 299 Euro Grundmiete im Monat. Das ist für etliche Haushalte trotzdem happig viel Geld. Aber die richtige Preistreiberei passiert an anderer Stelle – bei den Nebenkosten. Mittlerweile zahlen die Leipziger 2,08 Euro pro Quadratmeter an Nebenkosten. Was die durchschnittliche Mietbelastung auf 416 Euro erhöht. Was einige Haushalte mittlerweile arg unter Druck setzt.

Die Einkommen sind zwar 2011 statistisch wieder etwas gestiegen – von 1.036 auf 1.066 Euro pro Person. Was 2,9 Prozent entspricht und nur wenig mehr ist als ein Inflationsausgleich. Der Zuwachs erstreckt sich nur auf den ersten Blick über alle Gruppen.

Denn eine Gruppe fällt deutlich aus dem Rahmen: Selbstständige haben seit 2009 mit fortlaufenden Einkommenseinbußen zu kämpfen. 2009 hatten sie noch ein Durchschnittseinkommen von 1.316 Euro, 2010 fiel es schon auf 1.160 Euro und 2011 ging das so weiter – da rutschten sie auf 1.085 Euro. Womit die Selbstständigen, die in den Städten der westlichen Bundesrepublik für gewöhnlich zu den Besserverdienenden gehören, in Leipzig mittlerweile weniger verdienen als Facharbeiter. Die konnten ihr Durchschnittseinkommen von 1.085 auf 1.117 Euro erhöhen.

Gründe dafür dürfte es mehrere geben. Einer dürfte sein, dass auch etliche in Leipzig tätige Unternehmen ihre Arbeitskräfte nicht mehr anstellen, sondern als Sub-Unternehmer in Auftrag nehmen. Die Zahl der Selbstständigen wird also auch um Leute vergrößert, die tatsächlich gar nicht selbstständig sind. Dazu kommt auch das bunte Gezerre um das, was man so landläufig “Kreativwirtschaft” nennt. Das wird zwar von den einschlägigen politischen Instanzen seit Jahren als plakatives Arbeitsfeld herausgetutet – dass die Kreativwirtschaft aber von Aufträgen lebt und die regionale Vergabepolitik das Feld besetzen muss, dringt nicht durch. Nicht wirklich.

Im Gegenteil: Der aufgeblasene Eiertanz um die Kreativwirtschaft entpuppt sich mit jedem Jahr mehr als Deckmäntelchen für eine tatsächlich politische Handlungsverweigerung. So nach dem Motto: Wir untersuchen erst mal, bis dahin passiert erst mal gar nichts.

Der Rest wird dann mit plakativer Befindlichkeits-Politik zugekleistert. Stichwort Sicherheit.

Das nehmen wir uns als Thema morgen vor.

Der “Schnellbericht” ist im Internet abrufbar unter: www.leipzig.de (http://www.leipzig.de/imperia/md/content/12_statistik-und-wahlen/lz_bumfr2011-1.pdf)

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