Das Fazit der "Frankfurter Rundschau" war am Ende eindeutig: Was da am Wochenende in Frankfurt zu erleben war, war ein Sieg für die Blockupy-Bewegung. Die Stadt Frankfurt selbst blamierte sich mit ihrem martialischen Großaufgebot an Polizei gründlich, mit ihrer Argumentation gegen vermeintliche "Linksextremisten" sowieso. Ein weiterer Versuch, die berechtigte Kritik der Demonstranten an der Erpressungspolitik gegenüber Griechenland zu diskreditieren.

Denn genau so hatten die Anzugträger der Europäischen Zentralbank (EZB) ja nach der Griechenland-Wahl vom 6. Mai reagiert, weil ihnen das Wahlergebnis nicht passte und die politischen Unsicherheiten nicht gefielen. Dass die Wahl selbst Ergebnis einer seit 2010 laufenden Erpressungspolitik war, bei der auch die EZB die Daumenschrauben für das südeuropäische Land immer mehr anzog, wurde nicht einmal reflektiert.

Mit der Strategie der Europäischen Zentralbank, mehreren griechischen Banken keine weitere Liquidität zur Verfügung zu stellen, wurde der Druck noch weiter erhöht. “Mit dieser Entscheidung beteiligt sich die EZB an der Erpressung Griechenlands. Sie will das Land zwingen, die desaströse Austeritätspolitik fortzuführen, die weder tragbar noch erfolgreich ist”, sagte Thanos Contargyris von Attac Hellas, der an den Frankfurter Blockupy-Protesten teilnahm. Angesichts erster Berichte über einen drohenden Bankrun in Griechenland warf er der EZB vor, eine dramatische Eskalation der Krise in Kauf zu nehmen.

“Statt zuzusehen, wie die EZB sich jetzt auch noch massiv in die griechischen Wahlen einmischt, muss endlich die Zentralbank selbst unter demokratische Kontrolle gestellt werden”, forderte am Wochenende Stephan Lindner, Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. “Die EZB trägt große Mitschuld an dem wirtschaftlichen Desaster, das die Politik der Troika in Griechenland angerichtet hat. Deshalb darf ihr jetzt nicht erlaubt werden, sich einfach aus der Verantwortung dafür zu stehlen.”

Als Alternative zu einer immer weiteren Verschuldung und blühenden Korruption, in die auch zahlreiche deutsche Konzerne verstrickt sind, fordert Attac bereits seit längerem ein Schuldenaudit. Bei einem Schuldenaudit werden alle Schulden unter den Gesichtspunkten Legalität, Legitimität, Verwerflichkeit und Tragfähigkeit untersucht. Schulden, die unter diesen Aspekten negativ zu bewerten sind, müssen gestrichen werden.

Gleichzeitig werden mit einem solchen Verfahren die Strukturen aufgedeckt, die in den letzten Jahren in die starke Verschuldung geführt haben.Dazu Sonia Mitralia, Mitglied im griechischen Komitee für ein Schuldenaudit: “Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass in Griechenland eine klare Mehrheit die Politik der Troika ablehnt. Durch ein Schuldenaudit können die Menschen ihr Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen. Deshalb gewinnt die Idee in Griechenland auch immer mehr Anhänger. SYRIZA hat unsere Forderung sogar zu einem der fünf Punkte erklärt, auf deren Grundlage sie mit anderen Parteien Koalitionsgespräche führen wollten”.

Das globalisierungskritische Attac-Netzwerk fordert ein völlig neues Statut für die EZB, das die Möglichkeit zur Staatenfinanzierung ebenso einschließt, wie eine Regulierung zur Verhinderung von Spekulationsblasen.

Dazu Karsten Peters, Finanzmarkt-Experte von Attac: “Das Statut der EZB eignet sich nur für eine Schönwetterökonomie. Zur Bewältigung der Eurozonen-Krise und um Finanzmarktstabilität zu gewährleisten, ist es mit seinem einseitigen Fokus auf Preisstabilität völlig unzureichend. Es muss für die EZB möglich sein, unmittelbar oder über eine zwischengeschaltete öffentliche Bank Staaten zu finanzieren. Nur so können diese die nötige Unabhängigkeit von privaten Investoren erreichen. Durch entsprechende Garantien hätte die EZB die Dynamik der Eurozonen-Krise unterbrechen können.”

Des Weiteren hätte aus der Sicht von Attac das EZB-System eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Preisblasen spielen können. Peters: “Mit einer kleinen Änderung bei den verpflichtenden Einlagen im EZB-System, mit sogenannten Aktivmindestreserven bezogen auf einzelne Anlageklassen hätte zum Beispiel die Entstehung von Immobilienblasen wie in Irland oder Spanien verhindert werden können.”

Die Finanzmärkte und ihre Krisen hätten eine derartige Dimension und Dynamik, dass eine zukunftsfähige Zentralbank auch solche Aufgaben erfüllen müsse.

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Die Vertreter von Attac erklärten, dass die EZB zum Schauplatz der Proteste wurde, weil sie wesentlich für die Kürzungspolitik und damit für die Verarmung in vielen europäischen Ländern verantwortlich sei, während sie gleichzeitig die Banken mit billigem Geld versorge.

“Als Mitglied der Troika ist die EZB ein Rammbock für die Kürzungspolitik im Süden Europas und damit mitverantwortlich für die dortigen Verarmungsdynamiken,” erklärte Alexis Passadakis, Mitglied im Rat von Attac. “Gleichzeitig stellte die EZB den Banken in den letzten Monaten eine Billion an zinsgünstigen Krediten zur Verfügung. Die institutionelle Unabhängigkeit der EZB ist eine Farce: Denn damit wird de facto eine Politik allein für die Finanzinstitutionen gemacht, und gegen große Teile der europäischen Bevölkerung. Dringend notwendig ist daher eine demokratische Kontrolle der EZB.”

Die “Frankfurter Rundschau” zu Blockupy Frankfurt: www.fr-online.de

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