Bevor 2009 die Neufassung des Stadtteilplans (STEP) Zentren diskutiert wurde, war immer wieder die Rede vom "Leipziger Laden", von stadtverträglicher Entwicklung und "wohnungsnaher Versorgung aller Bevölkerungsschichten". Man findet die Magistralen deutlich aufgewertet zu D-Zentren oder gar C-Zentren. Aber irgendwas ging trotzdem schief seit 1999.

Damals wurde der erste STEP Zentren beschlossen. Der Sinn war klar: Man definierte zentrale Lagen, in denen es schon Einkaufs-Zentren gab oder die man sich als solche zentralen Einkaufslagen wünschte. Und man versuchte, mit dem Plan die Neuansiedlungen zu steuern. Dorthin zum Beispiel, wo man sich auf Verwaltungsebene auch neue Zentren vorstellen konnte. Es war noch der Impetus der 1990er Jahre dabei, als man sich überall im Stadtgebiet neue Investitionen wünschte. Teilweise selbst von den Bürgern gefordert.

Die Zeiten, als die Stadt mit ihrer Verkaufsfläche gegenüber den Mega-Centern im Umland kaum bestehen konnte, sind aber schon lange vorbei. Mit der Fertigstellung der Hauptbahnhof Promenaden und dem Neubau der Einkaufstempel von Karstadt und Kaufhof in der City hat sich die Entwicklung gedreht, hat Leipzig seine “Zentralitätsziffer” leicht ins Positive gedreht. Doch die letzten Jahre waren geprägt von einem weiteren Zuwachs an Verkaufsfläche. Das Stadtplanungsdezernat wurde mit Bauanträgen für Discounter geradezu geflutet. Und in manchem Fall konnten nur noch in aller Eile durch den Stadtrat gepeitschte Bebauungspläne verhindern, dass wieder völlig abseits der Verkehrsstrukturen ein neuer Markt hingeklotzt wurde.

Was sich geändert hat, ist nicht das Kaufverhalten, sondern der Markt der Märkte. Er ist dicht. Im Osten längst genauso wie im Westen. Doch auch die großen Einzelhandelskonzerne sind getrieben von einer unerbittlichen Wachstumsphilosophie. Umsätze steigern können sie alle nur noch, wenn sie anderen Bewerbern Marktanteile abjagen. Eine Zeit lang funktionierte das mit “Kampfpreisen”. Da wurden zum Beispiel um Milchprodukte geradezu heftige Preisschlachten geführt.

Doch auch damit kann man nicht wirklich mehr die Konkurrenz verdrängen. Also versuchen es die Großen seit ein paar Jahren mit einem massiven Ausbau ihrer Märkte und Verkaufsflächen – insbesondere in zentralen Lagen. Dutzende dieser Einkaufs-Clone sind in Leipzig aus dem Boden geschossen. Und nicht nur die. Denn wer im Discounter-Segment um die Anteile kämpft, der ist auch im Segment Supermarkt unterwegs. Und so erlebten die Leipziger noch vor dem neuen STEP 2009 einen regelrechten Run auf die im STEP Zentren eingemalten noch leeren Zentren-Flecken. Mit dem Kaufland-Center (“Leutzsch Arkaden”) in Leutzsch ging es 2005 los, es folgte das Kaufland-Center in Reudnitz, das in Gohlis und das am Lindenauer Markt. Jedes Bauprojekt mit kritischen Anmerkungen insbesondere der Umweltverbände begleitet.Die Folgen wurden sehr schnell in den Bürgerumfragen sichtbar: Während im allgemeinen die Anteile der Autofahrten am so genannten Modal Split leicht sanken und insbesondere das Fahrrad Zugewinne verzeichnete, nahm das Verkehrsverhalten beim Einkauf die andere Richtung: der Anteil der Einkäufe mit Auto stieg.

Schon in vorhergegangenen “Ortsteilkatalogen” wurde sichtbar, woran es lag. Es lag nicht nur an den neu entstandenen Centern, die mit großen Parkdecks geradezu einladen, die Wocheneinkäufe künftig mit dem Pkw zu machen, auch wenn man nur zwei Straßen entfernt wohnte. Mit jedem neuen Center begann die Verdrängung des klassischen, mittelständischen Einzelhandels aus der näheren Umgebung. In Leutzsch direkt am Beispiel der Georg-Schwarz-Straße erlebt.

Von 2004 bis 2011 nahm die Einzelhandelsfläche in Leipzig von 752.000 Quadratmeter auf 802.000 Quadratmeter zu. Da sind die 2012 eröffneten Höfe am Brühl mit ihren 44.000 Quadratmetern Verkaufsfläche noch gar nicht enthalten.

Im selben Zeitraum aber nahm die Zahl der Einzelhandelsverkaufsstellen ab. Von 3.978 auf 3.723. Allein zwischen 2009 und 2011 gingen rund 150 Verkaufsstellen verloren. Das geschieht meist stillschweigend. Ein Aufkleber am Schaufenster: “Wir schließen.” Und das war’s in der Regel. Betroffen vor allem jene kleinen Läden, die als kleine Nahversorgung bis dahin oft noch ausgehalten hatten. Die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, die für die Stadt regelmäßig die Daten zum Einzelhandel erhebt, errechnet meist auch die wahrscheinlichen Prozente an “Magnetwirkung”, die die neuen Center entfalten (“strukturprägender Einzelhandels-Betrieb” im Fachjargon der Planer).

Natürlich kann man fragen: Hängt das allein mit den Centern zusammen? Oder verstärken Center und Discounter nur den Trend des allmählichen Absterbens der kleineren Händler, die ja zusätzlich auch unter der stagnierenden Kaufkraft der Leipziger leiden?

Aber genau das ist die Lücke im STEP Zentren und in allen “Zentren-Pässen”. Sie erfassen nur die räumlichen Strukturen in den Ortsteilen, nicht die Geld- und Kundenströme. Dabei weiß man im Planungsdezernat zumindest, dass bei Planung und Bau der Center einiges schief gelaufen ist. Im “Zentren-Pass” zu Reudnitz etwa heißt es kritisch: “Innenorientierung des neuen Einkaufszentrums, überwiegend einzelhandelsbezogene Prägung des EKZ, Multifunktionalität fehlt, teils noch Sanierungsbedarf der Altbauten in der Dresdner Straße und im näheren Umfeld, relativ geringe Kaufkraft der Bevölkerung im Leipziger Osten.”

Als wenn vor Baubeginn nicht heftig über die Introvertiertheit des Projektes diskutiert worden wäre. Doch den Unternehmen, die solche Center planen, geht es nicht um Öffnung oder gar die Belebung der Straße. Es geht um Umsatz und Marktanteile. Und zumindest eines zeigt der neue Ortsteilkatalog wieder: Zur Belebung von Handel und Wandel in den Quartieren helfen diese Großprojekte nicht. Dazu sehen die Projektentwickler nicht einmal einen Anreiz. Die “Höfe am Brühl” sind dafür bestes Beispiel: Sie sind völlig auf sich selbst bezogen. Und die mit der Stadt verhandelte maximale Verkaufsfläche war am Ende egal.

Kann man natürlich fragen: Ist das nicht eher eine Investition für die “Reichen und Schönen” in dieser Stadt?

Also schauen wir morgen an dieser Stelle mal, wo die “Reichen und Schönen” überhaupt wohnen.

Der Ortsteilkatalog ist für 25 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich:

Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig

Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228

Er ist außerdem im Internet unter “Veröffentlichungen” einzusehen. Alle Ortsteildaten sind zudem im Leipzig-Informationssystem im Internet zu finden: statistik.leipzig.de.

Der STEP Zentren: www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/step/zentren/index.shtml

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar