Kritisches in der Haushaltsführung der Stadt Leipzig findet der Sächsische Rechnungshof immer wieder. Mal einen kleineren Posten, mal einen Größeren. Die Kritik, die der Sächsische Rechnungshof am Dienstag, 4. Dezember, in seinem Kommunalbericht vorbrachte, reagierte die Stadt sofort. Es ging um die Rückholquote bei Unterhaltsleistungen. Ein brennendes Thema in der "Armutshauptstadt" Leipzig.

Der Rechnungshof hatte in seiner Pressemitteilung zum 2. Teil seines 2012-er Berichtes, der sich mit der Finanzwirtschaft in den Kommunen beschäftigte, geschrieben: “Die drei Kreisfreien Städte Leipzig, Chemnitz und Dresden haben 2010 für rund 22 Millionen Euro Unterhaltsvorschussleistungen bewilligt. Die Rückeinnahmen beliefen sich dabei auf rund 2,2 Millionen Euro. Der Rechnungshof hat erhebliche Defizite des Vollzugs des Unterhaltsvorschussgesetzes in der Stadt Leipzig festgestellt. Die offenen Forderungen sind mit einem Betrag in Höhe von 15 Millionen Euro am höchsten.”

Warum das so war, kommentierte der Rechnungshof nicht weiter.

Kinder von Alleinerziehenden, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhalten Unterhaltsleistungen, die als Vorschuss- oder Ausfallleistungen gewährt werden. Diese Leistung wird nur auf Antrag gewährt und längstens für 72 Monate gezahlt. Für die Erfüllung dieser Aufgabe sind die Landkreise und Kreisfreien Städte zuständig. Sie treten quasi ersatzweise für die nicht zahlungsfähigen oder nicht zahlungswilligen Väter ein. Die Geldleistungen, die nach dem UVG im Freistaat Sachsen zu zahlen sind, werden zu einem Drittel von den Landkreisen bzw. Kreisfreien Städten getragen.

Dass Leipzig da ein besonderes Problem haben könnte, zeigen die Tabellen, die der Rechnungshof selbst aufgenommen hat in seinen Bericht. 2008 lagen die noch offenen Forderungen der Stadt Chemnitz bei 0,46 Millionen Euro, in Dresden waren es 9,37 Millionen, in Leipzig 15,3 Millionen. 2010 hat Dresden die Summe auf 6,96 Millionen Euro (- 25,78 %) gedrückt. In Leipzig gab es eine leichte Zunahme auf 15,62 Millionen (+ 2,04 %), in Chemnitz stieg die Summe sogar auf 0,71 Millionen (+ 59,3 %).

Schon das deutet darauf hin, dass insbesondere in Leipzig unterhaltspflichtige Elternteile, also in der Regel Väter, ein Problem haben, die Unterhaltsleistungen abzubezahlen.

Wobei das Jahr 2010 auch noch besonders hervorsticht. Mancher glaubt ja bis heute, dass in diesem Jahr die große Krise vorbei war. Die simple Wahrheit ist: Für viele Leipziger verschärfte sich ab diesem Jahr die persönliche Lage erst recht.”Die Stadt Leipzig handelt im rechtlich vorgegebenen Rahmen als Treuhänderin von Bund und Land und schlägt Forderungen – ebenso wie die Aufsicht führende Landesdirektion – nach strengen Kriterien nieder”, erklärt denn auch Petra Stibane vom Amt für Jugend, Familie und Bildung. “Ebenso wird den Schuldnern von Kindesunterhalt in Leipzig nur nach gründlicher Prüfung bescheinigt, nicht leistungsfähig und somit von der Unterhaltspflicht befreit zu sein. Angesichts des Umstandes, dass ein großer Teil der erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ein Einkommen erzielt, das nur knapp über dem Selbstbehalt liegt, sind bezüglich der Rückzahlung zumeist Stundungen mit Ratenzahlungen mit geringen Raten und einer langen Laufzeit vereinbart.”

Was dann dazu führt, dass die nicht eingetriebene Summe sogar stabil bleibt, obwohl die Zahl der Fälle von Unterhaltsleistungen sogar stieg. Aber von Vätern, die in das Niedriglohnsystem, das sich in Leipzig etabliert hat, kann man nicht wirklich erwarten, dass sie hohe Raten zahlen können. Wer genau sehen will, wie das in Leipzig so exzessiv ausgeweitete Niedriglohnsystem direkten Einfluss auf die Rückholquote bei Unterhaltsleistungen hat, der kann sich den “Sozialreport 2011” der Stadt Leipzig zu Gemüte führen. Bis 2005 schaffte es die Stadt Leipzig (bei wesentlich weniger Fällen) die Rückholquote auf über 14 Prozent zu bringen. Doch genau mit dem Jahr 2005 setzt der Abfall dieser Quote ein.

Der Rechnungshof vergleicht die Jahre 2006 und 2010 – in denen die Rückholquote von 12,51 auf 6,87 Prozent sank (während sie in Chemnitz und Dresden noch über 10 Prozent blieb). Warum das so ist, fragte der Rechnungshof nicht. Er kritisierte nur, dass Leipzig – anders als Dresden – die Forderungen nicht schnellstmöglich eintreibt.

Dabei hätte auch ein Blick in den Sozialreport geholfen, das Dilemma zu sehen, das genau dann entsteht, wenn eine ganze politische Elite den Ausbau des Niedriglohnsektors als wirtschaftlichen Erfolg verkauft. Dabei produzieren die hemdsärmeligen Macher nichts anderes als dauerhaft verankerte Armut. Und zwar ganz unten – bei den jungen Familien.

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Im “Sozialreport 2011” steht dazu der Satz: “Auf die erfolgreiche Durchsetzung des Rückgriffs hat insbesondere die Einkommenssituation der Schuldner/-innen Einfluss. Arbeitslosigkeit und Leistungsbezug nach dem SGB II (auch als Ergänzung zu einem niedrigen Erwerbseinkommen) sind Gründe, weshalb die Rückholquote als Kennzahl für einen erfolgreichen Rückgriff seit 2005 tendenziell sinkt. Die titulierten Ansprüche unterliegen einer Verjährungsfrist von 30 Jahren, so dass die Einkommenslage vorübergehend nicht zahlungsfähiger Unterhaltsschuldner/-innen regelmäßig überprüft wird.”

Heißt im Klartext: Die “Schuldner” können gar nicht zahlen, weil ihnen andere Instanzen schon das Einkommen aufs Existenzminimum zusammengestrichen haben.

Da helfen auch keine verbesserten Abwicklungsprozesse, wie jetzt die Stadt verspricht: “Die Feststellungen und Hinweise des Sächsischen Rechnungshofes werden durch die Stadt Leipzig geprüft. Im Zuge einer Organisationsuntersuchung sollen in kommenden Jahr Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse im Bereich Unterhaltsvorschuss untersucht und, wo nötig, weiterentwickelt werden.”

Das Versprechen wird – das ist absehbar – eine Luftblase bleiben. Dazu spielt Leipzig nun schon viel zu lange das Spiel der Niedriglohn-Hauptstadt.

Der Rechnungshof-Bericht zu den Kommunen: www.rechnungshof.sachsen.de/download/JB2012-Band_II.pdf

Der Sozialreport der Stadt Leipzig 2011: www.leipzig.de/imperia/md/content/51_jugendamt/broschueren_praesentationen/stadt_leipzig_sozialreport-2011.pdf

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