Nicht nur das Alter und das Einkommen bestimmen in hohem Maße, zu welcher Partei sich Wählerinnen und Wähler hingezogen fühlen. Selbst der Bildungsstand spielt eine Rolle. Was in einer Demokratie durchaus ein diffiziles Thema ist. Denn eine moderne Gesellschaft ist komplex. Lösungen für aktuelle Probleme sind selten einfach. Was aber passiert, wenn Wähler gern einfache Antworten und Lösungsvorschläge haben wollen?

Auch dieses Thema beleuchtet die Erhebung, die im Auftrag von Prof. Dr. Elmar Brähler und PD Dr. Oliver Decker in Zusammenarbeit mit Johannes Kiess, MA, durchgeführt wurde. Und unübersehbar beeinflusst auch der Bildungsstand die Wahlentscheidung.

Unter den Wählern der Grünen finden sich die meisten Menschen mit Hochschulreife, rund 35 % haben Abitur. Auch rund ein Viertel der FDP-Wähler, der Piratenpartei und der Linken haben Abitur. Nur 9,4 % der Nichtwähler und 14,9 % der SPD-Wähler haben den höchsten in Deutschland möglichen Schulabschluss. Wobei die 9,4 Prozent bei den Nichtwählern zumindest darauf hindeuten, dass viele Menschen nicht (mehr) zur Wahl gehen, weil ihnen heutige Politik zu komplex geworden ist.

Vielleicht gingen sie auch früher nicht. Dazu fehlen dann natürlich die Zeitreihen. Zu fragen wäre auch: Ist das Abitur wirklich noch der Maßstab für höhere Bildung? Oder vielleicht doch nur ein indirekter Indikator, der sich stark mit der Altersschichtung mischt? Denn erst in den letzten 30 Jahren ist ja der Anteil von Abiturienten an der Gesamtbevölkerung deutlich gestiegen. Allein in den letzten zehn Jahren stieg der Anteil der Personen mit Abitur an der erwerbstätigen Bevölkerung von 25 auf 35 Prozent. Und dieser Trend wird weiter gehen – hin zu den europaweit als Maßstab geltenden 50 bis 60 Prozent. Dafür ist das deutsche Bildungssystem zwar nicht ausgelegt. Aber das ist dann wieder eine politische Entscheidung – die man am 22. September an der Wahlurne trifft.

Auch eine andere Wählergruppe hält sich da lieber zurück.

Jeder dritte Arbeitslose beabsichtigt, nicht zur Wahl zu gehen (32,5 %). Weitere 23,8% der Arbeitslosen sind noch unentschieden. Was eigentlich ein mehr als deutliches Signal setzt: Wer kann sie ansprechen?

Am deutlichsten noch die SPD, die immerhin noch für 15,9 Prozent de Arbeitslosen eine Option wäre. Dahinter die Linke mit 7,9 Prozent, während die FDP für die Wahlentscheidung von Arbeitslosen kaum eine Rolle spielt (0,8 %).

Aber das scheint sowieso egal: Arbeitslose scheinen nicht wirklich ein ansprechbares Wählerklientel zu sein, auch wenn 4,8 Prozent der Arbeitslosen NPD wählen möchten. Über den Rechtsausleger unter den Parteien spricht derzeit bundesweit keiner, außer wenn die Truppe einmal mehr mit fremdenfeindlichen Plakaten und Auftritten auffällt.
Nur auf den ersten Blick ist es bemerkenswert, dass rechte Parteien mehrheitlich von Männern (weiterhin zwei Drittel der Anhänger) gewählt werden. Das bestätigt zwar den Macho-Charakter der Truppe – aber wenn sie nicht einmal mehr in Greifweite der 5 Prozent kommt, wie schmal ist diese Wählerbasis eigentlich? Von den Wechselwählern wird 2013 wohl eher eine Partei wie die AfD profitieren (die von der Studie noch nicht erfasst wurde).

Die Grünen werden mehrheitlich von Frauen gewählt – 59,8%. Aber – und das ist durchaus überraschend – auch bei den Personen, die sich noch nicht entscheiden können, welche Partei sie wählen, dominieren die Frauen mit 61,3 %. Und auch bei den absehbaren Nichtwählern dominieren die Frauen mit 57 Prozent. Was ja eigentlich auch bedeutet, das sich besonders viele Frauen von Politik in Deutschland nicht (mehr) angesprochen fühlen. Trotz der Eiertänze um Vorstandsquoten und Herdprämie. Aber CDU/CSU können erstaunlicherweise mehr Frauen als Männer für sich gewinnen – 52,4 Prozent beträgt der Frauenanteil ihre (potenziellen) Wähler.

Dagegen sind 62,5% der Anhänger der Piratenpartei Männer. Und noch eine traurige Botschaft für die Nerds unter den Politikern: Gegenüber früher haben die Piraten vor allem Frauen verloren. Da hat augenscheinlich die parteiinterne Kommunikation mehr als nur Blessuren und Enttäuschungen hinterlassen.

Dass die Linke im Osten nach wie vor eine hohe Anhängerschaft hat und die SPD im Vergleich eine niedrige – geschenkt. Das haben die Genossen West selbst verbockt, als sie 1990 ihre eigene Mauer gegen die ungeliebte und belastete Konkurrenz aus dem Osten bauten. Andere Parteien wie die CDU nahmen bereitwilligst verdiente alte SED-Genossen in Dienst und machten nur kein Aufhebens darum. Während die SPD-Spitzen noch 2013 nichts eiliger zu tun haben, als die Linke für nicht-koalitionsfähig zu erklären. So bewahrt man sich die nervende Konkurrenz.

Auch die Grünen sind im Osten etwas weniger erfolgreich als im Westen, dafür hat hier die CDU etwas mehr Zuspruch.

Was sich dann wieder mit dem nächsten Punkt mischt – der Frage nach Stadt und Land.

Denn die Anhängerschaft der SPD lebt in den Städten, auf dem Land ist die Zustimmung zur SPD um 5,2 % geringer. Die CDU/CSU-Wähler sind auf dem Land etwas überrepräsentiert.

Zum Thema Konfessionen kommentiert die Universität Leipzig die Studie so: “Katholiken wählen eher CDU/CSU, Protestanten und Konfessionslose eher die SPD. Die Grünen-Wähler sind bei den Katholiken unterrepräsentiert. Auffällig ist die hohe Zahl an Nichtwählern bei den Konfessionslosen. Die Linken haben ihre Wähler vor allem bei den Konfessionslosen, was mit der stärkeren Konfessionslosigkeit im Osten Deutschlands zusammenhängen kann. Protestanten und vor allem Katholiken meiden eher die Linken.”

Aber eigentlich ist eher erstaunlich, wie viele Wähler sich immer noch als gläubig oder konfessionsgebunden fühlen. Selbst bei den jeglicher Religion eigentlich fern stehenden Parteien wie Linken und NPD. Bei beiden artikulieren sich immer noch mehr als 40 Prozent der Wähler als konfessionsgebunden.

Hat das dann also wirklich eine Wirkung aufs Wahlergebnis? Es sieht nicht so aus.

Aber interessant wird es da, wo die Leipziger Soziologen tatsächlich zu ihrem Steckenpferd kommen: dem psychischen und dem Gesundheitszustand der Wähler. Hat das Wohlbefinden Einfluss auf das Wahlverhalten?

Eine richtig schöne Frage. Mehr dazu morgen an dieser Stelle.

www.uni-leipzig.de

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