Die künftigen Wähler unter 18 Jahren durften ja schon wählen. Am 13. September haben sie in der U18-Wahl zumindest fiktiv abstimmen dürfen über eine mögliche künftige Bundesregierung. Für Studierende in Deutschland gibt es so eine Extra-Wahl natürlich nicht, denn in der Regel sind sie alle wahlmündig. Und man kann ihnen am Sonntag, 22. September, nur wünschen, dass sie auch tatsächlich zur Wahl gehen.

Denn die jüngeren Jahrgänge haben nicht nur das Problem, dass ihre Geburtsjahrgänge allesamt schwächer sind als die der über 50-Jährigen. Die Wahlbeteiligung der jüngeren Wähler ist auch seit Jahren schon deutlich geringer als die der Älteren und Alten.

2009, zur letzten Bundestagswahl, lag die Wahlbeteiligung der 18- bis 21-Jährigen in Leipzig nur bei 54,3 Prozent, die der 22- bis 25-Jährigen bei 56,4 Prozent. Hingegen lag die Wahlbeteiligung der über 60-Jährigen bei über 74 Prozent. Was in der logischen Folge heißt: Die Alten bestimmen die Wahl.

Es ist keine Augenwischerei zu sagen, dass ältere Menschen andere Interessen und Erwartungen haben als junge. Das Thema Zukunft spielt in ihrem Wahlverhalten eine wesentlich geringere Rolle. In dem junger Menschen, die diese Zukunft leben und gestalten wollen, spielt es zwangsläufig eine große.

Aber wie würden junge Leute wählen, wenn sie zur Wahl gehen? Würde sich das Wahlergebnis ändern? Wahrscheinlich schon. Ein kleines Projekt an der Uni Leipzig zeigt, wie so eine Wahl ausgehen könnte.

Nach einer repräsentativen Befragung des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft (IfKMW) bei den Studierenden der Universität Leipzig erzielte die SPD 24,2 Prozent und die Grünen 26,7 Prozent. Hingegen kommen CDU/CSU entgegen dem Bundestrend gerade einmal auf 26,7 Prozent. Die FDP würde nach dem Willen der Leipziger Studierenden den Einzug in den Bundestag mit 4,1 Prozent verpassen. Linkspartei (8,5 Prozent) und Piratenpartei (5,7 Prozent) wären hingegen im Parlament vertreten.

Allerdings: Auch Studierende denken schon taktisch und lassen sich augenscheinlich von den fast täglich neuen “Meinungsumfragen” in den Medien beeinflussen.

So ist eines der verblüffendsten Ergebnisse der Erhebung an der Uni Leipzig: Nur rund 47 Prozent derjenigen Studierenden, die sich dem sozialdemokratischen Lager zurechnen, würden auch tatsächlich die SPD wählen. Mehr als die Hälfte von ihnen würde ihre Stimme den anderen Parteien geben, darunter jeweils rund 7 Prozent der CDU, den Grünen oder der Linkspartei. Ein vergleichbares Problem der Mobilisierung scheint die CDU hingegen unter Leipzigs Studierenden nicht zu haben: Rund 80 Prozent der CDU-Anhänger würden der Partei auch ihre Stimme geben.

Rund ein Drittel der Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung jedoch noch unentschlossen, was in etwa auch den Werten bundesweiter Umfragen entspricht. Lediglich 4,4 Prozent gaben an, nicht zu wählen.

“Erwartungsgemäß kommen CDU/CSU und FDP bei Studierenden der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer auf niedrigere Umfragewerte, während Medizin-, Jura- oder BWL-Studierende ihre Stimmen überdurchschnittlich oft der derzeitigen Regierungskoalition geben würden”, beschreibt Benjamin Bigl, einer der Autoren, ein zentrales Studienergebnis. Auf einer Links-Rechts-Skala ordneten sich demzufolge die angehenden Geistes- und Sozialwissenschaftlicher eher links ein, während die künftigen Mediziner, Juristen und Betriebswirtschaftler eher zur Mitte bzw. nach rechts tendieren. “In ihrer politischen Präferenz unterscheiden sich Studierende dieser Fächergruppen signifikant”, erläutert Bigl.

“Demgegenüber waren wir überrascht, dass es trotz der aktuellen Gender-Debatte an der Universität Leipzig signifikante Unterschiede im erklärten Wahlverhalten zwischen Frauen und Männern gibt”, berichtet Sebastian Heinisch, ebenfalls Autor der Studie. So gaben immerhin rund 4 von 10 befragten Frauen an, noch unentschlossen zu sein oder gar nicht zu wählen, während dies lediglich rund 3 von 10 Männern bestätigten. “Wir haben auch festgestellt, dass sich das generelle politische Interesse von Geschlecht zu Geschlecht unterscheidet”, berichtet Heinisch weiter. Männer seien signifikant stärker an Politik interessiert und wollen auch stärker politisch auf dem Laufenden sein als Frauen.Mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung konnte die Studie jedoch auch einige Ost-West-Unterschiede bei Leipzigs Studierenden nachweisen: Die überwiegend in Ostdeutschland Aufgewachsenen sind unentschlossener in ihrer Wahlentscheidung als ihre westdeutschen Kommilitonen. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass die Ostdeutschen Unterhaltungsmedien signifikant stärker nutzen als die Westdeutschen. – Was vielleicht ihre Ratlosigkeit sogar erklärt …

“Damit bestätigt die Studie Erkenntnisse der allgemeinen Mediennutzungsforschung, wonach die Ostdeutschen Medien unterhaltungsorientierter nutzen”, erklärt Hans-Jörg Stiehler, Leiter der Untersuchung. “Interessant ist hierbei der Aspekt, dass sich die Mediennutzungsmuster auch bei den Jüngeren wiederfinden, obwohl sie zum Teil sogar nach 1990 geboren sind.”

Trotz dieser Unterschiede in der Mediennutzung gibt es ein Thema, das mehr als die Hälfte aller Studierenden interessiert: Die Debatte um “Herr Professorin”, die sich mit der Verwendung weiblicher Berufsbezeichnungen in der Grundordnung der Universität Leipzig beschäftigt, haben 50,3 Prozent der Befragten stark oder sehr stark verfolgt. Kurioser Nebenaspekt: Nur rund drei Viertel kennen die derzeitige Rektorin der Universität Leipzig Prof. Dr. Beate Schücking.

Auch einige Befunde zur sozialen Lage der Studierenden konnten durch die Studie herausgearbeitet werden. Das durchschnittliche Alter der Studierenden an Leipzigs Alma Mater beträgt rund 23 Jahre, etwa 60 Prozent von ihnen sind weiblich, 3 Prozent aller Studierenden haben mindestens ein Kind. 65 Prozent der Befragten kommen aus Ostdeutschland, 35 Prozent aus den westdeutschen Bundesländern.

Das durchschnittliche Einkommen der Leipziger Studierenden beträgt rund 664 Euro, dabei gibt es zwischen den Fächergruppen erhebliche Unterschiede: Studierende in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen haben im Monat nur etwa 634 Euro zur Verfügung, demgegenüber können die Studierenden der Juristischen sowie der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät mit durchschnittlich 720 Euro signifikant mehr Geld ausgeben. Gefragt nach der Wohnsituation gibt jeweils rund ein Sechstel an, entweder mit dem Partner oder der Partnerin, im Studentenwohnheim oder allein in einer Wohnung zu wohnen; fast die Hälfte der Befragten wohnt in einer Wohngemeinschaft und 4 Prozent wohnen noch bei den Eltern.

Zu dieser Befragung wurden 511 Studierende der Universität Leipzig befragt. Die Studierenden wurden vom 2. bis 11. Juli 2013 per Quotenstichprobe ausgewählt und mit einem Fragebogen (PAPI) befragt.

Die Studie, die sich nicht nur mit aktuellen Wahlpräferenzen, sondern auch generell mit dem politischen Interesse der Studierenden der Universität Leipzig beschäftigte, wurde im Sommersemester 2013 unter Leitung von Dr. Hans-Jörg Stiehler, Professor für Empirische Kommunikations- und Medienforschung, Benjamin Bigl, Mitarbeiter am IfKWM und Sebastian Heinisch, Doktorand am IfKMW, durchgeführt. Beteiligt waren rund 100 Studierende des Instituts im Rahmen ihrer Ausbildung. “Unser Forschungsprojekt ist ein herausragendes Beispiel für die eng verzahnte Vermittlung berufspraktischer Fertigkeiten und wissenschaftlicher Kenntnisse in unseren Studiengängen”, bilanziert Hans-Jörg Stiehler.

www.kmw.uni-leipzig.de/bereiche/empirie/

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