Es könnte sein, dass es Leipzig nachträglich sogar schafft, einen ausgeglichenen Haushalt 2014 hinzulegen. Denn ein wesentlicher Teil der Mindereinnahmen von rund 7 Millionen Euro gehen allein auf Mindereinnahmen der Stadt aufgrund der Zensus-Ergebnisse vom Mai 2011 zurück. Ergebnisse, die wahrscheinlich heftig von den wahrscheinlich richtigen Einwohnerzahlen abweichen. Das ergeben Untersuchungen des "Spiegel".

Am Freitag, 20. Dezember, meldete das Nachrichtenmagazin: “Die letzte Volkszählung war möglicherweise verfassungswidrig. “Spiegel Online” exklusiv vorliegende Daten bestätigen: Der Zensus 2011 benachteiligte mindestens in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz große Gemeinden gegenüber kleinen, weil sie mit verschiedener Methodik behandelt wurden. Dies könnte das Aus für die neue Zählmethode bedeuten.”

Und da dieser Rechenfehler nicht nur die großen Gemeinden in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz benachteiligt, sondern augenscheinlich auch die großen Städte in Sachsen, ist es ebenso wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Rechenfehler auch Leipzig betrifft. Und 1,5 Prozente mehr oder weniger in der Bevölkerungsstatistik, das sind nicht nur 7 oder mehr Millionen Euro. Das sind auch entsprechende Menschen, die der Zensus mit seiner 10-Prozent-Stichprobe einfach weggerechnet hat.

Die Differenz tauchte auf, weil in kleineren Gemeinden unter 10.000 durch Hausbesuche quasi fast die gesamte Bevölkerung “besucht” wurde, in größeren Städten glaubten die Bundesstatistiker, mit einer Stichprobe von 10 Prozent aller Haushalte auszukommen.

Doch nicht nur Leipzig erlebte sein blaues Wunder, als die Zensus-Zahl für Dezember 2011 um fast 20.000 von der bis dahin weitergerechneten Einwohnerzahl abwich. Statt 531.809 standen nun auf einmal nur noch 510.043. Anders als andere Städte ging Leipzig aber nicht in Widerspruch, sondern schluckte den sauren Apfel. Obwohl es ein vergifteter ist. Denn das Geld fehlt schon jetzt bitter genau für die Investitionen, die aufgrund des Bevölkerungswachstums notwendig sind. Eine eh schon dramatische Lage verschärft sich weiter.

Vor der Zensus-Rechnerei gab es auch schon eine Differenz zum amtlichen Einwohnermelderegister, das die Leipziger Statistiker zunehmend verstärkt für die städtischen Statistiken nutzt. So recht scheint man da dem Zensus-Ergebnis also auch nicht zu trauen. Für Dezember 2011 zum Beispiel wies das Einwohnermelderegister – nach mehreren Registerbereinigungen in den Vorjahren – 517.838 Einwohner für Leipzig aus. Eine Abweichung von knapp 14.000. Und das Zensus-Ergebnis hätte erwartungsgemäß irgendwo in diesem Bereich liegen müssen.
Es landete aber deutlich drunter. Die vom “Spiegel” errechnete Abweichung von 1,5 Prozent könnte so also auch auf das Leipziger Ergebnis zutreffen. (Der Bereich, den “Spiegel Online” als Spielraum angibt, bewegt sich zwischen 1,0 und 1,9 Prozent negativer Abweichung für die großen Städte).

Heißt für Leipzig: Wahrscheinlich hat das Zensus-Ergebnis Leipzig zwischen 5.000 und 9.500 Einwohner wegradiert, obwohl sie da sind, hier ihre Steuern zahlen, zur Schule gehen, den Sozialbürgermeister zur Verzweiflung bringen oder selbst verzweifelt sind, weil die wichtigsten Zukunftsprojekte der Stadt durch die nun noch stärker fehlenden Gelder nicht vorankommen.

Für August 2013 weist das Statistische Landesamt aufgrund der Zensus-Ergebnisse für Leipzig übrigens 525.132 Einwohner aus, rund 15.000 mehr als noch für Dezember 2013. Aber wenn die “Spiegel”-Kritik zutrifft – und das Bundesamt für Statistik scheint dieser ja nun so langsam recht zu geben – dann liegt der Leipziger Wert doch wieder über 530.000 – der Dresdner übrigens auch.

Vielleicht sollte auch Leipzigs Verwaltung so langsam aufwachen und begreifen, dass sie für die Finanzierung der Stadt aktiv werden muss und nicht jedes Minus bei den Einnahmen als gottgegeben hinnehmen darf. Im Sinne ihrer Bürger. Aber muss man das noch betonen?

Wie groß dieser neue Rechenfehler möglicherweise ist, zeigt ein Vergleich der 525.000 vom Landesamt auf Zensus-Grundlage errechneten Leipziger im Sommer 2013 mit der Zahl aus dem Einwohnermelderegister: Dort stand im Sommer eine 529.580.

Der Beitrag des Spiegels zum Thema:
www.spiegel.de/politik/deutschland/zensus-vertrauliche-daten-belegen-ungleichbehandlung-bei-volkszaehlung-a-939839.html

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